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Aktuellen Stunde: Erneute Verschiebung der Reform der Pflegeversicherung

Rede vom 2. Februar 2007 zur Aktuellen Stunde zum Thema "Erneute Verschiebung der Reform der Pflegeversicherung - Auswirkungen auf die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen:

 

 

 

 


 

Link zum Video in der Mediathek des Deutschen Bundestages



80. Sitzung vom 02.02.2007
TOP ZP14 Aktuelle Stunde: Reform der Pfegeversicherung

Mechthild Rawert (SPD):

Liebe Gäste! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Ich möchte mich natürlich als Erstes dagegen verwahren, dass das hier das Letzte ist; denn dann wäre ich als letzte Rednerin ja heute das Allerletzte. Das geht natürlich nicht. Ich finde, dass das dem Thema nicht angemessen ist.

Ich möchte darum bitten, wenn wir das Thema Pflege ernsthaft und zum Wohle der Menschen betrachten wollen, nicht das Zitat zu wiederholen: Im Pflegefall lieber den Freitod. Ich bitte darum, dabei zu bedenken: Man redet immer über anderer Leute Leben. Wir sollten hier keine falschen Grenzen ziehen, sondern die Notwendigkeiten sehen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon zu Recht dargestellt worden, dass dieses Nölen und Nörgeln über die erneute Verschiebung der Reform der Pflegeversicherung am heutigen Tag, wo wir die Gesundheitsreform verabschiedet haben, zu einer Verunsicherung und Orientierungslosigkeit in der Bevölkerung führt. Das ist dem Thema nicht angemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben in der Koalitionsvereinbarung etwas zum Pflegebegriff, zum notwendigen Leitbild, zur Sicherung der nachhaltigen und gerechten Finanzierung gesagt, aber auch zur Verbesserung der Leistungsseite.

Ja, es wird auch Diskussionen dazu geben, wie die Finanzierung erfolgen soll. Es hat solche Diskussionen auch schon gegeben, wie in der Zeitung zu lesen war. Für die SPD kann ich selbstverständlich sagen, dass wir auch Privatversicherte stärker zur Kasse bitten möchten und hiermit den sozialen Pflegebegriff deutlicher machen wollen.

(Hellmut Königshaus [FDP]: Das kennen wir ja schon!)

Wir werden uns darüber austauschen müssen, wie es mit der Forderung aussieht, die zusätzliche Finanzierung über Kapitaldeckungsverfahren vorzusehen. Wir werden diese Diskussionen führen. Es wäre unsinnig, davon auszugehen, dass dieses Thema ausgeklammert werden könnte.

(Frank Spieth [DIE LINKE]: Hoffentlich hat Frau Schmidt dann nichts dagegen!)

Richtig ist aber auch, dass die häusliche Pflege – einer der ganz wesentlichen Aspekte – gestärkt werden muss. Wir haben vor kurzem noch einmal die Zahlen zur Kenntnis nehmen können. Waren es 1999 noch circa 2 Millionen pflegebedürftige Menschen, waren es 2003 schon über 100 000 mehr.

Richtig ist auch: Pflege findet zu zwei Dritteln zu Hause statt. Ich halte es für eine falsche Alternative, die stationäre Unterbringung und die Pflege gegen die ambulante Pflege auszuspielen; denn beides ist notwendig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir alle wissen – darüber ist auch schon in anderen Zusammenhängen diskutiert worden –, das Familienbild ändert sich. Das traute Dreigenerationenhaus gibt es zumindest in der Stadt nur noch recht selten; vielleicht auf dem Land noch häufiger. Selbstverständlich gilt auch hier: Die Jüngeren, die Erwerbstätigen müssen nicht nur professionell pflegen können, sie müssen auch die Chance haben, in ihrer Familie zu leben. Hier brauchen wir externe und vor allen Dingen professionelle Hilfe. Die Kultur des Helfens auf Gegenseitigkeit, der Ausbau von bürgerschaftlichem Engagement ist ebenso wichtig und gefragt. Ich bedanke mich für das Lob der Initiative unserer Kolleginnen Silvia Schmidt und Ute Kumpf.

Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ich denke, dieser Aspekt muss in dieser Diskussion verstärkt berücksichtigt werden. Denn unsere Altenpflegesysteme sind hinsichtlich dessen noch nicht sensibel genug, was man kulturelle Öffnung nennt. Auch hiermit werden wir uns in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen.

Richtig und wichtig ist das, was zur Professionalisierung der Pflege gesagt worden ist, zu einem neuen Pflegebegriff und auch zur Anerkennung. Dabei geht es nicht nur um Wertschätzung. Als Frauenpolitikerin sage ich vielmehr: Pflege kostet Geld, und die Pflegenden haben nicht nur immateriell ein billiges Dankeschön, sondern tatsächlich eine anständige finanzielle Aufwandsentschädigung verdient, um ihre Existenz zu sichern. Auch hierfür werden wir sorgen müssen.

Ich hoffe, dass wir das Thema nicht kaputtnörgeln, sondern dass wir uns gemeinsam und tatkräftig dem Thema im Interesse der Bevölkerung, der Jungen, der Alten und der mittleren Generation sach- und fachgerecht zuwenden werden.

Ich wünsche uns allen ein wunderbares Wochenende.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)