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Kunst- und Architekturführung im Reichstagsgebäude am 19. März 2016

Ein großes Kompliment ist echtes Interesse. Daher mein herzlicher Dank an die Teilnehmerinnen der Tempelhof-Schöneberger Frauenmärz-Veranstaltung für ihr Interesse an meiner Arbeit als auch an der Kunst und Architektur im Reichstagsgebäude.

Für diejenigen, die nicht dabei sein konnten, hier ein Rück- und Einblick:

Am Zentralen Eingang für BesucherInnen trafen sich um 11 Uhr alle 25 Teilnehmerinnen der Besuchergruppe, die an der Kunst-und Architekturführung im Reichstagsgebäude teilnehmen wollten. Ja sie haben richtig gelesen - ausschließlich Frauen, da dieses Angebot eine Veranstaltung im Rahmen des Tempelhof-Schöneberger Frauenmärzes war. Nach der Sicherheitskontrolle begab sich die Gruppe in Richtung des West- und Haupteingangs, worüber sich auch der zentrale Schriftzug „Dem Deutschen Volke“ befindet. Dieser Eingang ist mit Abstand der Beeindruckendste aller Eingänge, weil von hier ein toller Blick in die Umgebung mit KanzlerInnenamt, Paul-Löbe-Haus (Teil des deutschen Bundestags) und dem Platz der Republik möglich ist. Die Führung begann um 11:30 Uhr und wurde von einer Referentin im Auftrag des BesucherInnendienstes durchgeführt.

Um die Kunst-und Architektur des Reichstagsgebäudes zu verstehen, sind historische Kenntnisse des Gebäudes hilfreich: Das Gebäude ist zwischen 1884-1894 nach den Plänen des aus dem Rheinland stammenden Architekten Paul Wallot gebaut worden. Zwischen dieser Zeitepoche und der heutigen Postmoderne kam es zu mehrfachen Umbauten des Gebäudes. Nach der Wiedervereinigung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 3. Oktober 1990 haben sich die Abgeordneten in der damaligen Hauptstadt Bonn mit einer sehr knappen Mehrheit am 20. Juni 1991 für Berlin als neue Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland entschieden. Es sind sehr viele Entwürfe für die Gestaltung des Reichstagsgebäudes eingegangen, der britische Architekt Sir Norman Foster setzte sich schlussendlich durch. Seine Vision war es, dass Reichstagsgebäude zu einem neuen funktionalen Parlamentsgebäude umzuwandeln und gleichzeitig den historischen Charakter des Gebäudes mit seiner Fassade zu erhalten. Foster lehnte übrigens die Kuppel, welche heutzutage zentrales Erkennungsmerkmal und mit drei Millionen BesucherInnen pro Jahr ein Publikumsmagnet ist, ab. Für ihn wirkte eine Kuppel zu herrschaftlich und dieses war mit seiner Vorstellung von Demokratie nicht vereinbar. Die Abgeordneten beharrten aber auf ihre Vision von einer Kuppel, Foster lenkte ein und setzte den heutigen Entwurf um. Foster designte übrigens auch die blau-violetten Stühle im Plenarsaal. Diese Farbe erhielt den Namen „Reichstags-Blue“ und ist patentgeschützt.

Abgeordnetenlobby - Gedenken an die im Nationalsozialismus umgekommenen Abgeordneten

Der Rundgang begann im Westflügel des Reichstagsgebäudes, wo sich die Abgeordnetenlobby befindet. Hier hängt ein meterlanges Bild der Künstlerin Katharina Sieverding, welches in den Farben Schwarz, Rot, Gold und Weiß gehalten ist. Die Künstlerin hat zwei Motive vermischt - darunter eine Fotographie und ein Röntgenbild, welche zusammen das fertige Kunstwerk ergeben. In diesem Kunstwerk lässt sich die menschliche Wirbelsäule sowie Flammen erkennen. Neben der Wirbelsäule lässt sich in der Röntgenaufnahme ein Tumor erkennen. Dieser Tumor charakterisiert die Verbrechen, welche der Nationalsozialismus angerichtet hat.

Direkt unter dem Bild liegen drei Bücher mit Namen und Hintergrundgeschichten in der Nazi-Zeit verfolgter und ermordeter Abgeordneter aus. Dieses Kunstwerk lässt sich als Symbol des Entsetzens und der Trauer über die Zeit des Nationalsozialismus und den hiermit verbundenen Gräueltaten und Verbrechen verstehen. Unsere Referentin erklärt mit Verve, dass das Reichstagsgebäude eine demokratische Tradition hat. Adolf Hitler und die gesamte NSDAP hätten niemals hier getagt. Zur damaligen Zeit war das Parlament in der nicht mehr bestehenden Krolloper untergebracht. Bis auf die Sozialdemokraten votierten dort alle anderen Abgeordneten am 23. März 1933 für das     Ermächtigungsgesetz. Mit dem Ermächtigungsgesetz übertrug der Deutsche Reichstag die gesamte Staatsgewalt an Adolf Hitler - die Demokratie wurde damit abgeschafft.

Der Clubraum - Ein Paradies für Rauchende

Als nächstes ging es den Gang runter bis zum südlichen Ende des Westportals des Reichstagsgebäudes. Hier befindet sich der Clubraum, an dessen Wänden das große Kunstwerk des russischen Künstlers Grisha Bruskin „Leben über alles“ hängt. Dieses Triptychon ironisiert in über 115 Einzelbildern ideologische Mythen, insbesondere die „Skulptur-Manie“ Sowjet-Russlands. Sie zeigen jeweils eine Person als weißlich-monochromer statuenhafter Schemen, der erst durch seine farbigen Attribute als Individuum erkennbar werde. Dieser Clubraum ist die einzige Räumlichkeit, wo das Rauchen gestattet ist.

Andachtsraum - ein Raum der Vielfalt des Glaubens

Für mich ist immer wieder spannend, wie die Reaktionen von TeilnehmerInnen beim Betreten des Andachtsraumes sind. Der Andachtsraum lässt sich weder mit einer Kirche, Moschee, Synagoge oder einem Tempel vergleichen. Die künstlerische räumliche Gestaltung intendiert eine Oase für Ruhe und Besinnung. Der große Unterschied zum restlichen Reichstagsgebäude ist, dass diese Räumlichkeit nicht besonders transparent ist. Es gibt kaum direkt einfallendes Licht. In den rund 22 jährlichen Sitzungswochen besteht für Abgeordnete und andere Interessierte die Möglichkeit an einer selbst organisierten spirituellen Zusammenkunft teilzunehmen. Einer der wichtigsten Ansprüche, welche der Künstler Günther Uecker mit der Gestaltung dieses Raumes zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass der Raum für alle Glaubensrichtungen als Andachtsraum genutzt werden kann. Es befinden sich hier keine ausdrücklich religiösen Gegenstände. Im ganzem Raum verteilt lassen sich fünf Leinwände erkennen, welche jeweils mit Sand, Holz, Nägeln und größeren Metallstücken versehen worden sind. Diese Gestaltung symbolisiert Ueckers Verhältnis zu Religion und Glaube.

Die Graffiti der sowjetischen Soldaten

Vor allem auf der Nordseite sind zahlreiche kyrillische Buchstaben zu betrachten. Woher kommen diese? Obwohl das Reichstagsgebäude in der Zeit des nationalsozialistischen Herrschaftsregimes weitgehend ungenutzt blieb, galt es der Sowjetunion als Symbol für die nationalsozialistische Diktatur. Der Kampf um den Reichstag begann am 29. April 1945, es wurde am 2. Mai 1945 erobert. In den darauffolgenden Tagen hinterließen viele sowjetische Soldaten ihre Namen mit einer dazugehörigen Botschaft über ihren Siegeszug. Viele dieser Signaturen sind erhalten geblieben und lassen sich heute als zeitgeschichtliches Zeugnis begutachten.

Besonderes Highlight: Die Präsidialebene

Ein ganz besonderes Highlight dieser Führung war der Besuch der Präsidialebene, wo ich, obwohl ich schon zu vielen Kunst- und Architekturführungen eingeladen habe, tatsächlich noch nicht gewesen bin. Dies schätze ich auch an den Kunst- und Architekturführungen: Jede Führung ist anders und setzt andere Akzente.

Dort konnten wir uns ein Modell des verhüllten Reichstagsgebäudes anschauen. Die Reichstagsverhüllung, welche vom Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude mit aluminiumbedampftem Polypropylengewebe realisiert wurde, bestand zwischen dem 24. Juni und 7. Juli 1995 und zog viele Menschen in ihren Bann. Erinnerungen an diese besondere Zeit wurden ausgetauscht. 

Das Kunstwerk „DER BEVÖLKERUNG“ im nördlichen Innenhof

Von oben lässt sich das Kunstprojekt „DER BEVÖLKERUNG“ des Künstlers Hans Haacke aus dem Jahr 2000 am besten betrachten. In einer sieben Meter breiten und 21 Meter langen von Holzbohlen umrandeten Fläche ließ Haacke in Neonlichtbuchstaben die Inschrift „DER BEVÖLKERUNG“ installieren.

Im vergangenen September habe ich in meinem Wahlkreisbüro zusammen mit vielen Tempelhof-SchönebergerInnen mein zehnjähriges Bundestagsmandat gefeiert. Am Ende der Veranstaltung war ein Sack sehr reich mit Erde von den bezirklichen Lieblingsorten gefüllt. An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an alle! Die Erde wird am 7. April  in einer von meinem Wahlkreisbüro organisierten Veranstaltung zwischen 13-15 Uhr dem Kunstwerk hinzugefügt. Warum gerade diese Zeit? Genau dann nimmt die Kamera ein Webcam auf - wir wollen in die tägliche Dokumentation des Kunstwerkes.

Archiv der deutschen Abgeordneten

Wir besuchten auch das im Untergeschoss des Reichstagsgebäudes befindliche „Archiv der deutschen Abgeordneten“ des französischen Künstlers Christian Boltanski. Rund 5000 Metallkisten sind mit den Namen der Abgeordneten beschrieben, die zwischen dem Jahre 1919 und dem Jahre 1999 demokratisch gewählt wurden. Schade, dass es keine „Ausweitung“ gibt, ich wäre zu gerne dort verewigt.

Bunter Strauß Politik im Fraktionssaal und Kuppelbesuch

Am Ende ging es auf die Fraktionsebene und für eine Diskussion in den SPD-Fraktionssaal. Ich liebe diesen Meinungsaustausch, bietet er doch sowohl den BürgerInnen als auch mir die Möglichkeit des unmittelbaren Austausches über einen bunten Strauß Politik.

Zunächst informierte ich über die Landesgruppe Berlin und die Landesgruppe Ost der SPD-Bundestagsfraktion. Dieser Zusammenschluss der Landesgruppe Berlin und der Landesgruppen der fünf „neuen“ Bundesländer ist nach der Landesgruppe NRW die zweitgrößte Landesgruppe der Fraktion. Noch immer ist es notwendig, spezielle „Ost“-Herausforderungen zu thematisieren, noch immer existiert keine Gleichheit zwischen Ost und West. Ein emotional sehr besetztes Thema ist die noch ausstehende Angleichung der Renten in Ost und West. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die ungleichen Systeme politisch nicht mehr zu erklären, auch wenn diese sich schrittweise aufeinander zu bewegen. So gibt es in diesem Sommer große Schritte für alle: Die Renten werden im Westen um 4,25 Prozent und im Osten um 5,95 Prozent ansteigen.

In den Sitzungswochen kommt in diesem Fraktionssaal die gesamte SPD-Bundestagsfraktion jeweils am Dienstagnachmittag zusammen, debattiert über aktuelle Themen und gesellschaftspolitische Geschehnisse und stimmt sich über die Positionen des Plenums in der jeweiligen Sitzungswoche ab. Jede Rednerin, jeder Redner hält während der Plenarsitzung die jeweilige Rede im Namen der SPD-Bundestagsfraktion. Für mich ist die Fraktionsdisziplin durchaus wichtig - letztlich bin ich in meinem Mandat aber meinem eigenen Gewissen verpflichtet.

Intensiv debattiert wurde über das weite Feld der Pflege, eines meiner politischen Schwerpunktthemen im Gesundheitsausschuss: Wir redeten über die Bezahlung in der Alten- und (Kinder-) Krankenpflege, welche bundesweit teilweise einen Unterschied von über 1.000 Euro ausmacht, über das Pflegeberufsgesetz, bei dem es um eine Generalisierung der Pflegeausbildung und eine stärkere Akademisierung der Pflege geht, über mehr Durchlässigkeit, über die hohen Herausforderungen für pflegende Angehörige. Desweiteren auch über das ebenfalls noch bis zum Sommer zu beschließende Kommunale Pflegestärkungsgesetz (KPSG), welches zum Ziel hat, die Rolle der Städte und Gemeinden in der alternden Gesellschaft zu stärken und Sozialversicherungen und Kommunen zum Beispiel in der Pflegeberatung stärker zu verzahnen.

Von hoher Bedeutung ist auch das Bundesteilhabegesetz, mit dem wir die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessern wollen, unter anderem durch mehr Beratung und Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger, durch die Ausweitung des persönlichen Budgets und durch mehr Teilhabemöglichkeiten.

Ein nach wie vor bedeutsames Thema für eine SPD-Politikerin ist eine zeitgemäße Frauen- und Genderpolitik. Nach wie vor belegt der Equal Pay Day den ungerechten Verdienstunterschied von fast 22 Prozent zwischen Männern und Frauen.

Wir SozialdemokratInnen stehen für

  • einen Rechtsanspruch auf Rückkehr aus Teilzeit und auf befristete Teilzeit, damit Frauen nach einer familienbedingten Reduzierung ihre Arbeitszeit wieder aufstocken können,
  • die Einhaltung bestehender Tarifverträge und die korrekte Anwendung des gesetzlichen Mindestlohns als Lohnuntergrenze, weil Frauen besonders häufig für Dumpinglöhne arbeiten müssen,
  • gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit auf betrieblicher Ebene, damit Unternehmen verpflichtet werden, ihre Entgeltpraxis geschlechtergerecht zu gestalten,
  • eine Reform der Minijobs mit dem Ziel alle Arbeitsverhältnisse sozial abzusichern, um alle Arbeitnehmer/innen bei der Durchsetzung ihres Anspruches auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall u.v.a.m. zu unterstützen.

Fakt ist: Die ökonomische Diskriminierung reproduziert und verfestigt die patriarchalen Strukturen in unserer Gesellschaft. Das muss sich ändern! Schließlich sind die vielfältigen Ursachen für den Lohnunterschied bekannt: Frauen arbeiten häufiger im Niedriglohnsektor, eher in kleinen Betrieben ohne Tarifbindung und seltener in Führungspositionen. Sie tragen den größten Teil der Sorgearbeit, sind oft Teilzeit erwerbstätig mit allen Konsequenzen für Rente und Aufstiegschancen und ihre Arbeit erfährt häufig nicht die verdiente Wertschätzung.

Außerdem stellte ich mein Mandat in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg dar. Die Wahrung und der Ausbau von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ist das Ziel. Im Mai organisiere ich im Deutschen Bundestag ein Treffen mit den internationalen ParlamentarierInnen. Mein Ziel ist die Durchsetzung des „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ - kurz Istanbul-Konvention. Die Herausforderung bezieht sich unter anderem auf ein aktuelles Thema: die angekündigte Sexualstrafrechtsreform. Ich möchte durchsetzen: Nein heißt Nein! Es ist für mich unerträglich, dass viele sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen nicht zur Anklage kommen. Ich will nicht, dass die Opfer aufgrund der unzureichenden Gesetzeslage Opfer bleiben und Täter - zu meist sind es Männer - ungestraft davon kommen. Sexuelle Belästigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe, sexuelle Misshandlungen, Vergewaltigungen sind kein Kavaliersdelikt. Frauen haben das gleiche Recht auf Rechtsstaatlichkeit wie Männer!

Selbstverständlich wurde auch über die gesellschaftliche Herausforderung des sozialen Zusammenhalts diskutiert. Wir dürfen niemanden zurücklassen: weder hier Geborene, noch Zugezogene, noch Geflüchtete. Dafür kämpfen wir SozialdemokratInnen. Ich habe gegen das Asylpaket II gestimmt und dieses auch erläutert. Sie können meine persönliche Erklärung nachlesen.

Nach dem Verteilen von Bundestags-Taschen mit vielerlei Informationsmaterialien und allerlei Give-Aways ging es zum Abschluss auf die Kuppel - immer wieder ein Erlebnis.

Ich bedanke mich herzlich beim Besucherdienst des Deutschen Bundestages. Bei jeder Kunst- und Architekturführung gibt es Neues zu erfahren und zu entdecken. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei den teilnehmenden Frauen und ihrem großen Interesse an Kunst- und Architektur sowie an meiner politischen Arbeit. Ich hatte das Gefühl, dass es sehr bereichernde Stunden für alle, mich eingeschlossen, waren!