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Volkstrauertag 2016: Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden

Das Thema „Flucht und Vertreibung“ rückte die zentrale Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag 2016 besonders ins Bewusstsein. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. hatte Veranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages organisiert, die an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft aller Nationen erinnerte. Es wurde deutlich, wie eng Krieg, Flucht und Vertreibung miteinander zusammenhängen. In seiner Gedenkrede erinnerte der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen daran, dass am Ende des Zweiten Weltkriegs viele deutsche Flüchtlinge und Vertriebene Schutz in Dänemark suchten. Das Totengedenken sprach Bundespräsident Joachim Gauck. Zusammen mit Gudrun Blankenburg (SPD), Autorin und Stadtführerin, habe ich an der Veranstaltung am 13. November 2016 teilgenommen.

Der Volkstrauertag ist auch eine Mahnung zum Einsatz für den Frieden. Unweigerlich mussten wir auch an die derzeit weltweit 65 Millionen Menschen denken, die heute auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung sind. Das sind mehr als je zuvor. Viele von ihnen wollen nach Europa. „Aber sind wir das Vertrauen wert, das sie in uns setzen?“

Gedenken an Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft

In seiner Begrüßungsansprache gedachte General a.D. Wolfgang Schneiderhan, amtierender Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, „der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, der Söhne und Töchter, der Großeltern, Eltern und Freunde, die in vielen Familien schmerzlich vermisst werden“. Noch heute würden jährlich 30.000 Kriegsopfer geborgen und auf einem der Friedhöfe des Volksbundes bestattet. Er erinnerte auch an die Opfer des Terroranschlags von Paris vor genau einem Jahr.

Erinnerungen an das Kriegsende in Königsberg

Flucht und Vertreibung waren auch Thema der Lesung der Autorin, Regisseurin und ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier, die im Wechsel mit Doris Festersen aus ihrem Buch „Wir letzten Kinder Ostpreußens. Zeugen einer vergessenen Generation“. Die persönlichen Erinnerungen dieser beiden Frauen braucht uns das Leid der Zivilbevölkerung in Königsberg zum Ende des Krieges und in der frühen Nachkriegszeit nahe.

Die damals acht-jährige Doris Festersen schloss mit den Worten: „Ich hoffe, dass sich viele junge Menschen auch mit unseren Schicksalen befassen. Mögen sie erkennen, dass Krieg nie einfache Lösungen bietet und in welcher glücklichen Zeit viele heute Kindheit und Jugend verleben dürfen. Die heutigen Jugendbegegnungen über Grenzen hinweg helfen uns hoffentlich dabei, dass das, was meine Generation in Ost und West erleben musste, nirgends mehr passiert!“

Gedenkrede zum Volkstrauertag

Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen rief in seiner Gedenkrede zum Volkstrauertag dazu auf, die „großartigen Erfolge der europäischen Zusammenarbeit“ zu sichern. „Wir sind heute vereint in einer Union des Friedens. Diese Union steht jetzt unter Druck.“

In einer Zeit langsamen Wirtschaftswachsums, in der sich Nationalismus und Protektionismus entwickelten, erinnerte Rasmussen an die deutsch-dänischen Beziehungen, die seit Jahrzehnten von Stabilität und Frieden gekennzeichnet seien. Jahrhundertelang sei die gemeinsame Grenze ein Zankapfel der Mächte gewesen, heute sei die deutsch-dänische Grenzregion ein „bemerkenswertes Beispiel“ für Frieden, Vertrauen und Versöhnung. Deutschland habe den Weg der Versöhnung gezeigt, die „dunkle Vergangenheit erhellt“. Das sei eine beeindruckende Leistung, „die für uns alle von immenser Bedeutung ist“.

Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Achtung der Menschenrechte seien das Fundament, auf dem Europa aufgebaut ist. Die EuropäerInnen müssten sich die Lehren aus der Geschichte, das Erbe der Aufklärung und des Rationalismus, vergegenwärtigen.

Der Populismus nehme europaweit zu. „Aber wir dürfen den Geist der Vergangenheit nicht wieder durch die Hintertür hineinlassen. Nie wieder! Wenn wir aus der Geschichte lernen wollen, dürfen wir das nicht vergessen“, betonte der dänische Ministerpräsident.

„Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung“

Für „unsere Kinder“ sei diese Geschichte vom „Krieg in Europa“ sehr weit weg - und das sei gut so. „Die Geschichte der Teilung, die wir erlebt haben“, dürfe aber nicht in Vergessenheit geraten. Europa stehe heute an einem Scheideweg. Rasmussen erzählte, wie er am 2. Oktober 1990 mit seiner Frau zur Wiedervereinigungsfeier nach Berlin gefahren sei und der Einreisestempel „Rostock, DDR“ lautete, der Ausreisestempel am 3. Oktober „Rostock, Bundesrepublik Deutschland“. „Für mich sind diese Stempel der Beweis, dass Versöhnung möglich ist, dass das europäische Erbe der Aufklärung die Oberhand behält.“ Er schloss mit einer „altjüdischen Weisheit“: Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung.

Die musikalische Gestaltung der Gedenkstunde erfolgte durch den Bachchor Mainz unter Leitung von Professor Ralf Otto, dem Bläseroktett des Musikkorps der Bundeswehr in Siegburg unter Leitung von Hauptfeldwebel Jana Heß und vom Solotrompeter des Musikkorps der Bundeswehr, Hauptfeldwebel Jan Pompino, der das Totensignal „Der gute Kamerad“ blies. Zuletzt wurden die Europahymne und die Nationalhymne gesungen.

Die Kriegsgräberfürsorge

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. kümmert sich im Auftrag der Bundesregierung vor allem um die Gräber deutscher Kriegstoter im Ausland. Die humanitäre Organisation wurde 1919 von heimkehrenden Soldaten des Ersten Weltkrieges gegründet. Mithilfe dieser Bürgerinitiative konnten sie sich um die Gräber ihrer gefallenen Kameraden im Ausland kümmern - eine Aufgabe, die die Weimarer Republik wirtschaftlich nicht stemmen konnte.

Der Volksbund betreut nach eigenen Angaben heute 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,7 Millionen Kriegstoten. Mehrere Tausend Ehrenamtliche und mehr als 500 hauptamtliche Mitarbeiter tragen das ihre bei, um jährlich noch immer knapp 30.000 weitere Kriegstote zu bergen - in weniger als zehn Prozent gelingt es, deren Angehörige ausfindig zu machen und um internationale Jugendbegegnungen in ganz Europa mit Tausenden TeilnehmerInnen durchzuführen. Ich selber bin Mitglied des Landesverbandes Berlin.