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Rede zu Protokoll zum Thema Kenntnis der Abstammung bei der Samenspenden

Rede zu Protokoll von Mechthild Rawert, MdB, zu ZP 9+10, 2./3. Les. Reg.-Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 18. Mai 2017

Menschen, die durch Samenspende gezeugt wurden, haben das Recht, ihre Abstammung zu kennen, d. h. ihren genetischen Vater. Diesem Recht entsprechen wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzes. Wir schaffen damit die Voraussetzungen, ein bundesweites Samenspenderegister beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) einzurichten.

110 Jahre werden die Daten zu den Spendern aufbewahrt und genauso lang bestehen Auskunftspflichten gegenüber den Kindern von Samenspendern darüber, wer ihr genetischer Vater ist.

Es folgt aus dem Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes, dass Kinder von Samenspendern die Möglichkeit erhalten müssen, zu erfahren, woher sie genetisch stammen. Es ist enorm wichtig für die Betroffenen: Das Wissen um die Abstammung prägt die Persönlichkeit mit.

Der Regelungsbedarf, der zu diesem Gesetz führte, ergab sich aus mehreren Gerichtsurteilen: Zuletzt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2015. Dieses Urteil stellt klar, dass durch Samenspende gezeugte Personen unabhängig von ihrem Alter ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung haben.

Wir regeln mit dem Gesetz auch, dass der Samenspender weder durch das Kind noch durch dessen Eltern als rechtlicher Vater belangt werden kann, z. B für Erbschafts- oder Unterhaltsansprüche. Die biologischen Spender werden entlastet, bei Wunsch des Kindes auf Kenntnis der Abstammung Verantwortung übernehmen zu müssen. Ich gehe davon aus, dass dank der nun hergestellten Rechtssicherheit die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme, eines Kennenlernens erleichtert wird.

Dieses Gesetz ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Es gibt weiteren Reform- und Regelungsbedarf, denn der Themenkomplex ist riesig, außerdem hat er eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz. Die reproduktive Medizin, ihre technischen Möglichkeiten, ihre ethischen Fragen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind zunehmend drängende gesellschaftspolitische Themen. Es geht schließlich um tief sitzende Wünsche, um die Freiheit, unterschiedliche Familienformen selbstbestimmt zu gestalten und zu verantworten, es geht um die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und die Erfüllung im Leben.

Dieser Gesetzentwurf nimmt ausschließlich Bezug auf die ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung, auf die „offizielle“ Samenspende. Wir müssen aber auch diskutieren über gleiche Chancen für alle beim Thema der privaten Spende.

Gerade lesbische oder allein stehende Frauen greifen oft auf diese Möglichkeit zurück, weil für sie von vielen Ärztinnen und Ärzten, von Ärztekammern die künstliche Befruchtung abgelehnt wird. Sie greifen aber auch darauf zurück, weil sie bewusst andere familiale Verantwortungsgemeinschaften leben wollen. Ich befürworte, dass für lesbische Frauen bzw. Paare oder alleinstehende Frauen die gleichen Rechte gelten wie für heterosexuelle Menschen, wenn es um die künstliche Befruchtung geht. Ich bin der Meinung, dass eine heterologe Insemination allen Frauen, d. h. unabhängig von sexueller Identität oder Familienstand, offen stehen sollte.

Offen ist auch noch die Frage, welche Regelungen wir hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der Abstammung finden, wenn der biologische Spender in einer ausländischen Samenbank aufgeführt ist, offen auch die Regelungen bei einer Eizellspende im Ausland. Darf es, kann es eine Ungleichbehandlung der Beteiligten bezüglich der Rechtsfolgen geben im Vergleich zu Menschen, die im Inland gespendet haben bzw. gezeugt wurden?

Das Themenfeld ist groß: Wir müssen auch über die abstammungsrechtlichen Fragen diskutieren, die durch die beiden Studien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgeworfen werden: „Geschlechtervielfalt im Recht“ und „Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen“.

All diese Fragen werden wir intensiv diskutieren, nachdem die Ergebnisse des Arbeitskreis Abstammung im Sommer 2017 vorliegen. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat im Februar 2015 diesen interdisziplinären Arbeitskreis eingerichtet. An ihm sind Sachverständige für die Bereiche Familienrecht, Verfassungsrecht, Ethik und Medizin bzw. Psychologie zusammen mit Vertreter*innen verschiedener Bundes- und Landesministerien beteiligt.

Ich bin schon jetzt sehr gespannt auf diese gesellschaftliche und politische Debatte und die weiteren Regelungen, die wir treffen werden, um dem gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Vielfalt gerecht zu werden. Wir wollen für viele Menschen gute Voraussetzungen für ein erfülltes Familienleben ohne Rechtstreitigkeiten zu schaffen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.