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Das neue Verbraucherinformationsgesetz: Hintergründe und Erläuterungen

Der Bundesrat hat am 22. September dem Verbraucherinformationsgesetz zugestimmt und damit den Weg frei gemacht für mehr Transparenz und Sicherheit von VerbraucherInnen. Der Deutsche Bundestag hatte das Gesetz bereits am 29. Juni beschlossen. Nun kann es am 1. Januar 2007 in Kraft treten.
Dass das Verbraucherinformationsgesetz nicht nur weiße Salbe ist, sondern auch der Verbrauchersicherheit dient, ist der SPD- Bundestagsfraktion zu verdanken. Sie konnte gegenüber der CDU/ CSU durchsetzen, dass die vorgesehene „Kann- Regelung“ in eine „Soll- Regelung“ verschärft und damit eine Auskunftspflicht der Behörden festgeschrieben wurde. Angesichts der jüngsten Gammelfleischskandale wird die Notwendigkeit einer solchen Regelung einmal mehr deutlich.


Das Artikelgesetz umfasst zwei Regelungsbereiche, die in der öffentlichen Diskussion leider nicht immer hinreichend unterschieden werden. Es geht um:

I. eine deutliche Ausweitung des § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB)
II. das "eigentliche" Verbraucherinformationsgesetz (VIG) – mit diesem wird erstmals eine bundeseinheitliche Regelung der Verbraucherinformationsrechte in Deutschland geschaffen.

I. Deutliche Ausweitung des § 40 LFGB
Bisher stand es im bloßen Ermessen der Behörden, die Öffentlichkeit von sich aus aktiv zu informieren ("Kann"- Vorschrift). Von den Behörden wurde von dieser Möglichkeit in der Vergangenheit viel zu selten Gebrauch gemacht. Jetzt – durch den neugefassten § 40 LFGB - werden die Behörden grundsätzlich dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren ("Soll"- Vorschrift). Die Informationspflicht erstreckt sich auf folgende Fälle:

● Rechtsverstöße,
● schwerwiegende Verbrauchertäuschungen,
● Gesundheitsgefahren (auch bei wissenschaftlicher Unsicherheit),
● das Inverkehrbringen von Ekel erregenden Lebensmitteln, sowie
● bei erheblichen Nachteilen für redliche Mitbewerber.

Darüber hinaus werden mit dem neuen § 40 LFGB die Einrichtung von Datenbanken erleichtert, so dass auch auf Rückrufaktionen der Industrie selbst hingewiesen werden kann und zur "Bündelung der Kräfte" der Informationsfluss der Behörden untereinander verbessert (die Staatsanwaltschaften werden verpflichtet, die Lebensmittelüberwachungsbehörden unverzüglich über die Einleitung von Ermittlungsverfahren zu unterrichten).

Durch die neue Regelung des § 40 LFGB werden die Behörden in Zukunft grundsätzlich verpflichtet sein, die Verbraucher zu informieren, ohne dass diese eine Anfrage stellen müssen und ohne dass Kosten auf die Verbraucher zukommen.

Bei der Information sollen die Behörden den Namen des Unternehmens und des Produktes nennen.
Bei der Anwendung des § 40 LFGB in seiner neuen Fassung sind nur drei Besonderheiten zu berücksichtigen: Bei der aktiven Information der Öffentlichkeit durch die Behörden ist das Interesse der Öffentlichkeit mit den Belangen der betroffenen Unternehmen abzuwägen. Diese Abwägung ist wegen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten. Sie ist auch sachgerecht, da durch diese Klausel zum Beispiel Bagatellfälle berücksichtigen werden können: Nicht jeder Sprung in einer Fliese beim Metzger um die Ecke sollte gleich zu einer Presseerklärung führen.
Zur Klarstellung: Gemäß den Ausschussberatungen im Bundestag (Protokoll) gehen die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD davon aus, dass in den in § 40 des LFGB genannten Fällen (also bei Rechtsverstößen, in "Gammelfleischfällen") in der Regel ein die Belange der Betroffenen nach überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit besteht und die zuständige Behörde daher auch in diesen Fällen die Öffentlichkeit mit Namensnennung informieren muss.

Den betroffenen Unternehmen wird die Möglichkeit eingeräumt, in angemessener Weise selbst an die Öffentlichkeit zu gehen und damit die Information durch die Behörde entbehrlich zu machen. Das ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten. Die Automobilindustrie praktiziert dies seit Jahren. Die Betroffenen müssen vorher angehört werden, es sei denn, es liegt Gefahr im Verzug vor. Eine solche Anhörung müsste aus verfassungsrechtlichen Gründen stattfinden, auch wenn sie nicht im Gesetz verankert wäre. Das heißt aber nicht, dass ein Unternehmen die Information der Öffentlichkeit nach eigenem Belieben herauszögern könnte. Eine Anhörung kann auch kurz gehalten werden und unmittelbar vor Ort erfolgen.

Folgende Behauptungen stimmen nicht:
In der öffentlichen Diskussion wurde und wird von bestimmten Umwelt- und Verbraucherverbänden immer wieder behauptet, es gäbe bei der Anwendung des geänderten § 40 LFGB eine Reihe von Ausschlussgründen, die die Namensnennung verhinderten. So wird behauptet, vor der Namensnennung sei ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren erforderlich, oder auch, dass eine Namensnennung erst nach zwei Monaten möglich sei. Diese Behauptungen stimmen nicht. Hier wird bereits die aktive Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit durch die Behörden nach §40 LFGB und das Akteneinsichtsrecht nach dem "eigentlichen" VIG verwechselt. Aber auch darüber hinaus sind diese Behauptungen inkorrekt. Das erleichterte Akteneinsichtsrecht bei Rechtsverstößen setzt nicht notwendigerweise ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren voraus und eine 2- Monatsfrist kommt erst bei Einwendungen Dritter zum Tragen und muss natürlich nicht ausgeschöpft werden.

II. Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Im "eigentlichen" VIG werden den Verbraucherinnen und Verbrauchern erstmals speziell auf sie zugeschnittene Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte gegenüber Behörden eröffnet. Gegenüber früheren Entwürfen enthält das vorliegende Gesetz deutliche Verbesserungen:
Der Gesetzestext stellt ausdrücklich klar, dass Rechtsverstöße wie die Überschreitung von gesetzlichen Grenzwerten oder das Inverkehrbringen von Gammelfleisch kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis sind. In der Gesetzesbegründung wird deutlich gemacht, dass darüber hinaus grundsätzlich auch für sonstige Untersuchungsergebnisse ein Informationszugangsrecht besteht (wie etwa Qualitätsunterschiede oder die unterschiedliche Ausnutzung von Toleranzen). Das gilt auch, wenn die Untersuchungsergebnisse für das Unternehmen ungünstig sind. Bei Gesundheitsgefahren und Rechtsverstößen gibt es jetzt auch während laufender Verwaltungsverfahren ein Recht auf Auskunft. Schon aus der Formulierung "auch während laufender Verwaltungsverfahren" wird deutlich, dass hier kein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren gemeint ist. Der Begriff "Beschaffenheit von Lebensmitteln" bedeutet, dass auch die hierzu vorhandenen Informationen grundsätzlich abfragbar sind (zum Beispiel über die Druckchemikalie ITX oder Pestizidbelastungen in Obst und Gemüse unterhalb gesetzlicher Grenzwerte).
Die Bearbeitungsfristen sind durch Beschluss des Bundestages auf einen Monat verkürzt worden. Im Falle einer rechtsstaatlich notwendigen Anhörung von betroffenen Dritten beträgt sie zwei Monate. Auskünfte über Rechtsverstöße sind künftig kostenfrei.

Das neue Auskunfts- bzw. Akteneinsichtsrecht nach dem VIG bedeutet nicht zusätzliche Bürokratie, sondern ist eine Serviceleistung der Behörden. Wenn es um Daten geht, die sich nicht auf Rechtsverstöße beziehen, können für diese Serviceleistung kostendeckende Gebühren verlangt werden. Dies ist angesichts der Situation der öffentlichen Haushalte für die Bürger leicht nachvollziehbar.

Die Erfahrungen mit der Anwendung des Verbraucherinformationsgesetzes werden durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz genau dokumentiert und evaluiert. Sollte sich herausstellen, dass Nachbesserungen am Gesetz nötig werden, wird die Bundesregierung entsprechende Gesetzesvorschläge vorlegen (vgl. auch Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen).