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CDU-Bundestagsabgeordneter wegen rechtsextremer Äußerungen unter Druck / Rufe nach Konsequenzen

Nitzsche: Ich habe absichtlich deftig formuliert

Von Frank Jansen, Michael Schmidt und Simone Wendler

Dresden/Berlin - Rechtsextreme Äußerungen bringen den sächsischen CDU- Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche erneut massiv unter Druck. Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei forderten die Christdemokraten auf, Konsequenzen zu ziehen. Nitzsche hatte im Juni bei einer CDU- Veranstaltung gesagt, man brauche Patriotismus, um endlich vom „Schuldkult“ runterzukommen. Zudem erklärte er, Deutschland solle „nie wieder von Multikultischwuchteln in Berlin regiert“ werden.

Äußerungen dieser Art seien „ekelhaft“ und „widerwärtig“, sagte die Berliner SPD- Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert, sie entsprängen nationalsozialistischer Ideologie und seien „politisch schädlich“.

Nitzsche habe schon öfter Grenzen überschritten, fügte ihre Fraktionskollegin Petra Merkel hinzu. Die CDU scheine Nitzsches Parolen „immer abzubuchen unter der Rubrik, nicht ernst zu nehmender Unfug‘“, sagte die Berliner Politikerin. „Wir sind aber in einer großen Koalition, und ich erwarte von der Unionsfraktion eine deutliche Reaktion“, sagte Merkel dem Tagesspiegel. Sachsens Grünen- Fraktionschefin Antje Hermenau schloss sich der Forderung an: „Herr Nitzsche hat in einer demokratischen Fraktion des Bundestages nichts verloren“, erklärte sie. Scharfe Kritik kam auch von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (PDS): „Nitzsche ist ein Wiederholungstäter, und die CDU muss klären, was sie will. Sie kann nicht sonntags gegen Nazis demonstrieren und alltags Nazis das Wort reden.“

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, sagte, die Äußerungen Nitzsches seien tendenziell ein zweiter Fall Hohmann. Nitzsche versuche, Klischees und unterschwellige Ressentiments zu bedienen. Der CDU- Bundestagsabgeordnete habe NPD- Vokabular verwendet. „Wenn Herr Nitzsche es nicht für nötig hält, sich zu entschuldigen, sollte die CDU überlegen, welche Konsequenzen sie zieht“, sagte Kramer und betonte, Nitzsches Äußerungen schadeten dem Ruf der sächsischen CDU, deren Engagement gegen die NPD durchaus anzuerkennen sei.

Öffentliche Zustimmung bekam Nitzsche am Donnerstag dagegen von der sächsischen NPD. Holger Apfel, Fraktionschef der Rechtsextremisten im sächsischen Landtag, schickte dem CDU- Politiker einen Aufnahmeantrag: „Herr Nitzsche, schreiben Sie Geschichte und werden Sie erster Bundestagsabgeordneter der NPD.“ Nitzsche selbst erklärte zunächst, er habe „absichtlich deftig formuliert“, um zur Diskussion anzuregen, und das sei auch „hervorragend gelungen“. Am Donnerstagabend schob er eine weitere Erklärung nach und bedauerte seine Äußerungen: „Leider muss ich im Nachhinein feststellen, dass die von mir gewählten Worte mehr als missverständlich waren.“ Zuvor hatten sich mehrere CDU- Politiker aus der Lausitz gegen Nitzsche gestellt. Sachsens CDU- Generalsekretär Michael Kretschmer nannte die Sprüche Nitzsches „völlig inakzeptabel“.

Der Handlungsdruck wächst nun offensichtlich auch innerhalb der CDU. Die sächsischen Christdemokraten im Bundestag hatten Nitzsche am Abend zum klärenden Gespräch gebeten. Auch der CDU- Kreisvorstand Kamenz- Hoyerswerda, dessen Vorsitzender Nitzsche ist, will sich in Kürze darüber unterhalten, wie es weitergehen soll. Zu der Sitzung will auch der sächsische CDU- Generalsekretär Michael Kretschmer kommen.

Aus dem Tagesspiegel vom 01.12.2006