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Rede zur Tierschutzpolitik

Rede vom 15. Dezember 2006 zur Tierschutzpolitik:

Kennzeichnungspflicht auf verarbeitete Eier ausweiten
(Drucksache 16/3703)
Arbeitsplätze durch artgerechte Legehennenhaltung in Deutschland sichern - Verbot der Käfighaltung ab 2007 durchsetzen
(Drucksache 16/1128, 16/839, 16/1463)
Tierschutzpolitik energisch fortführen und weiterentwickeln
(Drucksache 16/550, 16/1464)
Verbot der Einfuhr von Wildvögeln
(Drucksache 16/1502, 16/2849)
Einfuhrverbot für Katzen- und Hundefelle
(Drucksache 16/841, 16/3079)

 


 

Link zum Video in der Mediathek des Deutschen Bundestages



74. Sitzung vom 15.12.2006
TOP 22 Tierschutzpolitik

Mechthild Rawert (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste!
Tierschutz ist ein hohes Gut. Der Schutz der Tiere ist zwischenzeitlich auch im Grundgesetz festgeschrieben worden.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bedanken, die sich in Tierschutzorganisationen engagieren, in kleinen und großen Verbänden, die nicht nur auf lokaler und regionaler Ebene tätig sind. Ihnen gebührt unser Dank. Dieser Dank soll hier und heute von mir – ich denke, im Namen des Hauses – ausgesprochen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Die Bundesregierung nimmt die Aufgabe des Tierschutzes sehr ernst und verfolgt das Ziel, ein hohes Tierschutzniveau in Deutschland zu gewährleisten und den Tierschutz weiterzuentwickeln. Das betrifft den Bereich der Rechtsprechung sowie die Berücksichtigung des Tierschutzes bei der Abwägung mit anderen Rechtsgütern und schließt die finanzielle Unterstützung tiergerechter Haltungsformen, die Forschungsförderung und ein intensives Engagement auf europäischer und internationaler Ebene ein. Die Bundesregierung setzt mit ihrem Engagement in den Gremien Akzente. Sie beteiligt sich an zahlreichen nationalen und internationalen Vorhaben zur Verbesserung des Tierschutzes. Das gilt hier und heute genauso wie in der Zukunft.

Die SPD ist und bleibt die Tierschutzpartei. Sie setzt sich seit Jahren kontinuierlich für die Weiterentwicklung des Tierschutzes inner- und außerhalb Deutschlands ein. Wir gehen voran. Wir gehen vorwärts.

(Beifall bei der SPD)

Wir stellen uns der Verpflichtung des ersten Paragrafen unseres Tierschutzgesetzes:
    Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

In 2002 wurde – maßgeblich von meiner Fraktion vorangetrieben – der Tierschutz in Art. 20 a unseres Grundgesetzes als Staatsziel verankert. Damit wurde eine lange Diskussion über den Rang des Tierschutzes im Verfassungsgefüge endlich beendet. Dieses Staatsziel muss aufseiten der Politik bei der Gesetzgebung und aufseiten der Verwaltungsbehörden und der Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Tierschutzrechts immer Berücksichtigung finden.

Ich komme zur Verbindung zwischen Tierschutz und Verbraucherschutz. Nach dem Auftreten von BSE und zahlreichen Gammelfleischskandalen ist das gesamte Feld rund um die Ernährung kritisch hinterfragt und neu bewertet worden: von der Sicherheit und Qualität der Lebensmittel über die Produktionsprozesse und deren Auswirkungen auf Umwelt, Natur und Tierhaltung, quasi „From the Farm to the Fork“, von der Farm zur Gabel.

(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP] – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Danke! Man ist ja dankbar!)

Tierschutz ist für uns integraler Bestandteil einer Nachhaltigkeitsstrategie, die dem vorsorgenden Verbraucherschutz Vorrang einräumt, den schonenden Umgang mit Natur und Umwelt beachtet, auf eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft setzt und den ländlichen Raum mit seinen verschiedenen Funktionen als Lebens-, Wirtschafts-, Natur- und Erholungsraum in den Blick nimmt.

Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden durch bewusste Kaufentscheidungen an der Ladentheke – darüber wurde heute schon ein wenig dissonant diskutiert – darüber, wie unsere Tiere in der Landwirtschaft gehalten und genutzt werden.

(Peter Bleser [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Jede und jeder hat somit die Möglichkeit, sich tagtäglich in kleinem und in größerem Umfang für den Tierschutz einzusetzen.

Dies setzt jedoch voraus, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ausreichend über die Produkte informiert sind. Mit Recht fordern sie daher von uns eine detailliertere Informationspflicht bezüglich der Produkte und der damit verbundenen Herstellungsprozesse, damit die Kaufentscheidung adäquat getroffen werden kann.

Die Kennzeichnung in Deutschland ist jedoch nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen zwischen einer Vielzahl von Bio- und Ökosiegeln unterscheiden und wissen oft nicht, welche Qualitätsstandards sich dahinter verbergen. So sind Produkte, die nach der EU-Öko-Verordnung gekennzeichnet sind, mit einem Biosiegel und einem Code der Kontrollstelle versehen. Mittlerweile haben viele Supermärkte eigene Handelsmarken – das Wettbewerbsrecht verbietet jetzt leider eine Aufzählung –, unter denen sie Bioprodukte vertreiben. Einige Verbände des ökologischen Landbaus haben eigene Siegel und legen strengere Auflagen, als die EU-Öko-Verordnung vorgibt, für ihre Produzenten fest.

Abhilfe für die Verbraucherinnen und Verbraucher könnte ein einheitliches europäisches Tierschutzsiegel schaffen. Dieses Tierschutzsiegel muss für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich und ihnen leicht vermittelbar sein. Selbstverständlich muss es gesetzliche Standards für die Haltung aller Tierarten festlegen. So gibt es zum Beispiel bis heute keine Regelungen für Mastgeflügel, Rinder, Schafe, Ziegen oder Kaninchen.

(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch eine tolle Idee!)

Die grundlegenden Kriterien für ein solches Tierschutzsiegel sollten unter anderem Bewegungsfreiraum, Einstreu, Tageslicht, Beschäftigungsmaterial, Strukturierung und auch Außenklima sein.

Es hat sich – das wurde in den Reden deutlich – durchaus schon Diskussionsbedarf innerhalb der Koalition aufgetan. Ich habe vorhin sehr intensiv die Rede von Frau Klöckner verfolgt. Dieses Tierschutzsiegel könnte ein weiteres Problem bei der Lebensmittelkennzeichnung lösen. Zurzeit können die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf nämlich nicht erkennen, unter welchen Bedingungen die einzelnen Zutaten für Fertigprodukte verwendet werden und wie sie hergestellt worden sind. So können – bleiben wir heute beim Beispiel der Eier – Konsumentinnen und Konsumenten von Hühnereiern zwar durch die Kennzeichnung erkennen, ob es sich um ein Ei aus Freiland- oder Käfighaltung – demnächst Volierenhaltung – handelt. Diese Kennzeichnung findet allerdings nicht bei Produkten statt, bei denen die Eier Zutat sind, wie zum Beispiel Mayonnaise, Nudeln oder Backwaren.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Katzenfutter!)

Das gilt selbstverständlich auch für alle anderen Fertigprodukte.

Im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft, die jetzt beginnt, hat Deutschland die Gelegenheit, dieses Thema auf europäischer Ebene aktiv voranzubringen. Ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung diese Pflicht sieht. Ich fordere unseren Bundesminister ausdrücklich auf, sich hierfür einzusetzen

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wofür?)

und für die entsprechende Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu sorgen. Unsere Fraktion wird hierbei selbstverständlich die größtmögliche Unterstützung geben.

Den teilweisen Widerstand gegen einen besseren Tierschutz vonseiten einzelner Produzenten in der Landwirtschaft verstehe ich nicht. Gerade besserer Tierschutz als Qualitätsmerkmal kann heimischen Lebensmitteln einen Marktvorteil bringen und sichtbar machen, dass durch tierschutzgerechtes Wirtschaften Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden. Dass das möglich ist, zeigt – erneut komme ich auf die Hühnereier zurück – die große Nachfrage nach Bio- und Freilandeiern, die zurzeit nicht aus der heimischen Produktion gedeckt werden kann.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Nur bei Frischeiern!)

An dieser Stelle möchte ich auf Folgendes hinweisen: Ich selber komme von einem Bauernhof. Wir hatten 15 000 Hühner. Ich bin mit Eiereinsammeln und der entsprechenden Arbeit durchaus vertraut. In diesem Bereich ist es möglich, viel zu tun. Jetzt hier davon zu reden, dass in diesem Bereich keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden können, lehne ich ab, nicht nur aus der eigenen familiären Biografie heraus, sondern auch aus den Erfahrungen meiner Bekanntschaft, meiner Freunde und Verwandten und auch sämtlicher Nachbarn und Nachbarinnen.

Kommen wir zu den Bioeiern zurück. Sie kommen zurzeit aus den Niederlanden. Ich bin der Meinung, dass unsere deutschen Bauern und Unternehmen eine Chance am deutschen und auch am europäischen Markt vertun. Ich rechne aus diesem Grunde auch mit der Unterstützung des Lebensmittelhandels für meine Vorschläge und erwarte, dass auch die Produzenten in Deutschland das ständig wachsende Marktpotenzial für Bioprodukte endlich erkennen und nutzen.

(Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gerade jetzt sind dazu mehrere Umfragen durchgeführt worden. Sie belegen, dass hier von einer Ausweitung und nicht von einem Rückgang gesprochen werden kann. Mit Blick auf die Arbeitsplätze und mit Blick auf die Produktion wären wir hier auf dem vollkommen richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus verbraucherpolitischer Sicht ist mir noch ein anderes Thema wichtig, nämlich die Förderung neuer und innovativer Techniken zur tierversuchsfreien Forschung. Verbraucherinnen und Verbraucher achten sehr wohl darauf, ob Produkte mithilfe von Tierversuchen getestet worden sind oder nicht. Seit 2004 ist es bereits verboten, kosmetische Mittel einschließlich ihrer Bestandteile in Verkehr zu bringen, wenn diese im Tierversuch überprüft wurden, obwohl alternative Methoden zur Verfügung stehen. Ich bin sehr dankbar, dass das Forschungsministerium nach wie vor große Förderprogramme in Bezug auf Ersatzmethoden für den Tierversuch, aber auch in Bezug auf die Vergabe von Forschungsmitteln zur wissenschaftlichen Erarbeitung von Tierversuchsersatzmethoden finanziert. Wie das funktioniert, konnten vor kurzem die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses beim Bundesinstitut für Risikobewertung in Augenschein nehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gern solche Produkte kaufen, bei denen sie überzeugend nachgewiesen bekommen, dass sie nicht unter Verwendung von Tierversuchen produziert worden sind. Die SPD ist daher der Meinung, dass solche Forschungsvorhaben und Techniken zugleich wichtige Impulse für unseren Forschungs- und Wirtschaftsstandort geben und dass wir somit in diesem Bereich weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen können.

Zu dem Antrag der Grünen möchte ich am Ende meiner Rede nur ein kurzes Wort sagen. Er ist leider ein wenig alt, zehn Monate. Ein Teil der darin enthaltenen Forderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Nutztierhaltungsverordnung für Pelztiere, ist durch Verabschiedung einer entsprechenden Vorlage im Bundesrat längst erfüllt worden. Das steht schon im Gesetzblatt. Wir haben auch dafür gesorgt, dass für kommerziell gehaltene Nerze, Iltisse, Füchse, Marderhunde, Sumpfbiber und auch Chinchillas künftig konkrete Haltungsbedingungen gelten.

Ich komme hiermit zum Schluss. – Ich freue mich als Berichterstatterin für Grauwale, dass wir 2007 das Jahr der Wale und Delphine haben.

(Peter Bleser [CDU/CSU]: Was? Schon wieder Wale?)

Ich freue mich ebenfalls, dass in den nächsten Tagen insbesondere Ochs und Esel, Schafe und Kamele mit Sicherheit eine gute Haltung haben werden. – Ich bin fertig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)