Bei der Bundestagsabstimmung am 14. Juni zur Reform des Aufenthalts- und Asylrecht habe ich gegen das Gesetz gestimmt. Es konterkariert in vielen Bereichen den Geist des Zuwanderungsgesetzes von 2005. Die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wird nicht integrationsfördernd anerkannt. Mit dem Gesetz sollten Richtlinien der Europäischen Union umgesetzt werden, allerdings wurden sie im deutschen Gesetzestext deutlich verschärft. (Mensch erinnere sich an die Debatte zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, als die Union noch forderte, alle EU-Richtlinien eins zu eins umzusetzen.) Es ist unglaublich, dass die Union im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens alle Änderungsvorschläge seitens der SPD abgeschmettert hat. Selbst die Anhörungen vom 21. und 23. Mai verstrichen ohne Wirkung bei der CDU/CSU, obgleich die geladenen ExpertInnen auch verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet haben.
Neben den frauenpolitischen Erwägungen, die ich schon in der Mai-Ausgabe der Mitgliederzeitung dargelegt habe, sprechen auch jugendpolitische Gründe gegen das Gesetz: Es erschwert vielen hier geborenen bzw. langjährig hier lebenden Jugendlichen die Möglichkeit zur Einbürgerung. Bisher konnten unter 23-Jährige sich ohne den Nachweis einer eigenständigen Existenzsicherung einbürgern lassen. Warum sollen diese Jugendlichen jetzt nachweisen, obwohl das viele ihrer deutschstämmigen AltersgenossInnen ebenfalls noch nicht können? Angesichts der derzeitigen Probleme auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt geht diese Forderung an den Realitäten Deutschlands vorbei, zumal Jugendliche mit Migrationshintergrund bei Bewerbungen für Lehrstellen oder Jobs häufig gegenüber Jugendlichen mit deutschem Pass benachteiligt sind. Auch aus den umzusetzenden EU-Richtlinien ergibt sich keine Notwendigkeit zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in dieser Form.
M.E. wird mit diesem Gesetz den in Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen mit ausländischem Pass erst einmal mit der „roten Karte“ gedroht: Sollten diese straffällig werden, wird ihnen in bestimmten Fällen über das Strafrecht hinaus die Abschiebung in das Herkunftsland ihrer Eltern angedroht. Auch das ist kein Zeichen eines Integrationswillens durch die Mehrheitsgesellschaft, vor allem angesichts der Tatsache, dass viele der hier geborenen bzw. aufgewachsenen Jugendlichen das Herkunftsland ihrer Eltern nur aus dem Urlaub bzw. auch gar nicht kennen.
Die nun in das Gesetz aufgenommene Altersfeststellung durch Röntgen der Handwurzelknochen von Jugendlichen ist wissenschaftlich höchst umstritten und bietet auch keine zweifelsfreie Rechtssicherheit. Auf dem 110. Deutschen Ärztetag im Mai 2007 wurde beschlossen, mit Entschiedenheit jegliche Beteiligung zur Feststellung des Alters von AusländerInnen abzulehnen. Weder Form noch Ziel dieser Altersfeststellung sei mit dem Berufsrecht vereinbar, da es sich weder um eine Maßnahme zur Verhinderung noch um die Therapie einer Erkrankung handele.
Beitrag von Mechthild Rawert für die Mitgliederzeitung "Mitgestalten" der SPD Tempelhof-Schöneberg, Ausgabe Juli/August 2007