Der Kampf gegen die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen muss verstärkt werden. Das forderten Sachverständige während einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 19. September. Dazu müssten Information und Prävention verbessert werden und mit einem nationalen Aktionsplan das Bewusstsein für die Problematik geschärft werden. Außerdem wurde mehrheitlich die Schaffung eines eigenen Straftatbestandes der Genitalverstümmelung gefordert.
Für eine Vorbildrolle Deutschlands beim Kampf gegen Genitalverstümmelung sprach sich Alice Berendt vom Kinderhilfswerk Plan International Deutschland aus. Die Beschneidung weiblicher Genitalien, die vor allem in afrikanischen Staaten praktiziert werde, müsse dort durch verstärkte Aufklärung bekämpft werden. Vielfach sei man dort über die verheerenden Folgen nicht informiert und erkenne daher in der Beschneidung auch keine Körperverletzung. Bei afrikanischen Communities in Deutschland hingegen könne die Schaffung eines eigenen Straftatbestandes abschreckend wirken. Die Strafverfolgung dürfe keine leere Drohung sein, forderte Dagmar Freudenberg vom Deutschen Juristinnenbund, und sprach sich für entsprechende Änderungen im Strafgesetzbuch aus. Da die Täter zumeist nicht in einem einzelnen Fall, sondern als "Fachkräfte" für Genitalverstümmelung gezielt tätig würden, sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen, was wiederum als Haftgrund anzusehen sei.
Die Bundesärztekammer gebe Ärzten in Deutschland Hilfestellung beim Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung, sagte Cornelia Goesmann. Dies beinhalte auch Empfehlungen zur Prävention bei neugeborenen Töchtern. Eine gesetzlich geregelte Meldepflicht lehne man allerdings ab. Dies könne kontraproduktiv wirken, da notwendige Behandlungen aus Furcht vor Strafverfolgung ausbleiben könnten.
Genitalverstümmelungen seien in Afrika immer noch an der Tagesordnung, sagte Franziska Gruber von der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes. Im Rahmen der Entwicklungshilfe müsse die Bundesregierung Einfluss nehmen und auf eine Beendigung dieser Praktiken drängen. In Deutschland, so Gruber, seien bis zu 5000 Mädchen gefährdet. Durch Aufklärungsbroschüren, die sich an Immigrantinnen richteten, und die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle müsse man Frauen und Mädchen schützen.
Von eigenen Erfahrungen berichtete Fadumo Korn von Forward- Germany. Im Alter von sieben Jahren sei sie ohne jede Betäubung beschnitten worden. Angst vor Sexualverkehr und vor der Schwangerschaft seien die Folgen gewesen. Sie freue sich, zu der Anhörung geladen worden zu sein, da noch immer viel zu selten Betroffene zu diesem Thema gehört würden. Ihrer Ansicht nach könne man in Afrika nur Erfolge verzeichnen, wenn es gelänge, nachhaltig die soziale Situation der Betroffenen zu verbessern.
Heike Rudat vom Bund Deutscher Kriminalbeamter räumte ein, dass die Polizei kaum Bezugspunkte zur Problematik der Genitalverstümmelung habe. Es gebe nur wenig Gesprächsbereitschaft zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und afrikanischer Community. Ursachen für die fehlende Aussagebereitschaft der Opfer sei sowohl die Angst vor dem wegbrechenden sozialen Umfeld, vor Abschiebung und auch davor, nicht ernst genommen zu werden. In manchen Fällen fehle es aber auch einfach am Bewusstsein, eine schwere Körperverletzung erlitten zu haben, sagte Rudat. Dieses müsse durch intensive Aufklärung gestärkt werden.