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Mechthild Rawert: Bekämpfung ungewollter Kinderlosigkeit erfordert auch eine aktive Familien- und Gleichstellungspolitik

Anlässlich der Entscheidung des Deutschen Bundestags gegen eine Änderung der Regelung zur künstlichen Befruchtung im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) erklärt Mechthild Rawert, zuständige Berichterstatterin der AG Gesundheit:

Die gesetzlichen Krankenkassen werden auch in Zukunft bei unverheirateten Paaren keine Kosten für eine künstliche Befruchtung übernehmen. Nach wie vor gilt aber: Alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, verheiratet oder unverheiratet, haben bei ungewollter Kinderlosigkeit einen Leistungsanspruch auf medizinische Maßnahmen wie Arzneimittel, chirurgische Eingriffe oder eine psychotherapeutische Behandlung. Diese Maßnahmen haben grundsätzlich Vorrang vor der künstlichen Befruchtung.

Dass die künstliche Befruchtung auf Ehepaare beschränkt und dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Februar 2007 bestätigt. Die Verfassung bietet die Möglichkeit der Privilegierung der Ehe. Zu diesen bevorzugenden Regelungen gehört auch die Regelung des § 27a SGB V, wonach die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nur bei Ehepaaren anteilig Kosten der medizinischen Behandlung übernimmt.

Diese Regelung war 1990 als Nachtrag zur Gesundheitsreform von 1988 gefasst worden. Im Vorfeld war grundsätzlich strittig, ob die künstliche Befruchtung überhaupt zu den GKV- Leistungen gehören soll, denn sie selbst gilt nicht als Behandlung einer Krankheit. Damit sie dennoch in den Leistungskatalog aufgenommen werden konnte, wurde sie den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V quasi unterstellt. Mit der Begrenzung auf verheiratete Paare erfolgte auch eine Kostenbegrenzung. Hierüber lässt sich familienpolitisch sicherlich streiten - die Debatte muss dann aber auch im Kontext der Familienpolitik und nicht der Gesundheitspolitik geführt werden.

Selbstverständlich haben alle Patienten und Patientinnen ein Anrecht darauf, nach dem jeweils erreichten Kenntnisstand der Reproduktionsmedizin bestmöglich behandelt zu werden. Richtig ist aber auch, dass sich trotz der enormen Ausweitung der Reproduktionsmedizin in den vergangenen 20 Jahren viele Erwartungen nicht erfüllt haben. Die Paare stehen während der Behandlungsphase unter einer sehr hohen seelischen und körperlichen Belastung. Gesundheitliche Risiken sind keineswegs auszuschließen. Tatsächlich kommt es auch nur bei einem knappen Fünftel der Behandlungen zur Geburt des erhofften Wunschkindes.

Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist bewusst, dass es für Menschen eine schwere Belastung ist, wenn sie keine Kinder bekommen können. Unfruchtbarkeit bei Männern und Frauen hat viele Ursachen, körperliche wie auch psychische. Zudem vermindert sich die Zeugungs- als auch die Empfängnisfähigkeit mit zunehmendem Alter. In unserer Gesellschaft entscheiden sich jedoch immer mehr Männer und Frauen erst zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt für ein Kind. Auch das hat mannigfaltige Gründe: Die einen wollen sich erst beruflich etablieren, wollen eine qualifikationsadäquate Karriere machen, andere fühlen sich in jungen Jahren noch nicht reif genug, um selbst die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, anderen fehlen adäquate Betreuungsmöglichkeiten vor Ort.

Diesen Gründen können wir nur mit einer guten Familien- und Gleichstellungspolitik entgegenwirken: Notwendig sind u.a. sowohl der zügige flächendeckende und qualitativ hochwertige Ausbau der Betreuungs- und Bildungsangebote für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, vor allem aber auch eine familienfreundliche Kultur in der Wirtschaft. Einen Tag vor dem Internationalen Frauentag fordere ich erneut ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Auch hiermit werden Männer und Frauen bereits in jungen Jahren ermutigt, ihren Kinderwunsch zu erfüllen.