Der Bundestag hat am 18. Juni in seiner längsten Sitzung in dieser Legislaturperiode umfangreiche Gesetzesänderungen mit erheblicher Relevanz für das Gesundheitswesen beschlossen. Anlässlich der Abstimmungen erklärt Mechthild Rawert:
Patientenverfügungsgesetz
Ich freue mich, dass es uns mit der Verabschiedung des „Stünker- Entwurf“gelungen ist, für die Patientinnen und Patienten, die Ärztinnen und Ärzte und die betroffenen Angehörigen endlich mehr Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen.
Mit diesem Abstimmungsergebnis sehe ich nun die größtmögliche Klarheit für die Umsetzung des selbstbestimmten PatientInnenwillens verwirklicht.
Kernpunkt dieses Gesetzes zur Patientenverfügung ist unbeschränkte Reichweiten- begrenzung (Bindungswirkung der Verfügung). Das bedeutet, dass die in einer PatientInnenverfügung getroffenen Entscheidungen über Verweigerung oder Durchführung bestimmter ärztlicher Maßnahmen auch dann gelten, wenn die Patientin/der Patient sich nicht mehr selbst äußern kann.
Auch der sogenannte „dialogische Prozess“, das Zusammenwirken zwischen Arzt und Betreuer ist explizit im Gesetzentwurf integriert. Aufgenommen wurde weiter die Formulierung, dass niemand zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden kann und die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden kann.
Neuregelungen durch die 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG- Novelle)
Zugangsvoraussetzungen in der Pflegeausbildung
Im Bereich der Kranken- und Altenpflege wird die Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung künftig die abgeschlossene zehnjährige Schulbildung sein. Damit werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, auch in Zukunft den Bedarf an gut ausgebildeten Kranken- und Altenpflegekräften zur Sicherstellung der Pflege decken zu können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang erneut betonen, dass damit keine Verwässerung oder Aufweichung der Ausbildungsstandards einhergeht.
Mit der Festlegung des Zugangs zu den Ausbildungen nach dem Krankenpflegegesetz auf den Hauptschulabschluss nach zehn Schuljahren oder einer gleichwertigen Schulausbildung, soll der Zugang zu diesen Berufen für mehr Interessentinnen und Interessenten als bisher geöffnet werden. Mit Blick auf den durch die demographische Entwicklung schon heute absehbaren Mangel an BewerberInnen für Ausbildungen in der Krankenpflege, aber auch vor dem Hintergrund der notwendigen und gesellschaftspolitisch wünschenswerten Einbindung von BewerberInnen mit Migrationshintergrund halte ich eine solche Öffnung letztlich für notwendig.
Nichtsdestotrotz: Mit Kraft werde ich mich auch in Zukunft für die Verbesserung von Ausbildungs- und Arbeitsplatzstrukturen in den Gesundheits- und Pflegeberufen einsetzen.
Versand von Arzneimitteln (Pick- Up- Stellen)
Ich bedauere, dass im Rahmen der AMG- Novelle mit der CDU/CSU- Bundestagsfraktion keine Einschränkungen der unerwünschten Auswüchse des Arzneimittelversandhandels umgesetzt werden konnten. Die vorgeschlagenen Verschärfungen der Qualitätskriterien, die eine Rezeptsammlung und Arzneimittelabgabe an ungeeigneten Orten wie Tankstellen und anderen Gewerbebetrieben unterbunden hätten, wären sinnvoll gewesen, um die qualitätsorientierte Arzneimittelversorgung zu sichern.
Pick- Up- Stellen mögen vereinzelt Vereinfachungen für KundInnen bringen, insgesamt erscheinen mir die Gefahren der Einführung von Pick- Up- Stellen aber als viel zu groß. Eine anständige Versorgung mag vielleicht etwas mehr kosten, ich halte sie aber gerade im gesundheitlichen Bereich für angebracht.
Stärkung des Risikostrukturausgleichs
Mit der 15. AMG- Novelle haben wir aber sicherstellen können, dass das Bundesversicherungsamt unerlaubten Absprachen zwischen Kassen und ÄrztInnen durch ein neues Instrumentarium effektiv entgegenwirken kann. Einem sogenannten "Up- Coding" (dem künstlichen „Kränkermachen“ von PatientInnen), um höhere Zuweisungen aus dem Risikostrukturausgleich erhalten zu können, wird damit ein Riegel vorgeschoben.
Sicherung der Hausarztmodelle
Durch eine Übergangsregelung zu Abrechnungen von ambulanten Leistungen über private Rechenstellen konnten zudem die sogenannten Hausarztmodelle gesichert werden. Hier hat sich die SPD in der Koalition durchsetzen und datenschutzrechtliche Bedenken ausräumen können, die sonst den Fortbestand der sinnvollen Hausarztmodelle gefährdet hätten. Der Datenschutz ist nun auch bei Nutzung privater Rechenstellen vollumfänglich gewährleistet.
Zum Ausklang der vorletzten Plenarwoche dieser Legislaturperiode verabschiedet der Deutsche Bundestag am heutigen Freitag das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus.
Damit können pflegebedürftige Menschen mit Behinderung künftig die von ihnen beschäftigten Pflegekräfte bei einer stationären Behandlung mitnehmen.
Ich begrüße sehr, dass Pflegebedürftige, die eigene Pflegekräfte beschäftigen, mit dem von der SPD- Bundestagsfraktion forcierten Gesetz, nun Anspruch gegen die jeweiligen Kostenträger auf Mitaufnahme ihrer Pflegekraft in das Krankenhaus haben.
Auch der Anspruch auf Weiterzahlung der bisherigen entsprechenden Leistungen, auch während der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung, wurde in diesem Zusammenhang beschlossen.
Ich bin enttäuscht, dass viele der etwa 200.000 Behinderten in stationären Einrichtungen weiter auf notwendige Brillen und nichtverschreibungspflichtige Medikamente (OTC- Präparate) verzichten müssen, weil sie diese von ihrem Taschengeld nach § 35 SGB XII nicht selbst bezahlen können. Die Union hat sich diesem wichtigen Anliegen verweigert.
Als großen Erfolg werte ich, dass wir es als SPD- Bundestagsfraktion geschafft haben, dass im gleichen Gesetzentwurf die Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach im Rahmen des Studiums der Medizin in die Approbationsordnung für Ärzte aufgenommen wird. Fehlendes Wissen von Ärztinnen und Ärzte führt vielfach zu unnötigem Leiden durch wohlgemeinte, aber fachlich nicht indizierte Therapien in der letzten Lebensphase.