„Ich freue mich, dass das Europäische Parlament durch den Lissabon-Vertrag demokratischer und bürgerInnennäher wird. Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundestag wird sich intensivieren. Ich gratuliere der Berlinerin Dagmar Roth-Behrendt, MdEP, zur Wahl als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Ich begrüße auch herzlich Herrn Frank Piplat, der seit dem 1. September der neue Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments (EP) für Deutschland ist, hier in Berlin“ erklärt Mechthild Rawert, Sprecherin der Landesgruppe Berlin der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg, im Anschluss an das Mittagsgespräch mit Dagmar Roth-Behrendt zum Thema „Das Europäische Parlament und der Vertrag von Lissabon – Die künftige Entwicklung“ im Europäischen Haus am 15. Oktober.
Am 13. Dezember 2007 unterzeichneten die europäischen Staats- und Regierungschefs den Vertrag von Lissabon. Damit wurden mehrjährige Verhandlungen über die institutionellen Reformen der EU zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. Mit dem neuen Vertrag sollen letztlich die BürgerInnennähe gestärkt und Europa zukunftsfähig für die anstehenden und künftigen Herausforderungen gemacht werden. Dagmar Roth-Behrendt geht davon aus, dass der Lissabon-Vertrag ab dem 1. Januar 2010 in Kraft treten wird. Nach dem Ja der Iren am 2. Oktober und nach der Ratifizierung des Vertrages durch den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, wartet Europa auf das Ja des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus. Dieser hat aber eine Unterzeichnung des EU-Reformvertrag schon bald in Aussicht gestellt.
Für Dagmar Roth-Behrendt steht der Lissabon-Vertrag u.a.:
1. Für ein demokratischeres und transparenteres Europa
In Zukunft werden sowohl das Europäische Parlament als auch die nationalen Parlamente eine größere Rolle spielen. Die Kompetenz zur Mitentscheidung des Europäischen Parlaments steige stark an: z.B. im Landwirtschaftsbereich von derzeit einem Vorgang auf vermutlich 67, in der Fischerei von einem auf wahrscheinlich rund 50. Die Kompetenzen im Straf-, Zivil- und Asylrecht werden sich wahrscheinlich verdoppeln.
2. Für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
In einem erstarkten Europa werden die außenpolitischen Instrumente der EU zusammengefasst, um den internationalen Partnern gegenüber eine klare Position einnehmen zu können. Die außenpolitischen Interessen der Mitgliedstaaten bleiben dabei gewahrt. Ein sogenannter Hoher Vertreter soll dieses gewährleisten. Unklar ist augenblicklich noch die Ansiedlung des neuen Europäischen Auswärtigen Dienstes, der diesen unterstützen soll. Nach Roth-Behrendt müsse der Hohe Vertreter auf jeden Fall auch Vizepräsident des Europäischen Parlamentes sein, damit eine Verankerung im Europäischen Parlament gewährleistet bleibt.
3. Für mehr Haushaltsrechte
Gestiegen sind die Rechte beim Haushaltsrecht. Hier muss das Europäische Parlament jedoch schnell zu belastbaren Eigenpositionen kommen. Eine Erschwernis ist ggf., dass fast 50 Prozent der Abgeordneten neu in der Materie seien.
4. Stärkung der Rechte der nationalen Parlamente
Grundsätzlich stärkt der Lissabon-Vertrag die Rechte der nationalen Parlamente. Diese werden mehr Möglichkeiten, Rechte und Pflichten haben, um sich einzubringen. Das Bundesverfassungsgericht hatte Deutschland Auflagen zum Lissabon-Vertrag auferlegt, die vom Deutschen Bundestag zwischenzeitlich erfüllt worden sind. Der damit verbundene Zuwachs an Legitimität stärkt die Rolle der Parlamente und sorgt damit für ein Mehr an Demokratie. Für Bürgerinnen und Bürger werde klarer, wer über welche Zuständigkeit verfüge.
5. Stärkung der Grundrechte-Charta
Von herausragender Bedeutung ist die Charta der Grundrechte. Hier sind für europäische Bürgerinnen und Bürger die Rechte und Werte von Freiheit, Solidarität und Sicherheit verankert - bis auf die Länder, die ein sogenanntes Opt-out, also den Nichtbeitritt zum Euroraum, vereinbart haben.