„Der Koalitionsvertrag liegt vor, aber die Streitereien zwischen den Koalitionspartnern CSU und FDP werden im Gesundheitsausschuss munter weitergehen. Ich wette um einen Strauß Blumen, dass die Karten für viele Härten des geplanten Umstrukturierungsprozesses im Gesundheitsbereich erst nach der NRW-Wahl am 09. Mai 2010 auf den Tisch gelegt werden“, äußert sich Mechthild Rawert, Mitglied des Gesundheitsausschusses, während der offenen politischen Diskussionsrunde auf der Fachkonferenz "Deutschland nach der Wahl: Der Gesundheitsmarkt im Umbruch" am 29. Oktober im Novotel Berlin. An der Podiumsdiskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Eckhard Fiedler, Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Uni Köln, nahmen neben Mechthild Rawert, Dr. Erwin Lotter (FDP), Max Straubinger (CSU), Prof. Dr. Jürgen Wasen, Stiftungslehrstuhl Medizinmanagement, Universität Duisburg/Essen, und Dr. Jürgen Wette, Direktor, McKinsey & Company, Inc. teil.
Gleich die erste Frage an Dr. Lotter, wie er sich denn die künftige Finanzierungsarchitektur und die Ausgestaltung von „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen“ vorstelle, traf ins Schwarze. Denn, eine Antwort, mit welchen Belastungen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft zu rechnen haben, gab es vom FDP-Vertreter nicht. Zu Recht verwies Prof. Fiedler darauf, dass die Regierung angesichts der krisenbedingten Einnahmeschwäche der Gesetzlichen Krankenkassen und dem damit verbundenen Finanzproblem für 2010 nicht darum herum komme, zumindest diese Entscheidung bald treffen zu müssen. Die Krankenkassen müssten schließlich ihren Haushalt für 2010 aufstellen und wissen, ob es noch weitere Steuermittel im System geben werde oder nicht. Die Aufhebung der paritätischen Beitragszahlung und die damit verbundene einseitige Belastung der ArbeitnehmerInnen steht für eine Entsolidarisierung im Gesundheitswesen, betonte Mechthild Rawert. Wie hoch die Zeche sein werde, werde sich noch herausstellen. Prof. Dr. Wasem geht augenblicklich von ca. 100 Euro Kopfpauschale pro Monat aus.
Neben Fragen der künftigen Finanzierung verwies Rawert in ihren Ausführungen auch auf die strukturelle Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und auf ein sich im Wandel befindliches Berufsbild junger Ärztinnen und Ärzte.
Dies sehen die freien Demokraten anscheinend anders. Denn, angestellte ÄrztInnen gehen um 16:00 Uhr nach Hause, während freiberuflich Tätige sogar noch um 21:00 Uhr auf Hausbesuche gehen - dieser scheinbare Mangel an Verantwortungsgefühl scheint für die FDP der Grund zu sein, warum die Medizinischen Versorgungszentren, die für viele PatientInnen Gesundheitsversorgung unter einem Dach und ohne lange Wartezeiten ermöglichen, eingeschränkt werden sollen.
Der Hinweis von Mechthild Rawert, dass die Vereinbarkeit von Beruf, Weiterbildung und Familie heute für viele ÄrztInnen immer wichtiger werde, findet bei der FDP kein Gehör. Hier scheint Freiberuflichkeit der alleinige Garant für ein von Motivation getriebenes ärztliches Engagement zu sein. Dass damit vielen ÄrztInnen, die für sich weder eine ChefärztInnenstelle im Krankenhaus anstreben, noch die mit hohen finanziellen Risiken verbundene eigene Praxis anstreben, ein breites Betätigungsfeld verwehrt bleibt, wird nicht akzeptiert.
Für Mechthild Rawert ist klar, „dass wir den bis zur NRW-Wahl auf Zeit spielenden Koalitionären vor allem auch in der Gesundheitspolitik mit offensiver Oppositionsarbeit begegnen werden“.