„Die neue ethische Frage der Zukunft ist, soziale Gerechtigkeit beim Zugang zu Gesundheitsleistungen für alle zu gewährleisten und die Schere zwischen Arm und Reich bei der Gesundheitsversorgung zu schließen. Gesundheit ist ein Menschenrecht.“ Diese Haltung wird sowohl von Mechthild Rawert, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, als auch ihren russischen Gästen, KlinikärztInnen und -direktorInnen staatlicher Gesundheitseinrichtungen aus der Stadt Kasan während eines Informations- und Diskussionstreffen am 14. Dezember im Paul-Löbe-Haus geteilt.
Die von Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH eingeladene Delegation zeigte sich während des Gespräches und beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen sehr interessiert an den Ausführungen der Tempelhof-Schöneberger Gesundheitsexpertin. Die Fragen reichten von: „Wer kontrolliert die Qualität der Krankenhausversorgung in Deutschland? Gehören zahnärztliche Untersuchungen zum Leistungskatalog der Krankenkassen?“ bis zu: “Wie ist die Zusammenarbeit zwischen den landeseigenen Gesundheitseinrichtungen Charité und Vivantes? Wie ist die Finanzierung für 82 Millionen Menschen in Deutschland geregelt?
Im Anschluss an Erläuterungen zur Finanzierungsstruktur, zur Rolle der Kassen und zum Gesundheitsfonds verwies Mechthild Rawert auf die enorme Bedeutung von Vivantes als größtem kommunalem Krankenhauskonzern Deutschlands für die Gesundheitsversorgung Berlins. Zu Vivantes gehören unter anderem neun Krankenhäuser und zwölf Pflegeheime. Vivantes ist damit Teil einer Berlin-Brandenburger Gesundheitswirtschaft, die auf Wertschöpfungs- und Wachstumskurs ist und jeder/m achten Beschäftigten in der Region Lohn und Brot gibt.
Ethik im Gesundheitswesen war ein weiterer Fragekomplex. Wie wird verhindert, dass Menschen zu „Versuchskaninchen“ werden? Wie wird gewährleistet, dass eine Überprüfung der Wirksamkeit und des Nutzens von Arzneimitteln erfolgt? Darüber hinaus stellte Mechthild Rawert dar, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland mitnichten nur eine staatliche Aufgabe, sondern die gesundheitliche Selbstverwaltung ein insgesamt machtvoller Akteur ist. So entwickeln Fachleute und -organisationen z.B. in der Pflege und der Medizin Leitlinien, die nach langer Diskussion in vielen Gremien zu Standards für viele Behandlungsformen und -prozesse würden. Politik gibt für vieles „nur“ die Rahmenbedingungen vor.
Ein Rahmen sei beispielsweise die Stärkung der Rechte von Patientinnen und Patienten, mit den entscheidenden Voraussetzungen der Transparenz und der Rechtsklarheit. Diese Stärkung sei weiter ein erklärtes und wichtiges Ziel sozialdemokratischer Gesundheitspolitik.
Mit Freude nahm die Berliner Gesundheitsexpertin zur Kenntnis, dass die Säuglingssterblichkeit in Russland in den letzten 15 Jahren um mehr als die Hälfte abgenommen habe und verwies in diesem Zusammenhang auf die Pflichtuntersuchungen für Kinder in Deutschland. Die Förderung der Kindergesundheit sei in Deutschland seit Jahrzehnten ein besonderer Schwerpunkt der Gesundheitspolitik und auch der Gesundheitsberichterstattung.
Grund zur Sorge bereiten allerdings die Ausführungen der russischen Gäste, wonach die Erkrankung mit Tuberkulose in Russland immer noch vergleichsweise stark vertreten seien. Hier liegt eine der Ursachen der im deutsch-russischen Vergleich niedrigeren Lebenserwartung in Russland.