Die SPD-Bundestagsfraktion hat auf ihrer Fraktionsklausur am 15. Januar den Aufschlag für die „Zukunft der Arbeit“ gemacht. Die wichtigsten Thesen und Diskussionspunkte nach Vorträgen von Jutta Almendinger, Präsidentin des berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, und Berthold Huber, Vorsitzender der IG-Metall, sind hier zusammengefasst:
Die SPD will eine solidarische Arbeitsgesellschaft. Eine der Vorlagen dazu ist der Deutschlandplan von Frank-Walter Steinmeier. Sozialer Fortschritt soll vereint werden mit nachhaltiger Wirtschaftswachstumspolitik, mit aktiver Umwelt-, Energie- und Klimapolitik und mit nachhaltiger sozialer Sicherung, gesellschaftlicher Teilhabe und Integration. Meine Grundfrage lautet: Welche konkreten Maßnahmen verbessern die Chancengerechtigkeit?
Soziale Demokratie oder Finanzmarktkapitalismus
Huber verweist darauf, dass sich zwischen 1980 und 2007 die Ungleichheiten zwischen realen Werten des Bundesinlandsprodukt und den virtuellen Werten der Finanzmärkte global dramatisch verschoben haben: Das globale BIP hat sich in dieser Zeit auf 55 Billionen Dollar verfünffacht, die Werte auf dem Finanzmarkt sind aber um das 16-fache auf 197 Billionen Dollar gestiegen. Das gefährdet unsere Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialstaatssysteme.
Die Wirtschafts- und Beschäftigungskrise ist nicht überwunden. Voraussichtlich wird sie sich 2010 verstärkt auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Huber schlägt vor, die Kurzarbeit zu verlängern und Qualifizierung und Weiterbildung auszubauen. Insbesondere jungen Menschen am Anfang ihres Beschäftigungslebens soll durch tarifliche Übernahmeregelungen für Auszubildende geholfen werden. Außerdem plädiert er für Ausbau der Altersteilzeit, Bildungsinvestitionen, Unternehmensmitbestimmung und einen Rettungsschirm zur Überwindung der Kreditklemme durch Mitarbeiterkapitalbeteiligung und Verbesserung der Vergabepraxis. Gewerkschaften und Politik müssten die zunehmende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse bekämpfen.
Wege zu einer Bildung für alle
Almendinger erläutert die empirisch belegten Zusammenhänge von sozialer Ungleichheit, Demografie und Arbeitsmarktentwicklung: Schulen und unsere Zuwanderungspolitik fördere Chancenungleichheit. Nur im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen entstehen zusätzliche Arbeitsplätze. Zugleich existiert schon jetzt ein Mangel an gutausgebildeten Fachkräften. Es fehlen gesellschaftliche Strukturen, die Chancengleichheit für alle ermöglichen.
Gute Ansätze sind vor allem eine frühe Kinderförderung und der Ausbau der Ganztagsschulen, ebenso Ausbildungs- und Hochschulreformen. Um Chancenungleichheit nicht zu vererben, muss es größere Durchlässigkeit in und zwischen den Bildungsbereichen geben. Ebenso muss die Bereitschaft zu (Weiter-)Bildung erhöht werden.
Bildungspolitik ist Teil guter Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
Damit auch in Zukunft alle von ihrer Arbeit leben können, will die Fraktion ein Konzept erarbeiten, das Menschen motiviert und Sicherheit bei der Bewältigung der vielfältigen neuen Anforderungen gibt. Leitpunkte der Diskussion sind:
- Zurückdrängung der Leiharbeit, striktere Regelungen
- Neudiskussion der Geschlechterfrage: mehr Frauen in Führungspositionen und in den jeweiligen „Repräsentanzen“, z.B. bei den Betriebsratswahlen; Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktstrukturen in den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen und Abbau von Lohndiskriminierungen
- Ausbau des dualen Systems für Dienstleistungsberufe
- Lebensarbeitszeitkonten können sich stärker an Lebensphasen orientieren
- Politik für Alleinerziehende als Kampf gegen Kinderarmut
- Deutschland als Einwanderungsland braucht mehr Projekte zum „sozialen Einstieg“ als auch zum „sozialen Aufstieg“, braucht eine bessere Anerkennung von mitgebrachten Bildungs- und Berufsabschlüssen.
- breitere Qualifizierungs- und Bildungsanstrengungen für Un- und Angelernte
Ich freue mich auf die Erarbeitung konkreter politischer Zielsetzungen!
Beitrag von Mechthild Rawert für die Mitgliederzeitung "Mitgestalten" der SPD Tempelhof-Schöneberg, Ausgabe 1, Februar 2010