Wer übernimmt in unserer Gesellschaft die Verantwortung für die alten und kranken Menschen? Diese drängende Frage stand im Mittelpunkt des „Berliner-DKI-Talk - ein Abend mit ParlamentarierInnen“ im Rahmen des 1. Frühjahrskongresses des Deutschen Krankenhausinstituts e.V. (DKI) zum Thema "Krankenhäuser und Altenhilfe - verzahnte Leistung".
An der von der Fernsehmoderatorin Corinna Lampadius moderierten Podiumsdiskussion nahmen neben Mechthild Rawert, Carsten Sterly (Geschäftsführer der PFAD Akademie Hamburg und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung und Inhaber eines Pflegedienstes), Rolf Stuppardt (Geschäftsführer der IKK e. V.) sowie die Gesundheitspolitker Heinz Lanfermann (FDP) und Willi Zylajew (CDU) teil.
Die Alters- und Familienstrukturen unserer Gesellschaft wandeln sich. Der demografische Wandel zwingt Krankenhausträger und Akteure der Altenhilfe, gemeinsam tragfähige Strukturen zur medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung zu schaffen. Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz und den hiermit eingeführten Pflegestützpunkten sind bereits Weichen gestellt worden, um die Pflege älterer Menschen insbesondere im ambulanten Bereich weiter zu verbessern. Mit dem im neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff deutlich gewordenen Paradigmenwechsel ist nach Meinung von Carsten Sterly aber auch verbunden, dass Prävention zu jeder Zeit eine höhere Bedeutung erhalten und in der Finanzierung wiederfinden muss.
Auch viele Krankenhäuser beginnen sich auf den Anstieg von hochaltrigen und mehrfacherkrankten (multimorbiden) PatientInnen einzustellen. Trotzdem: Was macht ein alleinstehender, bis dahin fitter und zu Hause lebender 80jähriger Mensch ohne Familienzusammenhang, wenn er oder sie aus dem Krankenhaus - beispielsweise mit zwei gebrochenen Armen oder einem weiterhin fachkundig zu behandelndem offenen Bein - entlassen wird? Spätestens im realen individuellen Versorgungsfall drängt sich die Frage nach medizinischer und pflegerischer, menschlicher als auch hauswirtschaftlicher Versorgung auf. Um individuelle, ganzheitliche Versorgungsketten herzustellen, bedarf es der genaueren Identifizierung drohender Versorgungslücken. Die Praktiker betonen, dass eine stärkere Verzahnung von Leistungsangeboten und damit verbundener Berufskompetenzen in interdisziplinären Zusammenhängen notwendig ist. Im Gegensatz zu den Vertretern der Koalition forderte Mechthild Rawert klare gesetzliche Rahmenbedingungen um eine sektorübergreifende Pflegeinfrastruktur weiter aufzubauen.
Einigkeit bestand in der Runde, dass mehr miteinander verzahnte Leistungsangebote der in sich schon spezialisierten Gesundheits-, Sozial-, Altenhilfe- und Pflegebereiche gebraucht wird. Wir brauchen aber auch mehr Menschen, die „sich kümmern“, so Rawert, vor allem mehr professionelle Fachkräfte. Wir registrieren aber oft genau das Gegenteil: Die Verweildauer der ausgebildeten Gesundheits- und Pflegefachkräfte in ihren Beschäftigungsfeldern sinkt. Aufgrund einer geringeren Geburtenrate sinkt auch die Zahl derjenigen, die in diesen Berufsfeldern überhaupt eine - vollzeitschulische, duale oder eine akademisierte - Ausbildung machen wollen. Wesentliche Stellschrauben für einen sektorübergreifenden Versorgungsansatz sind die Modernisierung der Aus- und Weiterbildungsstrukturen der Gesundheits- und Pflegefachkräfte und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Der vom 21. bis zum 23. April stattfindende Kongress beschäftigt sich am ersten Kongresstag mit den Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung älterer Menschen, am zweiten Tag mit „Krankenhäuser und Altenhilfe verzahnen ihre Leistungen: Mögliche Strukturen und innovative Modelle“ und endet am dritten Tag mit dem Ziel „ Gemeinsame Aufgaben lösen: Aktuelle Ansätze zum Umgang mit knappen Ressourcen“.
Mechthild Rawert, Heinz Lanfermann, Carsten Sterly, Corinna Lampadius, Willy Zylajew, Rolf Stupphardt (v.l.n.r.).