Die SPD-Bundestagsfraktion kämpft für die Handlungsfähigkeit von Politik - im Interesse Griechenlands, Deutschlands und Europas. Demokratie legitimiert sich dadurch, dass die gewählten VolksvertreterInnen Politik gestalten. Vertrauen in die Demokratie geht verloren, wenn vermeintlich alternativlos den Finanzmärkten, Banken oder Spekulanten das Sagen überlassen wird. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt das internationale Rettungspaket für Griechenland und die deutsche Beteiligung daran. Um aber die Stabilität in der Euro-Zone nachhaltig zu gewährleisten, bedarf es mehr als eine reine Kreditermächtigung à la Schwarz-Gelb. Für die SPD sind die dauerhafte Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise und die wirksame Eindämmung immer neuer Spekulationswellen unabdingbar.
Die Anstrengungen Griechenlands zur Abwendung eines Staatsbankrotts sind immens. Das von der Regierung am 06. Mai beschlossene Sparprogramm verlangt der Bevölkerung in den kommenden Jahren sehr viel ab: Gehälter im öffentlichen Dienst sinken, ein Einstellungsstopp ist verfügt, Infrastrukturausgaben werden dramatisch reduziert, zahlreiche Steuern erhöht. Diese und viele weitere Reformen werden tiefgreifende Auswirkungen auf die Menschen in Griechenland haben. Griechenland braucht jetzt die Unterstützung Deutschlands und die Solidarität aller Europäerinnen und Europäer. Die SPD steht für ein starkes Europa. Ein Europa nicht nur als Währungs- und Wirtschaftsunion, sondern auch als Sozialunion.
Die Hilfe für Griechenland liegt direkt in unserem eigenen deutschen Interesse. Ein stabiler Euro ist gerade für Deutschland immens wichtig. Unsere Wirtschaft lebt derzeit überwiegend vom Export, auch nach Südeuropa. Der Zusammenbruch ganzer Staaten in Europa und eine instabile Währung gefährden hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland. Um erheblichen Schaden von Deutschland abzuwenden, ist es notwendig, die Finanzmarktstabilität im Euroraum als Ganzes zu sichern. Das ist der SPD-Bundestagsfraktion bewusst. Deshalb unterstützen wir das internationale Rettungspaket der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Griechenland in Höhe von 110 Milliarden Euro. Deutschland soll sich in den kommenden drei Jahren im Rahmen von Kreditbürgschaften mit insgesamt rund 22 Milliarden Euro hieran beteiligen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Entschließungsantrag vorgelegt, um Griechenland zu unterstützen und nicht alle Staaten der Euro-Zone den Spekulationen der Finanzmärkte zu überlassen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen flankierend zur Nothilfe für Griechenland Maßnahmen ergreifen, mit denen der Finanzsektor an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben sowie zugleich an den Kosten der Krise beteiligt wird (Drucksache 17/235). Die Kosten der Krise müssen von ihren Verursachern getragen werden. Banken und Finanzinvestoren müssen mit mehr als symbolischen Gesten zur Überwindung der Krise beitragen. Ein Angriffskrieg von internationalen Spekulanten gegen die Euro-Zone ist zu unterbinden. Wir wollen nicht, dass sich die Finanzmärkte von ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktion abkoppeln und ausschließlich ihrem Selbstzweck dienen. Verspieltes Vertrauen muss zurückgewonnen werden. Ohne Regularien ist das nicht möglich. Von Griechenland darf kein Flächenbrand ausgehen.
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert eine Finanztransaktionssteuer, die gewährleistet, dass sich die Akteure auf den Finanzmärkten an den Folgekosten der Krisen beteiligen und außerdem - auch nach Meinung des IWF - kurzfristige Börsengeschäfte dämpfen würden. Wir fordern die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Europäischen Rating-Agentur. Geschäfte zwischen Rating-Agenturen und Finanzmarktakteuren, deren Produkte sie bewerten, sollen nicht erlaubt werden. Unverzüglich zu verbieten sind spekulative Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen und Leerverkäufe. Finanzmarkt, Finanzmarktakteure und Finanzmarktprodukte dürfen nicht länger ohne Regulierung, Aufsicht und Haftung bleiben. Der Anleger- und Verbraucherschutz muss unbedingt verbessert werden und das europäische Statistikamt EUROSTAT ist mit mehr Kompetenzen gegenüber den nationalen Statistikämtern auszustatten. In der Europäischen Union muss künftig ein Frühwarnmechanismus eingesetzt werden, mit dem Krisen frühzeitig erkannt und überschuldete Staaten einem geordneten Restrukturierungsverfahren zugeführt werden.
Von all diesen notwendigen Zähmungen des Casino-Kapitalismus steht im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Drucksache 17/1544) nichts. Schwarz-Gelb will keine Finanzmarktregulierung, will keine präventiven Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Krisen ergreifen und die Lasten der Krise nicht gerecht verteilen. Die sozialdemokratischen Abgeordneten werden daher mit sehr großer Mehrheit diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen sondern sich enthalten. Unsere Enthaltung ist keineswegs politisch wertneutral. Sie ist sowohl Ausdruck hoher Verantwortung für Deutschland und Europa als auch zugleich hoher Solidarität mit dem griechischen Volk: Ja zum Rettungspaket für Griechenland. Aber auch ein unbedingtes Ja zur Finanzmarktregulierung.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Vertrauen in die Politik stabilisieren und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Auch hierauf hat Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, bereits in seiner Regierungserklärung zu den Griechenland-Hilfen am 5. Mai hingewiesen. Es ist höchste Zeit, aus der Krise Griechenlands die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, die bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise noch verpasst wurden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Deutschland, wollen Europa wieder auf einen guten Weg bringen. Wir wollen ein starkes soziales Europa, ein Europa mit einem starken Gestaltungsspielraum der Politik.