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Es wird Zeit, die Rechnung zu präsentieren

Mechthild Rawert: Konsequenzen zur Bändigung des Finanzmarktkapitalismus ziehen.

Zur immer noch andauernden größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren ist nun eine Währungskrise im Euro-Raum, dem Zusammenschluss von 16 der 27 europäischen Staaten, hinzugekommen. Schlag auf Schlag sind ParlamentarierInnen gehalten, jeweils in kürzester Zeit über immer größer werdende Milliardenbeträge als Bürgschaftsgarantien namentlich zu beschließen: Zustimmung, Enthaltung, Ablehnung.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat - in enger Abstimmung mit der Parteispitze - einen Forderungskatalog aufgestellt, um das Marktversagen auf den Finanzmärkten zu korrigieren. Hauptelement ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS): Wir wollen lenkend und nicht nur re-agierend in aktuelle Krisenszenarien eingreifen. Wir wollen die globalen Spekulationen dämpfen, wollen die Profiteure der Krise an den enormen Folgelasten beteiligen. Es muss eine gerechte Steuerlastverteilung erfolgen, in der zum Schuss nicht immer die Bevölkerung, die deutschen, griechischen, oder portugiesischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Steuerzahlende die dummen LastenträgerInnen sind.

Wir wollen von den Verursachern staatliche Einnahmen generieren. Nicht hinnehmbar ist es, dass die Kassenlage der öffentlichen - nationalen bzw. europäischen - Hand immer prekärer und der Staat immer ärmer wird. Weiterhin wollen wir auch künftige Finanzkrisen abmildern, am besten vermeiden. Zusätzlich zur Finanztraktionssteuer wollen wir die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Europäischen Rating-Agentur. Verboten werden sollen Geschäfte zwischen Rating-Agenturen und Finanzmarktakteuren, deren Produkte sie bewerten. Unverzüglich zu verbieten sind auch Leerverkäufe und spekulative Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen. Finanzmarkt, Finanzmarktakteure und Finanzmarktprodukte dürfen nicht länger ohne Regulierung, Aufsicht und Haftung bleiben. Ein europäisches Frühwarnsystem ist zu etablieren. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ist zu stärken.

Finanztransaktionssteuer als Lenkungssteuer

Wenn der politische Wille auf nationaler und europäischer Ebene da wäre, ist eine Finanztransaktionssteuer sowohl politisch als auch technisch möglich. Zwischenzeitlich mehren sich die BefürworterInnen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die FDP bleibt bei ihrem Nein stehen und vertraut weiter darauf, dass der Markt sich letztlich selber regelt.

Eine Finanztransaktionssteuer hat eine breite Basis: In Frage gestellt wird nicht der Handel mit Aktien, Pfandbriefen, Obligationen, Wertpapieren und Derivaten an sich, sondern die durch einen extrem kurzfristig orientierten Kapitalfluss verursachten Verwerfungen. Viele Spekulationsgeschäfte erfolgen derzeit über Hochfrequenz-Computer-Handel. Hier machen Computer Geschäfte unter sich, nutzen die Kursveränderungen, die kurzfristigen Preisunterschiede zwischen zwei Zeitpunkten. Geld spielt mit Geld, der reale Wert der Anlage spielt keine Rolle mehr. Verwerflich auch die spekulativen Wetten, zum Beispiel gegen Griechenland. Diesen primär kurzfristigen Spekulationen liegt kein nachhaltiges reales Wirtschaftsinteresse zu Grunde. Dieses „sozialschädliche Verhalten“ soll steuerlich belastet werden, nicht mittel- oder langfristige Investitionen in die Realwirtschaft.

Zwischen Opposition und Regierung wird grundsätzlich über die Einführung der Finanztransaktionssteuer gestritten - die Regierungsfraktionen wollen in ihrem Gesetzesentwurf nur eine Bankenabgabe, die wie eine Umsatzsteuer wirkt, und eine Besteuerung von Boni. Die Bankenabgabe mag ergänzend sinnvoll sein, hat aber kaum regulierende Wirkung, kann somit eine Besteuerung der Geschäfte auf den Finanzmärkten nicht ersetzen. Sie taugt auch nicht zur Prävention oder Finanzierung künftiger Krisen.

Zwischen Regierung und Opposition wird auch gestritten, ob die FTS nur Sinn habe als weltweite Steuer, als Steuer auf europäischer Ebene bzw. im Euroraum oder auch als nationale Börsenumsatzsteuer, wie es sie z.B. in London gibt und in Deutschland bis 1991 gab. Finanzkrisen trete in den letzten 15 Jahren gehäuft auf. Schon auf dem G20-Gipel im September 2009 in Pittsburg wurde auf Initiative des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück über eine FTS diskutiert und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Prüfauftrag erteilt, dessen Endbericht für das G20-Treffen im Juni 2010 in Kanada vorliegen soll. Auch die EU-Staaten haben Ende 2009 erklärt, eine Transaktionssteuer einführen zu wollen. Das Europäische Parlament hat die Europäische Kommission aufgefordert, die Rolle einer Transaktionssteuer als innovatives Mittel der Erzielung von Staatseinnahmen zu prüfen. Da die Staaten mit Finanzstandorten stärker profitieren, ist aus meiner Sicht diese Steuereinnahme mit dem Ziel der Finanzierung entwicklungs-, klima- und armutsbekämpfender Ziele zu verbinden.

Technisch ist die Erhebung dieser Steuer sehr einfach. Alle Transaktionen an der Börse werden zentral elektronisch und mittels einer einfachen Software könnte die Steuer automatisch an die jeweils zuständige Finanzbehörde überwiesen werden. Der Zahlungsverkehr in der Realwirtschaft, also beim Handeln mit Gütern, für den Arbeitsmarkt, Überweisungen, wird nicht erfasst, ebenso wie die Operationen der Zentralbanken. Zur Diskussion stehen Steuerbeträge auf die zumeist spekulativen Vorhaben in Höhe von 0,01 Prozent, 0,05 Prozent oder 0,1 Prozent. Mögen die Prozentangaben gering erscheinen, generiert werden auf jeden Fall Einnahmen von rund 10 Milliarden Euro jährlich. Darauf will ich nicht verzichten.

Kampf zwischen Finanzindustrie und Politik

Der Primat der Politik ist in Frage gestellt. Bürgerinnen und Bürger verlieren das Vertrauen, da vermeintlich nicht die demokratisch gewählten ParlamentarierInnen gestalten sondern das Geld regiert. Wir brauchen eine andere, eine verantwortungsvolle Politik. Ich sage Ja zur Nothilfe für Griechenland. Ich sage aber Nein, wenn der Gesetzgeber sich mit Minimaleinschnitten in die Finanzindustrie begnügt. Es ist Zeit, dass die Finanzindustrie die Rechnung präsentiert bekommt, die Rechnung für staatliche Milliardenbürgschaften und Nothilfen. Denn was passiert, wenn die Bürgschaftsgarantien zum Tragen kommen? Das Ausmaß der nationalen, europäischen und internationalen Verteilungskämpfe würde noch viel brutaler.

Im Anhang finden Sie einige Hintergrundinformationen zum Thema.

AnhangGröße
SPD-Antrag_Internationale Finanztransaktionssteuer einführen.pdf69.9 KB
Hilfe für Griechenland, Stabilität für Europa – im Interesse Deutschlands.pdf281.14 KB
Die dritte Welle der Krise – Fragen und Antworten zu Eurokrise und Rettungsschirm der EU.pdf311.44 KB