Zur laufenden Debatte um Geschlechtergerechtigkeit im Gesundheitswesen erklärt die für „Frauen und Gesundheit“ zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert:
Heute vor 25 Jahren ist die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women - CEDAW) für Deutschland in Kraft getreten. CEDAW zählt zu den wichtigsten internationalen Menschenrechtsdokumenten und ist die bedeutendste Frauenrechtskonvention.
Das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit ist dennoch auch in unserem Gesundheitswesen noch nicht erreicht. Noch werden viel zu wenige gender-, alters-, und lebenslagenspezifische Forschungen implementiert. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der genaue Blick auf bestehende Diskriminierung bewusst vermieden wird.
Dabei steht die Bundesregierung in der Pflicht: Schon 2009 mahnte der unabhängige Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau in seinen „Abschließenden Bemerkungen“ eindeutig an, dass in den Gesundheitsberichten Aspekte geschlechtsspezifischer Unterschiede zu wenig berücksichtigt werden. Außerdem wurde bemängelt, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in allen Bereichen des Gesundheitswesens zu gering ist und dass der gleichberechtigte Zugang zu Gesundheitsleistungen nicht für alle Frauen und Männer gewährleistet ist.
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hat bisher keine positiven Impulse zur Umsetzung der UN-Konvention CEDAW gegeben. Er muss sich endlich dafür einsetzen, dass Frauen- und Mädchenrechte im Gesundheitswesen umgesetzt und Diskriminierungen beendet werden. Er muss sich endlich dafür einsetzen, dass die geschlechtersensible Strategie des Gender-Mainstreaming in der Gesundheitspolitik zufriedenstellend ausgebaut wird, dass eine geschlechtsdifferenzierende (Versorgungs-)Forschung und deren Überprüfung erfolgt, dass die „Bundeskoordination Frauengesundheit“ zur Etablierung von Frauengesundheitsstrukturen fortgesetzt wird und dass die Entscheidungsgremien der Gesundheitsversorgung paritätisch besetzt werden.
Negative Impulse für eine Zunahme von diskriminierenden Strukturen zu Lasten der Frauen durch FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler gibt es dafür zur Genüge: Leidtragende der schwarz-gelben Gesundheitsreform und der damit verbundenen Zerstörung des solidarischen Gesundheitssystem werden in erster Linie Geringverdienende - also überwiegend Frauen - sein. Überwiegend Frauen werden durch die Kopfpauschale, die einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge, zu Bittstellerinnen des Staates gemacht. Der beabsichtigte Systemwechsel hin zu einem Kostenerstattungsprinzip, die Abkehr vom bewährten Sachleistungssystem in der gesetzlichen Krankenversicherung, wird überproportional häufig Frauen von notwendigen Arztbesuchen abhalten und sie somit von einer guten Gesundheitsversorgung ausschließen.