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Namentliche Abstimmung zur Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Mechthild Rawert gemäß § 31 der GO zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen:

Ich habe dem seit mittlerweile neun Jahren andauernden Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auf der Grundlage von Beschlüssen des VN-Sicherheitsrates im Rahmen der internationaler Missionen in Afghanistan bislang jedes Mal zugestimmt.

Am 26. Februar 2010 ausdrücklich auch in Anerkennung des durch Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten initiierten und auf der Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar 2010 durch die internationale Staatengemeinschaft beschlossenen Neuansatzes „Übergabe in Verantwortung“.

Auf der Basis dieses nunmehr international anerkannten Strategiewechsels werden die Hilfen zum Wiederaufbau und zum zivilen Engagement verdoppelt, Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbildung von Polizei und Militär ebenso wie Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption, des Ausbaus des Gesundheitswesens sowie der Rechtsstaatlichkeit gestärkt. Damit werden die Voraussetzungen für einen Abzug der Bundeswehr in 2011 und eine Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung 2014 geschaffen.

Die vielfältigen Konflikte in Afghanistan und in den Anrainerstaaten können nur politisch und nicht militärisch gelöst werden. Militärische Interventionen und damit auch die Anwesenheit der Bundeswehr müssen dem Primat der Politik unterstehen und keinesfalls umgekehrt. Darauf verweist der von der Bundesregierung vorgelegte „Fortschrittsbericht Afghanistan“. Darauf verweisen aber insbesondere auch die von der SPD-Bundestagsfraktion in ihrem Entschließungsantrag erhobenen Forderungen an die CDU/CSU/FDP-geführte Bundesregierung zum beschlossenen Strategiewechsel und dem damit verbundenen Zeitplan. Diesem Antrag stimme ich zu.

Am 28. Januar 2011 entscheide ich mich bei meiner Stimmabgabe für „Enthaltung“. Ich will mich nicht gegen die Mehrheit meiner Fraktion stellen, die dem Antrag der Bundesregierung zustimmen wird. Zugleich kann ich aber auch dem Antrag der Bundesregierung so nicht zustimmen.

Der den Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorgelegte Mandatstext lässt daran zweifeln, dass die Bundesregierung es mit der Durchsetzung des beschlossenen Strategiewechsels wirklich ernst meint. Es gibt keine eindeutige Festlegung darauf, mit dem Abzug in 2011 zu beginnen. Vielmehr ist sie „zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können und wird dabei jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit dies die Lage erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit der Übergabeprozesse zu gefährden“.

Die Bundesregierung verfolgt hinsichtlich des Auslandseinsatzes in Afghanistan keine konsistente Strategie und keine einheitliche Zielstellung, wie die Auseinandersetzung um die Interpretation des Mandatstextes durch Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister zu Guttenberg verdeutlicht. Gilt das Primat der Politik über das Militärische o d e r das Primat des Militärischen zu Lasten politischer und ziviler Konfliktlösungsstrategien? Das Primat der Politik sehe ich auch gefährdet durch die von Entwicklungsminister Niebel initiierte Verzahnung von Militär und Entwicklungshilfe. Damit wird der neutrale Status der EntwicklungshelferInnen gefährdet und das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung in einen zivilen (Wieder-)aufbau untergraben.

Die deutsche Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Jede Soldatin, jeder Soldat braucht insbesondere bei Auslandseinsätzen politische, moralische und auch finanziell ausreichende Unterstützung zur Gewährung bestmöglicher Sicherheit. Ich bin nach wie vor bereit, diese zu geben. Frieden ist aber mehr als die Abwesenheit von Krieg.

Ich schließe mich der Aussage des Vorsitzenden der SPD-Fraktion Frank-Walter Steinmeier an, dass die CDU/CSU und FDP-geführte Regierung nicht mehr mit der Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion für eine deutsche Beteiligung an der Internationalen Schutztruppe (ISAF) 2012 rechen kann, wenn sie den Prozess des international vereinbarten Strategiewechsels verlässt.