Zum Beschluss des SPD-Parteivorstandes „Für Gleichberechtigung und eine Kultur der Anerkennung“ erklärt Mechthild Rawert, SPD-Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg, Sprecherin der Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten und Mitglied Bundesarbeitskreises Integration und Migration der SPD:
Ich begrüße den am 09. Mai verabschiedeten Beschluss des Parteivorstandes, künftig eine Quote für Migrantinnen und Migranten in SPD-Führungsgremien einzuführen. Dieses entspricht dem einstimmigen Votum des Bundesarbeitskreises Integration und Migration der SPD vom 16. April 2011. Das uneingeschränkte Ja des SPD-Parteivorstandes zur Quote ist ein starkes und richtiges Signal. Für mich stellt dieser Beschluss, eine Quote von 15 % für Migrantinnen und Migranten in allen Führungsgremien einzuführen, den Auftakt zu einer Diskussion für mehr Partizipation für alle dar.
Der Beschluss des SPD-Parteivorstandes ist weder eine Reaktion auf aktuelle Pressedebatten noch auf den mich nicht zufriedenstellende Verfahrensverlauf bzw. Ergebnis des Parteiordnungsverfahrens zu einem gewissen Berliner Genossen. Der Beschluss des Parteivorstandes spiegelt den Diskussionsstand in der SPD wider und ist für mich ein wichtiger Beitrag zur Erneuerung der SPD!
Ja zur innerparteilichen Quote
Der Bundesarbeitskreis hat auf seiner Sitzung am 16. April ausführlich über das Für und Wider einer Quote diskutiert. Dabei wurde zweierlei deutlich:
- Insbesondere den SPD-Mitgliedern mit Migrationshintergrund ist eine bloße Absichtserklärung auf Teilhabe nicht mehr genug. Sie wollen ihren Erfahrungen und Kompetenzen, „ihrem speziellem Blick“ in der Partei mehr Gewicht verleihen, wollen die SPD als Partei für soziale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt und Anerkennung nach innen und außen engagiert mitprägen.
- Die im Arbeitskreis Engagierten - zumeist bereits in vielfältigen innerparteilichen und öffentlichen Funktionen für die SPD tätig - haben betont, dass sie vor allem auf die Wirkung einer innerparteilichen Debatte über die Quote setzen. Sie nehmen damit die Auseinandersetzung über das Für und Wider einer weiteren Quote neben der Geschlechter-Mindestquote fast ebenso wichtig wie die Quote selbst. Diese ist sogar erst nach jahrelanger Auseinandersetzung beschlossen worden, nun aber statutarisch abgesichert.
Allen Mitgliedern des Bundesarbeitskreis war bei ihrem eindeutigen Ja zur innerparteilichen Quote für Menschen mit Migrationsbiographie nur zu bewusst, dass vor der Partei ein intensiver Diskussionsprozess liegt, um eine breite Zustimmung und ihre gerechte Ausgestaltung zu erreichen. Vor allem war aber auch allen klar, dass die SPD ihren Selbstanspruch als Mitgliederpartei lebendig nur aufrechterhalten kann, wenn sie in ihren jeweiligen Gremien die Zusammensetzung der Bevölkerung abbildet. Und dazu gehört eben eine stärkere sichtbare Besetzung von politischen Entscheidungsfunktionen mit Genossinnen und Genossen mit Migrationshintergrund.
Allen ist bewusst gewesen: Eine für alle bundesdeutschen Landesteile gleichmäßig gerechte MigrantInnenquote ist nicht so einfach herzustellen. Deshalb hat sich der AK Integration und Migration auch nicht schon auf eine Prozentzahl festgelegt, sondern diese Frage an den Parteivorstand zur Klärung weitergegeben.
Berliner Reaktionen
Viele Berliner Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stellt der Beschluss nicht zufrieden. Wie in anderen Ballungsgebieten Deutschlands auch liegt in Berlin der Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte höher, so dass hier die 15 % das Ziel verfehlen würden, den realen Anteil an der Bevölkerung abzubilden und angemessene Teilhabe abzusichern. Auch in Berlin sind Menschen mit Einwanderungsgeschichte längst selbstverständlicher Teil unseres Lebensumfeldes. Menschen mit Migrationsbiographie prägen das positive Image unserer Stadt.
Erste Kommentare aus der AG Migration in Berlin weisen daher auf Probleme mit dieser 15 %-Quote hin. Verlangt werden Präzisierungen, zum Beispiel zu einer „Mindest-“Quote, damit diese auch bei Vorständen aus 4-5 Personen greift.
Diese ersten Kommentare zeigen mir vor allem, wie wichtig die Diskussion - nicht nur in Berlin – ist. Quoten einzuführen, bedeutet immer, Macht umzuverteilen, Entscheidungspositionen nach neuen Kriterien zu besetzen. Dieses neue Denken provoziert immer auch Widerstände, das wissen insbesondere Politikerinnen nur zu gut. Die neuen Chancen müssen diskutiert und bewertet werden, die Widerstände auch.
Interkulturelle Öffnung der SPD
Weitere Forderungen des Bundesarbeitskreises Migration sind ebenfalls wichtig und müssen in diesem Kontext der Quote gesehen werden: der fortlaufende Dialog mit den Selbstorganisationen der Migrantinnen und Migranten, eine interkulturelle Bewusstseinsbildung für alle Mitglieder der SPD, eine interkulturelle Qualifizierung insbesondere in Genossinnen und Genossen in Parteifunktionen und die Systematisierung der Ansprache und Einbindung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der SPD sind Aufgaben für unsere künftige Parteiarbeit.