(Berliner Stimme, Nr. 12/13, S. 8, 25.06.2011)
Schwarz-Gelb hat 2010 die Arbeitgeberbeiträge in der Krankenversicherung eingefroren und damit jede Kostensteigerung im Gesundheitswesen durch die Einführung von Zusatzbeiträgen einseitig auf die Schultern der versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Rentner und Rentnerinnen verschoben. Nun bedient Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) einseitig die Klientelinteressen der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen. Und erneut werden die Versicherten dafür mit steigenden Zusatzbeiträgen die Zeche zahlen. Vernachlässigt werden die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten.
Schwarz-gelbe Versorgung für die Ärzteschaft
Anstelle des Ausbaus der Patientenorientierung und der Prävention findet eine Ärzteorientierung statt. Die Schere in der medizinischen und pflegerischen Versorgung zwischen Metropolen und ländlichen Gebieten, zwischen alten und neuen Bundesländern, zwischen Gebieten innerhalb von Metropolregionen werden so nicht geschlossen. Auch ärgert mich, dass der Regierungsentwurf auf 165 Seiten die Aufwertung von nicht-ärztlichen und pflegerischen Gesundheitsberufen nicht einmal erwähnt.
Vom nun geplanten Versorgungsgesetz profitiert im Wahljahr 2013 insbesondere die Ärzteschaft in den alten Bundesländern. Gestaffelte Abstriche beim Honorar, eingeführt um den Anreiz zu vieler Behandlungen zu stoppen, sollen gelockert werden - laut Einschätzung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen werden so spezialisierte Fachärzte mit bis zu 5 Mrd. Euro mehr Einnahmen rechnen können. Hinzukommen soll eine nominale sechsprozentige Anhebung der Vergütung der ZahnärztInnen und weitere Verteuerungen.
Schwarz-Gelb belastet Versicherte erneut
Ich prophezeie, dass die Ärztevergütung so zu einem Kostentreiber im Gesundheitswesen wird. Auch nach Ansicht von Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, „läuft es auf eine Kostenwelle in den nächsten zwei, drei Jahren hinaus“. Derzeit verlangen rund ein Dutzend Krankenkassen Zusatzbeiträge. Wird dieser Entwurf Gesetz, werden allein durch die Milliardenausgaben für die ärztliche Honorierung immer mehr Kassen zu Zusatzbeiträgen gezwungen sein. Die Versicherten zahlen die Zeche.
SPD-Bundestagsfraktion: „Entscheidend ist die Patientenperspektive“
Für die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit in der SPD-Bundestagsfraktion ist ein qualitativ hochwertiges und leistungsfähiges Gesundheitswesen bedeutsamer Teil einer öffentlichen Infrastruktur und Daseinsfürsorge. Im Mittelpunkt steht dabei die PatientInnenperspektive.
In unserem Positionspapier bekennen wir SPD-GesundheitspolitikerInnen uns dazu, dass überkommene Sektorabgrenzungen, ungeeignete Planungsgrundlagen, historisch gewachsene Zuständigkeiten, Honoraranteile oder Aufgabenzuweisungen dem Primat der PatientInnenversorgung unterzuordnen und wo nötig, zu ändern sind.
Wir setzen daher auch andere Schwerpunkte hinsichtlich eines notwendigen Versorgungsgesetzes. Angesichts der demographie- und morbiditätsbedingten pflegerischen und medizinischen Mehrbelastungen drängen wir im Einzelnen u.a. auf:
- Die Entwicklung einer Finanzierungslösung für den Krankenhausbereich, mit der die wieder auseinanderklaffende Tarifschere sowohl innerhalb als auch zwischen den Krankenhäusern minimiert wird.
- Die Förderung von Möglichkeiten zur Arbeitsentlastung von niedergelassenen (Haus-)Ärztinnen und Ärzten in unterversorgten Gebieten durch die Anstellung von Praxismitarbeiter/-innen.
- Eine flächendeckende Etablierung der Delegation ärztlicher Leistungen auf speziell geschultes nicht-ärztliches medizinisches Fachpersonal. Auch eine Substitution bisher allein den MedizinerInnen vorbehaltener Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen ist zu prüfen.
- Die Gewährleistung einer umfassenden teilhabeorientierte medizinischen Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen.
- Nicht regulär zu besetzende Arztsitze werden unter Krankenkassen, Medizinischen Versorgungszentren, Kommunen oder Krankenhausträgern ausgeschrieben.
- Bei festgestellter Unterversorgung werden ärztliche Leistungen aus Mitteln der Kassenärztlichen Vereinigungen immer zum vollen Preis vergütet.
- Patientinnen und Patienten erhalten einen notfalls auch gerichtlich durchsetzbaren gesetzlichen Leistungsanspruch auf Entlassungsmanagement gegen ihre Krankenkasse.
Darüber hinaus wollen wir die Honorare für gesetzlich und privat Krankenversicherte - etwa auf die Hälfte der augenblicklichen Differenz - angleichen. (Weitere Informationen zum SPD-Positionspapier finden Sie hier.)
Fazit: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass sich das gesundheitliche Versorgungssystem den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten anpasst, nicht umgekehrt. Die Bundesregierung geht diesen Weg leider nicht. Mit diesem „Versorgungsgesetz“ werden PatientInnen nicht viel, Ärztinnen und Ärzte jedoch eine ganze Menge gewinnen.