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Schwarz-gelbe Privatisierungspläne

(Berliner Stimme, Nr. 17, S. 8, 10.09.2011)

Pflegeversicherung ist für alle Versicherten ein Rechtsanspruch auf Hilfe bei Pflegebedürftigkeit gesetzlich festgeschrieben. Diese Teilkaskoversicherung wurde ständig weiterentwickelt. Unter der Ägide von Ulla Schmidt wurde im Pflege- Weiterentwicklungsgesetz 2008 der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gestärkt, u.a. durch den Rechtsanspruch auf Pflege-Beratung, die Einrichtung von Pflegestützpunkten, die Pflegezeit für pflegende Angehörige, die Verbesserungen der Pflegeleistungen, die Förderung von Prävention und Rehabilitation. Gesichert wurde die Finanzierung der Pflegeversicherung bis 2014/15 durch die paritätische Anhebung des Beitragssatzes um 0,25 Prozentpunkte.

Weitergehende strukturelle Leistungsverbesserungen scheiterten an der CDU/CSU.
Wir brauchen weitere qualitative Verbesserungen für die Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen durch die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes. Wir brauchen unbedingt eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Wir brauchen den Ausbau der solidarischen und paritätischen Umlagefinanzierung der Pflegeversicherung. Die SPD-Bundestagsfraktion hat hierzu umfangreiche Vorschläge vorgelegt. Schwarz-Gelb steht für eine Privatisierung der Pflege. Jüngere Unionsabgeordnete haben gegen die eigene Regierung Druck gemacht und für die anstehende „Pflegereform eine Ergänzung des bestehenden Umlageverfahrens um eine Kapitalrücklage“ gefordert.

Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag sieht vor, dass die umlagefinanzierte soziale Pflegeversicherung durch eine verpflichtende und individualisierte, kapitalgedeckte Privatversicherung ergänzt wird. Diese Aussicht erfreut die private Versicherungswirtschaft
und die Arbeitgeber, führte aber schon 2009 zu massiven gesellschaftlichen Protesten.
Vor wenigen Tagen ließ Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) durchblicken, Eckpunkte zur Pflegereform kämen im September. Auf jeden Fall solle aber eine verpflichtende private Zusatzvorsorge eingeführt werden. Ob die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen, blieb ebenso offen wie die sehr bedeutsame Frage: Was wird an Verbesserungen für die Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, was für die Beschäftigten getan? Was mich empört: Über Geld wird geredet, über Inhalte geschwiegen.

Arbeitgeber unterstützen die FDP

Umgehende Assistenz erhielt das FDPgeführte Gesundheitsministerium durch Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt. Dieser warnt vor einem Anstieg der Beiträge, fordert aber die Einführung eines Kapitaldeckungssystem in der Pflegeversicherung. Wen wundert´s: Die Zusatzbeiträge zahlen die Versicherten alleine, die Beiträge für die Pflegeversicherung werden (noch) paritätisch von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen gezahlt. Mich erschreckt, dass Herr Hundt so tut, als hätte es die Finanzkrise nicht gegeben, als gäbe es auch jetzt die Vernichtung von Kapital nicht. Wer gut ausgebildete, motivierte und flexible Arbeitskräfte haben will, muss endlich aufhören, über Sozialversicherungsabgaben zu lamentieren. „Gute Arbeit“ hat ihren Preis. Gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrem Leben auch Verantwortung für Kinder und pflegende Angehörige übernehmen, gibt es nicht zum Nulltarif. Es gibt für Arbeitgeber keinen realen wirtschaftspolitischen Grund, sich aus der paritätisch zu zahlenden Sozialen Pflegeversicherung rauszuziehen. Pflegeversicherung ist solidarisch zu finanzieren Die Finanzierung der Pflegeversicherung ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen dieses Jahrzehnts. Dabei haben sich die Bedingungen am Wohl der Pflegebedürftigen als auch der hauptund ehrenamtlich Tätigen zu orientieren. Ich spreche mich nicht gegen eine moderate Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge aus. Dieser muss aber ein mehr an Qualität und Sicherheit in den Pflegeleistungen entsprechen.
Ich widersetze mich aber energisch einer einseitigen Belastung der Versicherten durch unsoziale Kopfpauschalen. Diese missachten den Grundsatz der Solidarität und Parität, produzieren einen enormen Verwaltungsaufwand und überfordern viele Geringverdienende. Den Anspruch auf eine menschenwürdige, qualitativ hochwertige Pflege haben alle, nicht nur Reiche. Diese Haltung wird von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, von Gewerkschaften und allen Wohlfahrtsverbänden geteilt.

Bürgerversicherung Pflege

In der SPD-Bundestagsfraktion debattieren wir die Einführung einer Bürgerversicherung Pflege. In diese werden alle entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit einbezogen, werden die Arbeitgeber paritätisch beteiligt. Einbezogen werden soll auch die private Pflegeversicherung. Es geht nicht an, dass hier aufgrund der unterschiedlichen gesund-heitlichen Risikoverteilung Milliarden Euro Rücklagen bunkern und gesetzlich Versicherte benachteiligt werden. Die Finanzierung der Pflegeversicherung ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller.