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Infobrief zum SPD-Konzept der Bürgerversicherung für die Kranken- und Pflegeversicherung

Liebe Genossinnen und Genossen,

bereits 2004 hatte die SPD ein erstes Konzept zur Bürgerversicherung vorgelegt, um unsere Idee einer zukunftsfesten, bezahlbaren, solidarischen Gesundheitsversorgung für alle umzusetzen. Ihr erinnert Euch sicherlich an die damalige Kreisveranstaltung im Rathaus Schönberg mit Andrea Nahles! Die Große Koalition von 2005 bis 2009 hatte unsere Pläne zwischenzeitlich eingefroren. Seit Juli 2010 arbeitet nun wieder eine Projektgruppe „Bürgersozialversicherung“ unter Leitung von Andrea Nahles an einem „grundüberholten“ Konzept der Bürgerversicherung, das nicht nur für die Krankenversicherungen gelten soll, sondern auch unsere Grundlage bei der Neugestaltung der Pflegeversicherung ist.

Am 17.10.2011 haben Andrea Nahles und Karl Lauterbach einen „Vorschlag für ein solidarisches, gerechtes und leistungsfähiges Gesundheitssystem: die Bürgerversicherung“ im Willy-Brandt-Haus vorgestellt, von den Arbeitsschritten der Projektgruppe berichtet und mit Expertinnen und Experten diskutiert. Parallel wird auch in der AG Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion, der ich angehöre, über die weitere Ausgestaltung debattiert.

Unser Plan ist, die Bürgerversicherung nach den Bundestagswahlen 2013, die uns (hoffentlich) wieder in Regierungsverantwortung bringen, möglichst rasch umzusetzen, um so die einseitige Mehrbelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – insbesondere der mit kleinen und mittleren Einkommen – bei der Sozialen Absicherung zurückzunehmen. Dafür arbeiten wir aus der Opposition heraus schon an unseren Plänen, werben öffentlich für diese und eröffnen die Diskussion, um möglichst viele Fragen und Unklarheiten schon bis 2013 zu klären.

Wesentliche Grundentscheidungen zur Bürgerversicherung trifft der Bundesparteitag Anfang Dezember 2011. Über den aktuellen Stand der Dinge möchte ich Euch bereits jetzt informieren.

Die Bürgerversicherung ist keine Einheitsversicherung
Bürgerversicherung meint einheitliche und solidarische Rahmenbedingungen, nach denen Versicherungen ihre Leistungen anbieten können und jeder und jede in freier Wahl eine Krankenkasse für sich wählen kann. Krankenkassen bestimmen wieder selbst ihren Beitragssatz, allerdings ohne Zusatzbeiträge erheben zu dürfen. Damit ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen möglich, aber nicht auf Kosten der medizinischen Leistungen für die Versicherten. Zusatzversicherungen, wie es sie heute schon für Zahnersatz oder gehobenen Service im Krankenhaus gibt, bleiben möglich.

Wie wird die Finanzierung ausgestaltet?
Auch die Bürgerversicherung muss in Zeiten des demografischen Wandels Wege finden, den medizinischen Fortschritt für alle weiter zu finanzieren. Das Finanzierungskonzept ist also von zentraler Bedeutung.

  • Die Arzt-Honorare der privaten und gesetzlichen Kassen sollen in einer Honorarordnung vereinheitlicht werden. Das heißt: gleiches Honorar für gleiche Leistung. Eine unterschiedliche Behandlungsleistung aufgrund verschiedener Versicherungsformen ist damit unterbunden, die 2-Klassen-Medizin wird abgebaut. Auch die Anreize für verstärkte Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten in Regionen mit hohem Privatversicherungsanteil fallen damit weg und sorgen für eine gleichmäßigere flächendeckende Versorgung.
  • Die Finanzierung wird gerechter: Sie wird zu gleichen Teilen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen getragen. Über einen dritten Finanzierungsteil auf Steuerbasis werden auch andere Einkünfte z.B. aus Kapitalerträgen (über eine erhöhte Kapitalertragssteuer) einbezogen. Das verbreitert die Einnahmebasis und sorgt so für mehr finanzielle Stabilität.
  • Durch die sogenannten Reformen unter Schwarz-Gelb wurden künftige Kostensteigerungen einseitig auf die ArbeitnehmerInnenseite abgewälzt: eventuelle Unterdeckungen des Systems sollen durch Kopfpauschalen aller Versicherten aufgefangen werden, die Arbeitgeberbeiträge sind festgeschrieben und können nicht mehr steigen. Diese Regelung wird aufgehoben und durch die Finanzierung auf drei Säulen ersetzt.
  • Mit Einführung der Bürgerversicherung werden alle neu zu versichernden Bürgerinnen und Bürger in diese aufgenommen – die Wahl der Kasse bleibt dabei jedem und jeder frei. Die Monatsbeiträge sind einkommensabhängig, die Mindestbeitragsbemessungs-grenze wird bei der Geringfügigkeitsgrenze liegen, z.Zt. bei 400,01 Euro. Das kommt Selbständigen mit kleinem Einkommen entgegen.

Was ändert sich nicht?
Das Gesundheitssystem in Deutschland ist im internationalen Vergleich hervorragend – und soll es bleiben. An der guten medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten ändert sich durch den Systemwechsel nichts.

Darüber hinaus bleiben auch andere Elemente erhalten, die uns wichtig sind:

  • die freie Arztwahl der Patientinnen und Patienten
  • die freie Kassenwahl der Versicherten
  • die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Ehepartnern ohne eigenes Einkommen.

Innerparteilich wird darüber debattiert, ob

  • die Beitragsbemessungsgrenze auf Arbeitnehmerseite (3.825 € im Jahr 2012) erhalten bleiben soll (und wird nicht auf die der Rentenversicherung von 5.500 Euro angehoben wird).
  • Einkünfte aus Mieten und Verpachtung weiterhin nicht direkt in das Einkommen einbezogen werden, das die Berechnungsgrundlage der Monatsbeiträge bildet.

Was fehlt noch?
Auch auf der Veranstaltung am 17.10. wurde die Frage gestellt, wie eine PrivatpatientIn ihren Wechsel in die Bürgerversicherung konkret gestalten kann. Wie werden die Altersrückstellungen aus der Privatversicherung transferiert? Dazu gibt es Vorschläge, einige Details müssen aber noch weiter juristisch geprüft werden.

Der Steueranteil im System muss noch genauer ausgestaltet werden. Die Erhöhung der Kapitalertragssteuer zur Finanzierung muss festgelegt werden, auch die Berechnung des Verhältnisses von unterschiedlichen Einkommensarten muss noch ausgearbeitet werden.

Wie geht es weiter in Gesundheit und Pflege?
Das Konzept der Bürgerversicherung soll zu einer allgemeinen Bürgersozialversicherung führen, das nicht nur die Krankenversicherung neu gestaltet, sondern auch die Pflegeversicherung. Auch an dieser arbeiten wir zur Zeit sehr intensiv, um sie fit für den Demografischen Wandel zu machen und die Bedürfnisse der Pflegepatientinnen und -patienten und ihrer Angehörigen zu machen. Wir wollen dabei auch die Situation der Pflegefachkräfte und ihre berechtigten Erwartungen auf bessere Entlohnung berücksichtigen. Zusammen keine leichte Aufgabe!

Unsere Finanzierungseckpunkte dabei lauten: Wir wollen eine einkommensabhängige Finanzierung der Pflegeversicherung, in die alle entsprechend ihres Einkommens einzahlen, an der sich die Arbeitgeber paritätisch beteiligen und in der die unterschiedliche Risikoverteilung zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung ausgeglichen werden soll.

Mit diesem Infobrief wollte ich Euch einen Eindruck vom Stand der Dinge geben, alle Einzelfragen und Aspekte können hier nicht erläutert werden. Ich komme aber gern zu Euch zu einer Kreisveranstaltung oder in die Abteilungen, um weitere Fragen zu beantworten und genauere Erläuterungen zu geben. Bitte meldet Eure Terminwünsche für 2012 rechtzeitig in meinem Wahlkreis- oder Bundestagsbüro an!

Die Bürgerversicherung soll ein Kernstück sozialdemokratischer Sozialpolitik werden – daran arbeiten wir an vielen Stellen und mit sehr viel Engagement schon jetzt. Weiterführende Informationen zum Konzept der Bürgerversicherung findet Ihr auch auf meiner Homepage unter: http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/downloads_zur_gesundheitspolitik. Ein Vergleich der Konzepte der Parteien zur Zukunft der Krankenversicherungen findet Ihr hier angehängt.

 Mit herzlichen Grüßen

 Eure Mechthild

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111024 Infobrief Bürgerversicherung.pdf60.81 KB
versicherungsmodelle_der_parteien_im_vergleich.pdf516.22 KB