Vom 16.-18. November habe ich die Republik Moldau besucht. Ziel war die Auswahl der moldauischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am „Internationalen Parlaments-Stipendium“ 2012 des Deutschen Bundestages (IPS). Zu der von mir als Mitglied des Deutschen Bundestages angeführten Delegation gehörten auch Herr Prof. Dr. Michael Bongardt, Vizepräsident der Freien Universität und Herr Ministerialdirektor Berthold Gries von der Bundestagsverwaltung. Wir konnten drei junge Hochschulabsolventinnen auswählen, die nun ab März 2012 fünf Monate lang die Arbeitsweise des Bundestages kennenlernen werden.
Auswahlgespräche und IPS-Informationsveranstaltungen in Chisinau
Sechs Bewerberinnen und zwei Bewerber wurden zum persönlichen Auswahlgespräch geladen. Alle hatten nicht nur die Zulassungsvoraussetzungen wie z.B. sehr gute deutsche Sprachkenntnisse erfüllt, sondern auch die erste Auswahl durch die Deutsche Botschaft durchlaufen. Alle acht hatten angegeben, eine Tätigkeit im Bereich des öffentlichen Lebens von Moldau anzustreben und sich nach ihrer Rückkehr aus Deutschland noch stärker für Demokratie, interkulturelle Offenheit und Toleranz, für Freiheit und ein friedliches Zusammenleben engagieren zu wollen.
Drei Moldauerinnen wurden schließlich von unserer Delegation, einem ehemaligen Stipendiaten und einem Vertreter der Deutschen Botschaft ausgewählt.
Das IPS-Programm genießt in Moldau eine außerordentlich hohe Reputation. Dies wurde sowohl bei der sehr gut besuchten IPS-Informationsveranstaltung in den Räumlichkeiten der Freien Internationalen Universität von Moldau (ULIM) als auch in den Gesprächen mit dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD), der Robert-Bosch-Stiftung und örtlichen politischen Stiftungen deutlich. Auch der Stehempfang auf meine Einladung in der Residenz des Deutschen Botschafters, Herrn Dr. Berthold Johannes, war hochrangig besucht. Mitglieder der Regierung, so die Vizepräsidentin des Parlaments, Liliane Palihovici, waren dort; ebenso weitere Abgeordnete, KulturmittlerInnen sowie ehemaligen IPS-StipendiatInnen, die Alumnis nahmen teil. Auf meinen Wunsch hin waren auch die frisch ausgewählten Stipendiatinnen für 2012 dabei. Reges Interesse fand das IPS-Programm auch bei einem Pressegespräch mit moldauischen JournalistInnen. http://www.allmoldova.com/ro/moldova-news/1249059168.html
Gespräch mit Marian Lupu, amtierender Staatspräsident und Parlamentspräsident
Ziel des IPS-Programms ist es, den Nachwuchs für Tätigkeiten im Bereich des öffentlichen Lebens zu fördern. Das bedarf der Unterstützung. Aus diesem Grunde stand für mich die Kontaktpflege der Regierung zu den 12 IPS-Alumnis im Mittelpunkt des Gesprächs mit dem amtierenden Staatspräsiden und Parlamentspräsident der Republik Moldau, Marian Lupu. Mit Freude habe ich die Zusage aufgenommen, dass es in den kommenden Wochen zu einem Treffen mit den Alumnis kommen soll. Großes Interesse an einer solchen Veranstaltung signalisierte auch Herr Corman, ehemaliger moldawischer Botschafter in Deutschland und Vorsitzender sowohl der moldauisch-deutschen Parlamentarier-Gruppe als auch des Auswärtigen Ausschusses. Der Nachkontakt mit und unter den IPS-Alumnis ist aus Sicht des Deutschen Bundestags Bestandteil des IPS-Programms. Auch die Deutsche Botschaft in Moldau hat dies erkannt und organisiert per facebook eine Kontaktbörse.
http://www.bundestag.de/bundestag/europa_internationales/internat_austausch/ips/nachkontakte.html).
Marian Lupu, Vorsitzender der Demokratischen Partei, ist Parlamentspräsident und bekleidet interimistisch auch das höchste Staatsamt. Europas ärmstes Land ist seit April 2009 ohne gewählten Präsidenten. Auch die für Freitag, den 18. November, angesetzten Präsidentenwahlen sind wieder geplatzt. Weder die regierende pro-europäische „Allianz für die Europäische Integration“ (AIE) aus LiberaldemokratInnen (PDLM), DemokratInnen (PD) und Liberalen (PL) mit 59 Parlamentssitzen noch die kommunistische PCRM mit 42 Stimmen verfügen über eine Mehrheit zur Wahl des Staatschefs. Eine Einigung auf einen Kandidaten, eine Kandidatin war nicht möglich.
Die Jugend Moldaus ist politisch frustriert
Bei allen acht Bewerberinnen und Bewerbern war eine politische Frustration deutlich wahrzunehmen. In einer „Revolution der Jugend“ hatten Jugendliche 2009 insbesondere für eine Öffnung hin zu Europa, für die Abschaffung der Korruption und für mehr Rechtsstaatlichkeit protestiert und gekämpft - ohne ausreichende Resultate. Viele AktivistInnen sind mittlerweile „politisch erschöpft“, hieß es. Umso bemerkenswerter ist der bei allen BewerberInnen spürbare Wille, etwas für ihr Heimatland tun zu wollen.
Die Republik Moldau
Die Republik Moldau ist ein kleines südosteuropäisches Land zwischen Rumänien und der Ukraine. Der einstige „Garten der Sowjetunion“ ist heute Europas Armenhaus. Das statistische Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 165 Euro monatlich, ein Drittel der rund dreieinhalb Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern lebt unter der Armutsgrenze. Über 400.000 Moldauerinnen und Moldauer arbeiten als ArbeitsemigrantInnen in Russland, Italien und Spanien oder Rumänien. Das stellt die Dörfer Moldaus vor kaum lösbare bildungs- und sozialpolitische Herausforderungen weil die Generation der Eltern fehlt. Moldau ist traditionell ein mehrsprachiges Land, nicht wenige Menschen sprechen drei bis fünf Sprachen. Deutsch gehört in der Regel nicht dazu. Aber zunehmend mehr junge Leute versprechen sich vom Erwerb der deutschen Sprache berufliche Vorteile, auch im deutschsprachigen Ausland.