Vor fast einem Jahr übergab die Sachverständigenkommission der Bundesregierung ihr Gutachten zum Ersten Gleichstellungsbericht an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Gefordert wird nichts weniger als eine Kehrtwende in der Gleichstellungspolitik: Gefordert wird eine Politik, die sich einem gemeinsamen Leitbild der wirklichen Wahlfreiheit für Frauen und Männer verpflichtet fühlt - ohne Widersprüche und vor allem ohne strukturelle Fehlanreize. Bundesfrauenministerin Dr. Kristina Schröder verschläft die notwendigen Empfehlungen der Kommission, die sich weitgehend mit den Lösungsvorschlägen SPD-Bundestagsfraktion decken. Im Rahmen der Reihe „Zukunftsdialog - Roll(n) vorwärts“ fand daher am 24. Januar in der Hessischen Landesvertretung die Veranstaltung „Erster Gleichstellungsbericht: Fortschritt für die Schublade?“ der SPD-Bundestagsfraktion statt, an der über 120 GesellschaftsmodernisiererInnen teilnahmen.
Fehlanreize führen zu strukturellen Benachteiligungen im weiblichen Lebensverlauf
Der Gleichstellungsbericht analysiert sehr umfassend die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu den Schwerpunkten Lebensverläufe, rechtlich verankerte Rollenbilder, Bildung, Erwerbsarbeit, Zeitverwendung und Alterssicherung und enthält konkrete Hinweise und drängende Handlungsempfehlungen für die Politik. So sieht Prof. Dr. Ute Klammer, Vorsitzende der Sachverständigenkommission, wirksame Gleichstellungspolitik nur dann als gegeben an, wenn Fehlanreize vermieden werden, damit Entscheidungen keine negativen Folgen für bestimmte Bevölkerungsgruppen oder ein Geschlecht haben. Gerade diese Fehlanreize führen zu großen Risiken im weiblichen Berufsleben und führen häufig zu nichtkorrigierbaren Beeinflussungen des gesamten Lebensverlaufs der Frauen. Deshalb fordert die Kommission unter anderem, die Minijobs abzuschaffen, die Situation von pflegenden Angehörigen zu verbessern und eine Geschlechterquote in Aufsichtsräten einzuführen.
SPD will Geschlechtergerechtigkeit
Für die SPD-Bundestagsfraktion sind die Empfehlungen der Sachverständigenkommission eine Bestätigung: Wir fordern seit langem gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit, fordern einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn sowie ein Messverfahren, dass ungerechte Bezahlung aufdeckt. Deshalb wird die SPD-Bundestagsfraktion ein Entgeltgleichheitsgesetz vorlegen.
Die SPD will weiterhin eine Reform der Minijobs. Reduziert werden soll die Stundenzahl , um Lohndumping entgegenzuwirken und ein neues Kontrollverfahren soll dazu führen, dass es Arbeitgebern erschwert gegen die Rechte auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und gesetzlichen Urlaubsanspruch zu verstoßen. Viele Sozialdemokratinnen sprechen sich aber auch radikal für die Abschaffung aus.
Die SPD will zudem den Rechtsanspruch auf Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeit auf Vollzeit geregelt sehen. Denn Teilzeit ist oftmals unfreiwillig oder mit einer geringeren Stundenzahl als gewünscht verbunden und der Weg zurück in die Vollzeit ist meist versperrt. Teilzeitbeschäftigte haben zudem Nachteile bei der Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg.
Außerdem hält die SPD-Bundestagsfraktion eine Quote für Vorstände und Aufsichtsräte von 40 Prozent für unerlässlich, da Frauen - trotz bester Ausbildung! - die Führungsetagen von Unternehmen nicht erreichen können.
Zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben sein. Hierzu fordert die SPD den qualitativen und quantitativen Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen und einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Dazu gehört aber auch die Weiterentwicklung des Elterngeldes hin zu einer paritätischen Aufteilung zwischen beiden Elternteilen.
Fehlanreize sieht die SPD auch im Steuerrecht. Das Ehegattensplitting entstammt vergangenen Zeiten, in denen das „Ernährermodell“ und der „Einverdiensthaushalt“ in der deutschen Gesellschaft gelebt wurde. Hier durfte die Ehefrau unter Zustimmung des Ehemannes „ein wenig Geld hinzuverdienen“. Diese gesellschaftliche Rollenverteilung und die Subventionierung dieses Rollenbildes sind nicht länger hinnehmbar. Gleichstellung von Männern und Frauen muss auch im Steuerrecht gelten. Es muss zu einer gerechten Lastenverteilung kommen. Das Ehegattensplitting gehört zu Gunsten einer Individualbesteuerung abgeschafft.