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Betreuungsgeld - Zurück in die Fünfziger?

(Erschienen in der Berliner Stimme, Nr. 13, S. 9, 16.6.2012)

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat am 06. Juni den Gesetzentwurf für das umstrittene Betreuungsgeld für Eltern von Kleinkindern auf den Weg gebracht. Damit gehen CDU/CSU und FDP bildungs-, familien- und gleichstellungspolitisch zurück in die Fünfziger. Sie verkennen völlig, dass junge Menschen partnerschaftlich leben wollen. Verkennen, dass wir in einer wissensbasierten Gesellschaft leben. Sie schaden unserer Volkswirtschaft.

Am 29. Juni soll dieses Gesetz im Eiltempo im Bundestag beschlossen werden. Betreuungsgeld sollen Eltern von Kindern zwischen dem 13. und 36. Lebensmonat erhalten, wenn sie keine Kita-Betreuung oder eine Tagesmutter, die kommunal bezuschusst wird, in Anspruch nehmen. Die SPD-Fraktion wird geschlossen dagegen stimmen. Wir überprüfen auch, ob es im Bundesrat gestoppt werden kann. Auf jeden Fall werden wir diese gesetzliche Fernhalteprämie der Kinder von Bildung und der Frauen vom Arbeitsmarkt in unserer Regierungsverantwortung wieder abschaffen.

Das Betreuungsgeld ist das Ergebnis eines Geschachers: Zunächst haben 5 Ministerien gravierende Bedenken dagegen angemeldet. In einem Kuhhandel setzte die FDP im Tausch ihre private Pflegeversicherung durch, den „Pflege-Bahr“. Mit ihrer Zustimmung beerdigte die FDP auch zwei weitere gesellschaftspolitisch seit langem überfällige Vorhaben: die gesetzliche Frauenquote für Führungsgremien in der Wirtschaft und den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.

Die Zeche und den Schaden tragen vor allem die Frauen und diejenigen, die SGB II-Leistungen empfangen. Die daheim Erziehenden sollen ab 2013 zunächst 100 Euro pro Monat für Zweijährige und ab 2014 monatlich 150 Euro für zwei- bzw. dreijährige Kinder erhalten. Das Geld erhalten auch berufstätige Eltern - allerdings nicht SGB II-Empfangende, diese gehen leer aus. Das Ganze soll uns 2013 400 Millionen und ab 2014 1,2 Milliarden Euro kosten. ExpertInnen und Kommunen warnen vor Mehrkosten.

Bedingung für dieses Abspeisen ist der Verzicht der Eltern auf ihren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Dabei fehlen in Deutschland sogar nach eigener Schätzung von Bundesministerin Schröder rund 130.000 Plätze. Wir glauben, dass sogar über 200.000 Kitaplätze fehlen. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Betreuungsplatz ab August 2013 wird von Schwarz-Gelb nicht eingelöst.

Nach der aktuellem Umfrage des AWO-Sozialbarometers lehnen 59 % der Menschen das Betreuungsgeld ab. Der Protest gegen diese rückwärtsgewandte Politik wächst. Ein breites Bündnis von SPD, Grünen, Linke, Piraten über AWO, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Verbänden macht Druck gegen das geplante Betreuungsgeld. In dem Aufruf „Nein zum Betreuungsgeld! Ja zu echter Wahlfreiheit!“ werden die Abgeordneten der Koalitionsregierung aufgefordert, für die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Kita-Betreuungsplätze und gegen die Herdprämie zu stimmen.