Die Folgen des größten Arzneimittelskandals sind nicht bewältigt: weder für die Contergan-geschädigten Menschen selbst noch für den Staat. Noch heute treten immer wieder neue, medizinisch bisher nicht anerkannte Folgen des Thalidomid-haltigen Medikamentes, welches in Deutschland unter dem Namen Contergan bekannt wurde, auf. Der Deutsche Bundestag hat fraktionsübergreifend das Interesse, die Situation der Menschen zu verbessern. Auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion wird Ende 2012, Anfang 2013 eine öffentliche Anhörung durchgeführt, zu der Betroffene und entsprechende Verbände eingeladen werden.
Ende der 50er Jahre bis Anfang der 60er Jahre kamen weltweit über 10.000 Kinder, davon rund 5.000 Kinder in Deutschland, mit zum Teil schwersten Fehlbildungen der äußeren Gliedmaßen sowie auch Schädigungen der inneren Organe zur Welt. Ihren Müttern war während der Schwangerschaft das Beruhigungs- und Schlafmittel Contergan verschrieben worden. Viele Eltern betroffener Kinder verklagten die Firma Grünenthal GmbH. Nach einem fast 10jährigen Klagestreit kam es zu einem Vergleich zwischen dem Unternehmen und der Bundesrepublik Deutschland. 1972 wurde eine Stiftung gegründet, die seit 2005 den Namen "Conterganstiftung für behinderte Menschen" trägt. Mit der Gründung der Stiftung 1972 hat die Bundesrepublik Deutschland die finanzielle Gesamtverantwortung für die Conterganrenten übernommen. Das Conterganstiftungsgesetz wurde in der vergangenen 16. Legislaturperiode zweimal geändert, wesentliche Verbesserungen konnten erzielt werden.
Fakt ist: Die meisten der heute noch etwa 2.700 nach deutschem Recht anerkannten Contergan-Geschädigten können aber mit den von der Stiftung erhaltenen Entschädigungsleistungen bei Weitem nicht ihre täglichen Kosten für Pflege- und Assistenzkosten bewältigen. Die Bundesregierung wurde 2008 in dem fraktionsübergreifenden Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP „ Angemessene und zukunftsorientierte Unterstützung der Contergangeschädigten sicherstellen“ (Drs. 16/11223) aufgefordert, zu prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um der besonderen Lebenssituation der Contergan-Geschädigten insbesondere in Bezug auf Folge- und Spätschäden gerecht zu werden.
Eine der Forderungen war die Vergabe eines Forschungsauftrages in Form einer partizipativ angelegten Längsschnittstudie zur Lebenssituation von Menschen mit Conterganschädigungen im Hinblick auf Spät- und Folgeschäden. In der vom Deutschen Bundestag initiierten und vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg durchgeführten Studie „Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten“ wurden u.a. fast 900 Betroffene befragt. Erste Zwischenergebnisse und Handlungsempfehlungen wurden im Juni 2012 veröffentlicht. Diese, als auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Der Conterganskandal - 40 Jahre nach Gründung der Conterganstiftung“ der Fraktion DIE LINKE (Drs. 17/10401), weist drängenden Handlungsbedarf auf.
Voraussichtlich Ende dieses Jahres wird nun der Abschlussbericht vorliegen. Auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion wird hierzu eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Unser Ziel ist es, die Handlungsempfehlungen der Studie daraufhin zu prüfen, welcher Nachbesserungsbedarf in Bezug auf Folge- und Spätschäden, Erleichterungen bei der Gewährung von Leistungen, die Sicherstellung qualifizierten ärztlichen und anderen Fachpersonals sowie ein geeignetes Beratungs- und Informationsangebot besteht. Wir wollen den Menschen mit Conterganschädigungen konkret helfen. Schon jetzt ist absehbar, dass es zu erneuten Änderungen des Conterganstiftungsgesetzes durch das Parlament kommen muss.