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Das Flughafen-Asylverfahren gehört abgeschafft

(Erschienen in der Berliner Stimme, 17.11.2012,Nr.22 S.9)

„Das Flughafen-Asylverfahren gehört abgeschafft“ fordert die SPD Berlin. Eine humane Flüchtlingspolitik darf für solche Verfahren keinen Platz haben - so auch der Tenor der engagierten Debatte auf der Fraktion vor Ort-Veranstaltung „Wie weiter mit dem Flughafen-Asylverfahren“. Die Landesgruppe Berlin der SPD-Bundestagsfraktion hatte am 31. Oktober zu einer öffentlichen Diskussion im Rathaus Treptow-Köpenick eingeladen. Der Anstoß für die Veranstaltung kam durch einen Offenen Brief des Integrationsausschusses Treptow-Köpenick. In diesem Brief wird die Abschaffung des Flughafen-Asylverfahren auf dem neuen Flughafen Berlin Brandenburg gefordert.
Das Flughafen-Asylverfahren ist 1993 mit dem Asylkompromiss eingeführt worden, um den Luftweg als „letztes Einfallstor“ für Flüchtlinge nach Deutschland zu schließen. Vorgesehen sind 2 Tage für die Anhörung der Flüchtlinge und nur drei Tage Widerspruchszeit im Falle der Ablehnung. Die Konsequenz bedeutet die sofortige Abschiebung. Innerhalb der kurzen Verfahrensfristen können „traumatisierte Flüchtlinge keinen strukturierten Asylantrag stellen“, betonte Wolfgang Thierse. Dadurch kommt es immer wieder zu krassen Fehlentscheidungen. Beispiele dafür nannte Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Er hält das Verfahren für eine Freiheitsentziehung, bei der Flüchtlinge kriminalisiert und stigmatisiert werden. Im September gab es 5 Suizidversuche in der Einrichtung in Frankfurt/Main.

Gezielte Panikmache statt sachlicher Information
Die öffentliche Debatte ist vielfach durch falsche Informationen geprägt: Das Bundesinnenministerium behauptet, das Flughafen-Asylverfahren sei notwendig, falls die Anzahl Asylsuchender wieder ansteige. So prognostiziert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf dem Flughafen BER zukünftig 300 Asylsuchende pro Jahr. Das ist völlig überzogen. Die Antwort der Bundesregierung auf meine Schriftliche Frage belegt: 2011 sind in Schönefeld lediglich 11 und bis Ende August 5 Flüchtlinge gelandet.
Der „Gewahrsam“ auf dem Gelände des neuen Flughafens BER ist bereits eingerichtet. „Über das Flughafen-Asylverfahren muss jetzt öffentlich diskutiert“ forderte Wolfgang Thierse. Das Flughafen-Asylverfahren auf dem Flughafen BER fußt auf falschen Zahlen und ist ineffektiv und teuer. „Die Diskussion kann nicht ohne Emotionen geführt werden“, betonte Sven Schmohl, Integrationsbeauftragter des Bezirkes Treptow-Köpenick. Ziel des Flughafen-Asylverfahrens ist die Abschreckung von Flüchtlingen. Dabei sollte Deutschland Menschen Schutz geben, die von Verfolgung, Folter und Tod bedroht sind.

Auch Willy Brandt war Flüchtling
Daran erinnerte Aziz Bozkurt, Landesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt der SPD Berlin. Willy Brandt, der mit falschem Namen und Papieren vor den Nazis nach Norwegen flüchtete, würde nach heutigem Recht kein Asyl erhalten. In Anspielung auf den neuen Flughafen BER meinte Bozkurt: „Die Schweiz hat eine Marine, aber keine Küste. Wir haben noch keinen neuen Flughafen, aber bereits ein fertiges Gebäude zur Durchführung des Flughafen-Asylverfahren“.

Berliner SPD für Abschaffung des Flughafen-Asylverfahrens
Auf dem letzten Landesparteitag hat die SPD wichtige Beschlüsse für eine humanere Flüchtlingspolitik beschlossen. Die Berliner SPD setzt sich für eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung von Asylflughafenverfahren ein. Der „Asylgewahrsam“ am neuen Flughafen BER soll nicht in Betrieb genommen werden, damit schutzsuchende Menschen ihr Recht auf ein faires Asylverfahren wahrnehmen können. Beschlossen wurde auch der Antrag „Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!“ – also deutliche Forderungen an die SPD-Bundestagsfraktion. Ich mache mich dafür stark.

SPD-Bundestagsfraktion: Für eine humanere Flüchtlingspolitik
Die Ignoranz der Bundesregierung gegenüber Flüchtlingen ist unerträglich. Das zeigte sich in der Aktuellen Stunde im Bundestag. Die dumpfen Parolen aus den 90er Jahren wurden wieder herausgeholt: Ängste vor Asylmissbrauch, Schlepperbanden, Missbrauch des Sozialstaats, Überfremdung geschürt. All das stimmt mit den Fakten nicht überein. Während 1993 323.000 Asylanträge gestellt wurden, werden in diesem Jahr etwa 60.000 erwartet.
Die Bundesregierung hat seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli nichts getan. Dabei haben die RichterInnen festgestellt, dass die Leistungen für AsylbewerberInnen und Kriegsflüchtlinge menschenunwürdig sind.
Die auf dem Pariser Platz demonstrierenden Flüchtlinge haben es geschafft, dass ihre Forderungen in der Öffentlichkeit mehr Gehör finden. Ich war mehrmals - nachts als auch tagsüber – zu Gesprächen bei den Flüchtlingen. Besonders danke ich Senatorin Dilek Kolat und Staatssekretär Farhad Dilmaghani für ihr Engagement und die wichtigen Vermittlungsgespräche.
Viele der Forderungen der Flüchtlinge auf dem Pariser Platz sind bereits Positionen der SPD-Bundestagsfraktion: Wir fordern in unserem Antrag „Mehr Bewegungsfreiheit für Asylsuchende und Geduldete“ die Abschaffung der Residenzpflicht für AsylbewerberInnen und Asylbewerber, lehnen die Länge des Verfahrens laut Asylbewerberleistungsgesetze ab, fordern die Abkehr vom Sachleistungsprinzip.
Das klare Fazit der Veranstaltung: Ein weiter so des Flughafen-Asylverfahrens darf es nicht mehr geben! Wir werden die Diskussion für eine progressive Flüchtlingspolitik zusammen mit Flüchtlingsorganisationen und -initiativen fortsetzen.