(Erschienen in der Berliner Stimme, 1.12.2012,Nr.23 S.6)
Steigende Mieten bewegt in Schöneberg viele Menschen. Deswegen habe ich am 21. November in enger Kooperation mit dem Stadtteilverein Schöneberg eine Fraktion vor Ort-Veranstaltung zum Thema „Ist Wohnen noch bezahlbar?“ im Nachbarschaftszentrum PallasT in der Potsdamer Straße durchgeführt. Sehr gefreut hat mich die bunte Mischung der Diskutierenden: interessierte BürgerInnen, VertreterInnen des Berliner Mietervereins und Genossenschaften, Landespolitiker und Hauseigentümer. Auslöser für die Veranstaltung waren meine vielen „Sommerfrühstücke“ mit VertreterInnen von Vereinen, Projekten und Initiativen. Hier wurde sehr schnell deutlich: Bezahlbare Mieten sind ein Thema, bei dem den Menschen so richtig der Schuh drückt.
Die Geschäftsführerin des Stadtteilvereins Schöneberg, Annette Maurer-Kartal, schilderte die spürbare große Unsicherheit im Kiez. Viele Menschen haben Angst, ihr Zuhause zu verlieren. „Das was unseren Stadtteil attraktiv macht, droht durch die steigenden Mieten zu verschwinden“, mahnt Maurer-Kartal. Gemeint sind zivilgesellschaftliches Engagement, Nachbarschaftshilfe und sozialer Zusammenhalt.
Zum Thema soziales Mietrecht für alle habe ich daher meinen Hamburger Kollegen Ingo Egloff eingeladen. Als Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion stellte er fundiert die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt in den Ballungszentren wie Berlin, Hamburg oder München dar. Überall wird die angestammte Bevölkerung aus den Stadtzentren verdrängt. Bereits heute geben Menschen durchschnittlich 34 % ihres Einkommens für Miete und Energiekosten aus. Damit ist für Viele längst die Schallgrenze erreicht. „Wenn das soziale Gefüge auseinanderfliegt, weil sich Einige eine goldene Nase verdienen, muss gesetzlich gehandelt werden“. Das von der Bundesregierung in den Bundestag eingebrachte Mietrechtsänderungsgesetz wurde von allen ExpertInnen als „Mietrechtsverschlechterungsgesetz“ auseinandergenommen. Ausnahme: die Vertreter der Vermieterlobby. Deren Forderungen sollen aber auch eins zu eins durchgesetzt werden.
Mietobergrenzen werden zu Mietuntergrenzen
Dass die Mietobergrenzen des Jobcenters zu Mietuntergrenzen auf dem Wohnungsmarkt werden, stellte auch Susanne Cokgüngör, Geschäftsführerin von Jugendwohnen im Kiez e.V., heraus. Dieser Träger betreut Jugendliche in Wohngemeinschaften und Einzelwohnungen. Vor allem in den Innenstadtbezirken finden die jungen Erwachsenen in ihrem Kiez keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Ihr selbständig werden ist mit der Verdrängung aus ihrem Heimatkiez, häufig an den Stadtrand, verbunden. So verlieren sie ungewollt ihr soziales Umfeld. Wohnraum ist Lebensraum und das soziale Umfeld das Zuhause. Gefährdet werden so langjährige und teure Betreuungserfolge.
Auch für die Träger selbst wird es immer schwieriger, Wohnungen für betreutes Einzelwohnen oder für WG‘s zu finden. Bezahlbarer Wohnraum ist oft in einem schlechten Zustand und bedarf hoher Sanierungs- und Renovierungsarbeiten. Cokgüngör forderte: Ein Teil des Wohnungsmarktes muss geschützt sein. Jugendhilfeträger müssen Wohnungen mit Wohnberechtigungsschein anmieten können.
Die Berliner Mischung erhalten
Maurer-Kartal kennt sozial engagierte Vermieter im Kiez. Leider werden diese immer weniger, zumal sie häufig Schwierigkeiten haben, notwendige Kredite zu erhalten. Zunehmend werden deren Häuser und Wohnungen an Fonds verkauft, deren Hauptziel eine hohe Rendite ist. Wohnungen werden so zu Spekulationsobjekten.
Ingo Siebert, Geschäftsführer des August-Bebel-Institut, bezeichnete diese Entwicklung als „Wohnen im Casino-Kapitalismus“. Er forderte die Diskussion grundsätzlicher Fragen wie „Wem gehören die Wohnungen? Wem gehört die Stadt?“. Dem Kapitalmarkt sollen möglichst viele Wohnungen entzogen werden. Stattdessen ist der Anteil von städtischen und genossenschaftlichen Wohnungen zu erhöhen. Sein Ziel: Die sozialräumliche Polarisierung bekämpfen, damit die Berliner Mischung erhalten bleibt.
Der Berliner Senat reagiert bereits mit einem Bündel an Maßnahmen auf die zugespitzte Wohnungsmarktlage. Gebremst werden soll der Anstieg der Mietpreise zum Beispiel durch das „Bündnis für soziale Mieten“ mit sechs kommunalen Wohnungsunternehmen. Geplant ist der Bau von 30.000 Wohnungen in den nächsten fünf Jahren. Beabsichtigt ist auch eine Änderung der Landeshaushaltsordnung, damit landeseigene Flächen den kommunalen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften billiger angeboten werden können. Ein Zweckentfremdungsverbot soll das Ausufern von Ferienwohnungen eindämmen.
Mein Fazit aus der Diskussion: Das Berliner Flair, unsere soziale Mischung darf nicht verloren gehen. Soziale Ausgrenzung, Ghettoisierung und eine Entwicklung hin zu Pariser Banlieues sind unbedingt zu vermeiden!.
In Deutschland leben 24 Millionen Menschen zu Miete. Für Peer Steinbrück sind bezahlbare Mieten eine entscheidende soziale Frage. Bei der Lösung werde ich ihn gerne unterstützen.