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Kostenexplosion bei Infrastrukturgroßprojekten S21 und BER

Rede vom 14. Dezember 2012 anlässlich der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Versagen der Bundesregierung angesichts der Kostenexplosion bei Infrastrukturgroßprojekten S21/BER“:

 

 


 

 

Link zum Video in der Mediathek des Deutschen Bundestages


Sehr geehrte/r Herr Präsident, Frau Präsidentin
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Mittwoch dieser Woche habe ich den Berliner Tagesspiegel aufgeschlagen und war überrascht: Da standen nämlich Details aus der letzten Sitzung der von Herrn Ramsauer eingerichteten Sonderkommission zum Flughafen BER. Zitiert wurde dabei aus dem Protokoll der Sitzung vom 6. Dezember.

Meine Damen und Herren,
wie kann es sein, dass der Tagesspiegel aus einem Protokoll zitiert, das noch nicht einmal den Gesellschaftern der Flughafengesellschaft vorliegt, obwohl der Chef der Berliner Senatskanzlei und der Chef der Brandenburgischen Staatskanzlei ausdrücklich um die Protokolle der SoKo-Sitzungen gebeten hatten?

  • Warum hat Herr Ramsauer eine SoKo zum BER, nicht aber zur neuen BND-Zentrale eingerichtet, obwohl der Kostenanstieg hier viel markanter ist?
  • Warum hat Herr Ramsauer keine Sonderkommission zu Stuttgart 21 eingerichtet?
  • Warum hat Herr Ramsauer keine Sonderkommission zum neuen Regierungsflughafen eingerichtet, dessen Inbetriebnahme sich noch viel länger, nämlich bis 2016 / 2017 verzögert?

Könnte es nicht sein, dass der Bund mit Herrn Ramsauer an der Spitze mit der SoKo zum BER von eigenen Problemen ablenken will und Nebelkerzen zündet? Könnte es nicht sein, dass es nicht um die Sache, sondern um die Wahlkämpfe in Bayern und im Bund geht? Woher bezieht die SoKo eigentlich ihre Legitimation, Vernehmungen vorzunehmen, wie es in der Presse heißt?

Herr Ramsauer verhält sich hier nicht wie ein verantwortlicher Gesellschafter der Flughafengesellschaft. Zur Erinnerung: 26 Prozent gehören dem Bund. Nein, er zielt darauf ab, seine Mitgesellschafter Berlin und Brandenburg aus politischen Motiven zu schädigen.

Es erweckt fast den Eindruck, dass es nicht das Ziel von Herrn Ramsauer ist, den Hauptstadtflughafen BER sobald wie möglich an den Start zu bringen. Es scheint eher so zu sein, dass er es gar nicht so sehr bedauern würde, wenn das Projekt bis zur Bundestagswahl nicht aus den Negativschlagzeilen herauskäme.

Würden Sie als Bundesminister zu ihrer Verantwortung als Gesellschafter stehen, würde Sie ihre Energien in die Finanzierung des Flughafens lenken. Während Berlin und Brandenburg zügig gehandelt und Mittel nachgeschossen haben, eiert der Bund rum. Auch im Haushaltsausschuss vom Mittwoch wurde mit der Bewilligung von 85 Mio. nicht die gesamten erforderlichen Mittel freigegeben, sondern nur ein Teilbetrag. Sehenden Auges nimmt man damit in Kauf, dass sich nicht nur die Firmen fragen, ob der Bund überhaupt zu dem Projekt steht. Während die beiden Länder an einem Erfolg des wichtigsten Infrastrukturprojektes in Ostdeutschland interessiert sind, schickt das Verkehrsministerium lieber vertrauliche Informationen an Tagesspiegel, BILD und Co.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union,
Ich frage mich wirklich, was ist eigentlich bei Ihnen los?

Die CDU im Berliner Senat und im Berliner Abgeordnetenhaus stimmt für die Mittel. Doch hier im Bundestag sorgen Sie zuerst für die Sperrung der Mittel, und am Mittwoch geben Sie nur die Hälfte frei!

Liebe Kollegin Vogelsang, Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion,
warum fallen Sie ihren eigenen Parteifreunden im Berliner Senat in den Rücken?

Und um das Chaos perfekt zu machen, will die Brandenburger CDU jetzt auch noch Sperenberg als Flughafen ausbauen. Ein aufgeschreckter Hühnerhaufen ist gar nichts dagegen!

Hören Sie endlich mit diesen Finanztricksereien im Haushaltsausschuss auf, denn so beschädigen Sie den Hauptstadtflughafen.

Die CDU Brandenburg hat den Vogel abgeschossen. Sie hat ein Gutachten bestellt, bei dem rauskam, der Flughafen BER wäre viel zu klein. Dummerweise hat der gleiche Gutachter früher behauptet, der Flughafen wäre viel zu groß und überdimensioniert. Das nenne ich eine Realsatire.

Meine Damen und Herren,
und dann noch ein paar klärende Worte zu den Mehrkosten:

Die Flughafengesellschaft braucht zur Fertigstellung des Flughafens inklusive der Umsetzung des erweiterten Lärmschutzes nach jetzigem Stand weitere Finanzmittel in Höhe von 1,2 Mrd. Euro. Soweit richtig.

Die wachsenden Passagierzahlen in Berlin – eine Verdopplung innerhalb der letzten zehn Jahre – haben dazu geführt, dass die Planungen des Flughafens angepasst werden mussten. Allein das Terminal wurde so von ursprünglich 220.000 auf 360.000 Quadratmeter vergrößert. Zwei zusätzliche Piers wurden ebenso gebaut wie Doppelstockbrücken, um die Drehkreuz-Funktion des Flughafens zu ermöglichen. Diese zusätzlichen Investitionen haben rund 600 Mio. Euro betragen.

Auch die 305 Mio. Euro für den zusätzlichen Lärmschutz hätten unabhängig von der Verschiebung gezahlt werden müssen, um höheren Anforderungen gerecht zu werden. Diese Anforderungen haben sich aus einem Gerichtsurteil vom Juni dieses Jahres ergeben.

Im Ergebnis wird der Lärmschutz am neuen Flughafen weit besser sein als an irgendeinem anderen großen deutschen Airport. Wer so tut, als wäre der Lärmschutz in Frage gestellt, agiert bewusst fahrlässig. Niemand stellt ihn in Frage!

Meine Damen und Herren,
Richtig ist, dass wir künftige Großprojekte besser planen, umsetzen und kommunizieren müssen. Wir müssen Antworten auf folgende Fragen geben:

  • Wie können wir es schaffen, Zeit- und Kostenrahmen besser einzuhalten?
  • Wie können wir erreichen, dass Baufirmen keine unrealistischen Bewerbungen einreichen oder horrende Nachforderungen stellen?
  • Und wie können wir es schaffen, unsere Bürgerinnen und Bürger stärker in die Entscheidungsprozesse einzubinden?
  • Wir wollen also demokratische Planungen von Großprojekten, wir wollen gute Managementmethoden.

Ich bin auf jeden Fall fest davon überzeugt:

Will Deutschland seinen Status als führende Wirtschaftsnation behalten, müssen Großprojekte auch künftig möglich sein. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen uns einen Abschied vom Fortschritt nicht leisten.

Wir brauchen in Deutschland auch weiterhin zukunftsorientierte Infrastruktur- und Innovationsmaßnahmen, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu erhalten!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.