„Das zerrissene Leben“ - so die Überschrift der bewegenden autobiographischen Rede von Inge Deutschkron während der Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestags für alle Opfer des Nationalsozialismus. Die inzwischen 90-jährige Inge Deutschkron gehört zu den nur etwa 1.700 von ehemals 200.000 Berliner Jüdinnen und Juden, die den Holocaust überlebt haben.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1945 erklärte die Mutter der damals knapp elfjährigen Inge Deutschkron: "Du gehörst nun zu einer Minderheit“. Sie, die als Sozialistin aktiv gegen die Nazis kämpft, sagte auch „Lass Dir nichts gefallen, wehr dich“. Was das für sie und ihre Familie bedeutete, schilderte die deutsch-israelische Schriftstellerin am 30. Januar 2013 in der Gedenkstunde des Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus.
Ab 1942 waren alle Juden und Jüdinnen jedweden Alters gezwungen, den „gelben Stern“ zu tragen. Beklemmend die Schilderungen von Inge Deutschkron über die dadurch geschaffene „diskriminierende Isolation". Die Mehrheit der Deutschen nahm teil an den Beleidigungen und Demütigungen, guckte einfach weg - auch angesichts der ab dem 27. Februar 1943 erfolgenden Deportationen. Sie, die in der Illegalität überlebte, verfolgt seitdem ein Gefühl von Schuld:„Mit welchem Recht, so fragte ich mich, verstecke ich mich, drückte ich mich vor einem Schicksal, das auch das meine hätte sein müssen? Dieses Gefühl von Schuld verfolgte mich, es ließ mich nie wieder los.".
"Ach, wäre das doch die Wahrheit gewesen!"
Inge Deutschkron schilderte auch die ersten Jahre im Nachkriegsdeutschland. Diese waren erneut von großem Verdrängen geprägt. In dieser Zeit sei das deutsche Volk von seinem ersten Kanzler - gemeint ist Konrad Adenauer - beschützt worden: Dieser habe im Parlament behauptet, die Mehrheit der Deutschen wären GegnerInnen der Verbrechen an den Juden gewesen. Viele hätten den Juden sogar geholfen, ihren Mördern zu entkommen. "Ach, wäre das doch die Wahrheit gewesen!" Sie selbst habe beschlossen, die Wahrheit lückenlos aufzuschreiben, präzise und emotionslos, "so wie ich es mit eigenen Augen gesehen hatte".
"Vergleichbares darf nie wieder geschehen"
Wie besessen sei sie von der Idee gewesen, dass Vergleichbares nie wieder geschehen dürfe!
Diesem Aufruf, diesem Appel haben wir alle Folge zu leisten. Das ist aktives Gedenken. Das ist Übernahme von Verantwortung - 80 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialismus. Verteidigen wir unsere Demokratie, zeigen wir Gesicht gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen Antisemitismus und Islamophobie. Zeigen wir Gesicht für Offenheit und Toleranz, für Menschlichkeit.
Die SPD-Bundestagsfraktion strebt ein Verbot der in Teilen gewaltbereiten, rassistisch und antisemitisch agierenden NPD an. Wir werden deshalb diese Woche beantragen, dass der Innenausschuss und der Rechtsausschuss die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zur NPD prüfen und eine Empfehlung an den Bundestag aussprechen soll. Ich hoffe, dass sich andere Fraktionen unserem Vorhaben anschließen und unseren Antrag nicht einfach nur niederstimmen.