Zwischenbericht über mein FSJ-Politik/Demokratie
Halbzeit in meiner „FSJ-Karriere“: Seit nunmehr 6 Monaten absolviere ich ein FSJ-P/D (Freiwilliges Soziales Jahr im Politischen Leben/in der Demokratie) bei Mechthild Rawert, der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten für Tempelhof-Schöneberg. Sehr interessiere ich mich für ihre vielfältigen Politikfelder wie Gesundheitspolitik, Strategien gegen Rechtsextremismus und Migration/Integration, Inklusion, Bürgerschaftliches Engagement, Demografischer Wandel, Verteilungsgerechtigkeit. All diese Politikfelder durchzieht wie ein roter Faden ihr Kampf für die Gleichstellung von Frau und Mann. Auch mir ist das Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Frauen und Männern „auf Augenhöhe“ sehr wichtig.
Das Spannende an Politik ist für mich: Politik geht alle an. Jede und Jeder kann durch eigene politische Aktivität unsere Gesellschaft prägen und voranbringen. Jede Bürgerin, jeder Bürger entscheidet als Teil des Volkes, als Teil des Souveräns, darüber, welche Politik in unserem Land gemacht wird. Seit der Wahlrechtsreform im Februar 2013 ist der unverfälschte Wähler- und Wählerinnenwille sichergestellt. Die Zahl der Überhangmandate ist begrenzt, dafür das Verhältniswahlrecht gestärkt. Ich wünsche mir, dass alle an der Bundestagswahl am 22. September teilnehmen. Nicht zu wählen ist uncool.
Arbeitsstelle bei Mechthild Rawert
Das Bundestagsbüro ist Unter den Linden 50, wenige Fußminuten vom Reichstagsgebäude, vom Jakob-Kaiser-Haus, dem Paul-Löbe-Haus und Marie-Luise-Lüders-Haus entfernt.
Wie bei allen FSJ-P/D-lerInnen wird die Arbeitszeit vom Betrieb festgelegt, soll aber mindestens 32 Stunden und darf nicht mehr wie 40 Stunden betragen. Wir haben 37 Stunden vereinbart. Besonders in den Sitzungswochen ist sehr viel zu tun, an anderen auch mal weniger. Ein Arbeitsausgleich ist also vorhanden.
Das Team um Mechthild Rawert besteht im Bundestagsbüro aus vier MitarbeiterInnen (drei wissenschaftliche MitarbeiterInnen, ein studentischer Mitarbeiter) und zwei weiteren MitarbeiterInnen im in Tempelhof beheimateten Wahlkreisbüro. Begrüßenswert ist die Bereitschaft aller, dass auch StipendiatInnen und (Schüler)PraktikantInnen aufgenommen werden. Alle behandeln mich wie einen „richtigen“ Mitarbeiter, also auf Augenhöhe. Wir lachen auch viel und haben Spaß miteinander.
Von Anfang an habe ich das Team bei der allgemeinen Büroarbeit, bei Veranstaltungsorganisationen und Rechercheaufgaben unterstützt, außerdem an verschiedenen Arbeitsgruppen und Ausschüssen des Deutschen Bundestages teilgenommen. Obwohl sich Aufgaben im Arbeitsalltag immer wieder wiederholen, machen sie sehr viel Spaß, da sie abwechslungsreich sind und ich mich über die verschieden politischen Themen immer neu informiere. Mittlerweile besuche ich ausgewählte Veranstaltungen auch alleine und verfasse darüber einen Artikel für die Website von Mechthild Rawert.
Außerdem nehme ich am sehr interessanten und vielfältigen PraktikantInnenprogramm der SPD-Bundestagsfraktion teil. Dieses bietet viele tolle Inhalte: Ich lerne in Fachgesprächen mit ausgewählten SPD-Bundestagsabgeordneten deren Politikfelder kennen. Auch konnte ich den Bundesrat und das Bundeskanzleramt besuchen.
Trägerorganisation ijgd und Seminartage/wochen
Das FSJ-Politik/Demokratie findet in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd) statt und dauert in der Regel 12 Monate. Es ist eine Vollzeitbeschäftigung bei einem Anspruch auf mindestens 26 Urlaubstage. Die „Freiwilligen“ erhalten ein festgelegtes Taschengeld (300 Euro) und sind sozialversichert. Fester Bestandteil des Programms sind fünf einwöchige Bildungsseminare zu bildungspolitischen Themen und Inhalten.
Die erste Seminarwoche fand Ende Oktober 2012 statt und diente auch dem Kennenlernen meiner „FSJ-P/D-KollegInnen“ und ihrer Einsatzstellen. Zwei lernten wir durch Besuche näher kennen: In der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sahen wir einen bewegenden Film über die InsassInnen der Haftanstalt Hoheneck. In der DDR waren viele der politisch anders denkenden Frauen missbraucht und misshandelt worden. Beim American Jewish Comittee wurde intensiv zum damals sehr aktuellen Thema Beschneidung diskutiert. Auch andere FSJ-P/D-lerInnen arbeiten bei einer bzw. einem MdB. Unsere Aufgaben sind grundsätzlich vergleichbar, aber ich habe mehr Möglichkeiten auch außerhalb der Büroräume etwas zu tun.
Neben den politischen Inhalten steht bei den Seminarwochen das soziale Lernen und Selbstorganisation im Mittelpunkt. Säulen einer jeden Seminarwoche sind u.a.: Emanzipation der Geschlechter, Ökologisches und Soziales Lernen sowie Interkulturelles Lernen und Selbstorganisation u.a. beim Essen, Kochen und Putzen. So wuchs unsere Gruppe von Tag für Tag mehr zusammen.
Mittlerweile haben weitere Seminartage und eine zweite Seminarwoche im Januar 2013 stattgefunden. Ein besonderes Highlight war der Rhetorik-Tag. Zwei erfahrene Coaches ließen uns nach 10-minütiger Vorbereitungszeit eine Rede schreiben und analysierten diese dann anschließend. Alle haben diese Herausforderung mit Bravour geschafft.
Zwischenfazit meines FSJ-p
Jede/r mit Interesse an Politikgestaltung ist für ein FSJ-P/D geeignet. Mitzubringen sind auch Zuverlässigkeit, Fleiß und Disziplin. Ich habe viele Eindrücke und Kenntnisse, aber auch mehr Selbstständigkeit und Teamfähigkeit gelernt. Konflikte gab es bisher keine, was auch der Verdienst eines wirklich tollen Teams im Bundestagsbüro und der meiner FSJ-P/D-„KollegInnen“, mit denen ich mich sehr gut verstehe, ist.
In den kommenden Monaten werde ich neben den Seminarwochen auch Fortbildungsmöglichkeiten im Deutschen Bundestag nutzen. So beispielsweise Schulungen im IT-Bereich (z.B. Word, Excel, Power Point oder andere Datenbankprogramme) über die ich auch ein für die Zukunft nützliches Zertifikat erhalte.
Jeder FSJ-P/D-Tag bisher war wirklich schön und erlebnisreich. Der Mix aus wiederkehrenden Elementen (Büroorganisation) und abwechslungsreichen Elementen (z.B. verschiedene Veranstaltungen) macht jeden Tag zu einem spannenden Erlebnistag. Deshalb kann ich wirklich Jeder und Jedem ein Freiwilliges Soziales Jahr im Politischen Leben/in der Demokratie (FSJ-P/D) nur weiterempfehlen.
Jürgen Finke, FSJ-P/D