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Genitalverstümmelung: „Danach bin ich sauber“

„Lebenslinien“ lautet das Motto des Frauenmärz 2013 in Tempelhof und Schöneberg. Zu den schmerzlichen Lebenslinien vieler Frauen in den Ländern Afrikas und auch unter den hier in Deutschland lebenden Afrikanerinnen gehört die weibliche Genitalverstümmelung. Ich danke den Veranstalterinnen des Frauenmärzes 2013, dass sie den Mut hatten, dieses grausame, das Leben vieler Frauen prägende und jahrtausendealte Ritual zum Thema zu machen. Und ich danke den vielen Frauen, die am Sonntag, den 17. März 2013, in den Varieté-Salon der ufaFabrik in Tempelhof gekommen sind, um sich den bewegenden Film „Wüstenblume“ anzuschauen und über dieses unter die Haut gehende Thema zu diskutieren.

„Wüstenblume“ - vom Nomadenmädchen zur UNO-Sonderbotschafterin gegen weibliche Genitalverstümmelung
Ich bewundere den mutigen Kampf von Waris Dirie um ihre Selbstbestimmung. Der Film zeigt den Weg des Nomadenmädchens aus Somalia zu einem der gefragtesten Top-Modells der Welt. Waris Dirie wurde von 1997 bis 2003 Uno-Sonderbotschafterin gegen die Beschneidung. 2002 gründete sie ihre eigene Organisation, die Waris Dirie Foundation, von der sie sagt: „Das erste Ziel meiner Stiftung ist, die Leute zu erziehen, die Welt zu informieren und die Debatte um die Beschneidung in den ersten Rang der Themen zu stellen, über die man spricht. Das Thema Beschneidung muss in den Köpfen permanent präsent sein. … Jetzt befindet sich die Frage in den Händen der Politiker der ganzen Welt. Es ist nicht mehr nur mein Problem, sondern das Problem von uns allen. Es leiden weiterhin tausende Frauen. Ich möchte gerne, dass man endlich versteht, dass das nicht normal ist.“

Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung
Was der richtige Weg ist, um dieses fast 5000 Jahre alte Ritual zu beenden, wird weltweit diskutiert. Ergebnis unserer Diskussion war: es gibt mehrere Wege! Alle haben mit Aufklärung und Information vor allem vor Ort, vor allem bei den betroffenen Frauen zu tun, um vor allem die eigenen Töchter, Nichten und Enkelinnen schützen zu können.

In der ufaFabrik diskutierten die mittlerweile 86-jährige Jeanne Martin Cissé, Sozialministerin in Guinea, ständige Vertreterin Guineas bei den Vereinten Nationen, 1973 die erste Frau der Welt, die den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen leitete. Und Hadja Kitagbe Kaba, aus Guinea stammend, mit sieben Jahren beschnitten - auf eigenen Wunsch, um endlich „eine Frau zu sein". Erst Studienaufenthalte in Europa hätten ihr deutlich gemacht, dass es sich um eine Menschenrechtsverletzung handelt. Sie gründete 2001 den in Berlin-Reinickendorf ansässigen Verein Mama Afrika e.V. mit dem Ziel, dieses Schicksal nicht nur den eigenen Töchtern und Enkelinnen zu ersparen sondern auch die weibliche Genitalverstümmelung in Guinea durch Informations-, Aufklärungs- und Bildungsprojekte über die physischen und psychischen Folgen der Beschneidung aufzuklären und diesem jahretausendealten Brauch ein Ende zu setzen. Und Dr. Edda Brandes, Präsidentin von Benkadi e.V., einem von ihr 2004 gegründeten Verein mit dem Ziel der „Förderung des kulturellen Lebens in Afrika“ basierend auf dem Fundament des Interkulturellen Dialoges. Der Verein wirkt hauptsächlich in Mali. Und Dr. Edith Bauer, TERRE DES FEMMES und Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF). Beide Vereine kämpfen für die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frau und eine bessere Gesundheitsversorgung für Frauen. Und Sybill Schulz, Geschäftsführerin des Familienplanungszentrum Berlin e.V. - Balance. Dort trifft sich auch der Runde Tisch „Stopp FGM in Berlin/Brandenburg“, einem Zusammenschluss von Institutionen, Verbänden und Krankenhäusern, der sich mit den vielfältigen Herausforderungen im Recht und bei der Gesundheitsversorgung von beschnittenen Frauen rund um die „Female Genital Mutilation“ - auch hier in Berlin und Brandenburg – kümmert. Sowie Mechthild Rawert (SPD), Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg, Mitglied des Gesundheitsausschusses und Berichterstatterin für Frauengesundheit. Die Diskussion wurde moderiert von Juliane Hielscher, ZDF.

Uns allen muss klar sein, dass bereits die „leichteste“ der vier Typen weiblicher Genitalbeschneidung, das Entfernen der Klitoris, für einen Jungen bereits gleichbedeutend mit einer Entfernung des gesamten Penis ist. Die weibliche Genitalbeschneidung bzw. weibliche Genitalverstümmelung - Begriffe, über deren Gebrauch die Community streitet - ist mit lebenslangem Leiden und einer dramatischen Einschränkung des sexuellen Erlebens verbunden.

SPD gegen Genitalverstümmelung
Die Bundesregierung sieht beim Thema Genitalverstümmelung keinen „gesetzgeberischer Handlungsbedarf“, da sie nach geltendem Recht bereits strafbar sei. Dies betont die Bundesregierung in ihrer Antwort (Drs. 17/9005) auf die Kleine Anfrage „ Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung“ der SPD-Bundestagsfraktion vom 29. Februar 2012. Nach eigenen Angaben verfügt die Bundesregierung über keine „eigenen gesicherten empirischen Erkenntnisse beziehungsweise Daten“, wie viele in Deutschland lebende Frauen und Mädchen derzeit von Genitalverstümmelung betroffen sind. Nach Einschätzung von „TERRE DES FEMMES - Menschenrechte für die Frau e.V.“ sind in Deutschland 18.000 bis 20.000 Mädchen und Frauen von Genitalverstümmelung betroffen und etwa 4.000 der hier lebenden Menschen und Frauen sind derzeit gefährdet, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden.

SPD-Bundestagsfraktion: Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen
Im Gegensatz zur Bundesregierung sieht die SPD-Bundestagsfraktion gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Wir wollen, dass die Genitalverstümmelung gesetzlich zum Verbrechen höhergestuft wird und dass die Genitalverstümmelung in den Katalog der Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter aufgenommen wird. Aus diesem Grund haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt: „Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes - Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung“ (Drs. 17/12374).

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Meinung, dass der bisherige gesetzliche Zustand der leichten und schweren Körperverletzung nicht ausreicht, um die bedrohten Frauen davor zu schützen, im Ausland beschnitten zu werden.