Am 18. April 2013 wurden im Deutschen Bundestag gleich zwei Anträge der SPD-Bundestagsfraktion im Zusammenhang mit einer inklusiven Gesellschaft debattiert: Zum einen der SPD-Antrag „Zugänge schaffen und Teilhabe erleichtern - die „einfache Sprache“ in Deutschland fördern“ (Drs. 17/12724). Die „Einfache Sprache“ darf nicht mit der „Leichten Sprache“ verwechselt werden, die sich an Menschen mit geistiger Behinderung wendet und mit einfachen Worten, sehr kurzen Sätzen und ergänzenden Bildern arbeitet. Zum anderen wurde der Antrag „Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behinderung fairen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen“ (Drs. 17/9931) debattiert, der einen umfangreichen Maßnahmenkatalog enthält, um für Menschen mit Behinderungen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern.
Die Studie „leo. – Level One“ hat 2010 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als erste Studie in Deutschland die Größenordnung des funktionalen Analphabetismus unter der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren untersucht. Der so genannte funktionale Analphabetismus besteht darin, dass die Betroffenen zwar einzelne einfache Sätze lesen oder schreiben können, nicht jedoch zusammenhängende Texte. 7,5 Millionen Menschen müssen nach der Studie als funktionale Analphabeten eingestuft werden. Das entspricht 14,5 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung von 18 bis 64 Jahren.
Dazu kommen 13,3 Millionen Menschen, die Bücher, Zeitungen, Gebrauchsanweisungen oder Behördenschriftstücke nur langsam und fehlerhaft lesen und verstehen können. Das sind weitere 26 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren. Diese Menschen mit einer Lese- und Schreibschwäche sowie funktionale Analphabeten können mit Informationen und Materialien in „Einfacher Sprache“ angesprochen werden. Diese „Einfache Sprache“ verzichtet auf Fremdwörter und Fachbegriffe und wird in größerer Schrift gedruckt als herkömmliche Texte.
Zusätzliche Angebote in „Einfacher Sprache“ bereitstellen
Wir wollen, dass auch diese Zielgruppen erreicht werden, denn durch Angebote im passenden Sprachniveau wächst das Selbstvertrauen, steigt die Lesefähigkeit, entsteht eine positive Lesespirale. Das führt auch dazu, dass die Betroffenen Fortbildungen besuchen und damit ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern können. Wir wollen auch mit uns selbst anfangen und fordern den Bundestag auf, über die wichtigsten Debatten im Plenum auch in „Einfacher“ und „Leichter“ Sprache im Internet zu informieren. Wir wollen mehr Forschungsprogramme, in denen die unzureichende Lese- und Schreibkompetenz sowie deren soziale Implikationen verankert werden. Insbesondere soll der sozioökonomische Hintergrund von Menschen mit unzureichender Lese- und Schreibkompetenz untersucht werden. Die Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener, ist um die Zielgruppe der 13,3 Millionen Menschen mit Lese- und Schreibschwäche zu erweitern. Ein Förderprogramm des Bundes soll die Herstellung von Leseangeboten in „Einfacher Sprache“ unterstützen. Die zusätzliche Anwendung der „Einfachen Sprache“ soll in staatlichen Stellen verbindlich werden.
Und: Arbeitslosenquote behinderter Menschen besonders hoch
In Deutschland sind Unternehmen ab 20 Arbeitsplätzen im Jahresdurchschnitt verpflichtet, fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung zu stellen. Fast jedes dritte Unternehmen erfüllt die gesetzliche Beschäftigungspflicht nicht oder nur unzureichend und bezahlt lieber eine Ausgleichsabgabe, die je nach Erfüllungsquote zwischen 115 Euro bis 290 Euro pro Monat und unbesetztem Pflichtplatz liegt.
Ein großer Teil der Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter findet keine Beschäftigung. Die Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen ist seit Jahren fast doppelt so hoch wie die der nicht-behinderten Menschen, und sie steigt weiter an. Das liegt hauptsächlich an der Erhöhung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen im Alter zwischen 55 und 65 Jahren. Bei diesem Personenkreis verfestigt sich die Langzeitarbeitslosigkeit und erschwert die Wiedereingliederung.
Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung verbessern
Um für schwerbehinderte Menschen eine bessere Beschäftigungsquote zu erreichen, wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Dazu soll die Ausgleichsabgabe mehr als verdoppelt werden und die Pflichtquote von fünf auf sechs Prozent angehoben werden. Letztere war 2003 abgesenkt worden mit der Verpflichtung für die Unternehmen, schwerbehinderte Arbeitslose in Arbeit zu bringen. Das hat jedoch nicht funktioniert. Also soll die Quote wieder erhöht werden.
Die Ausgleichsabgabe soll bei einer Erfüllungsquote von drei bis sechs Prozent von 115 Euro auf 250 Euro, bei einer Beschäftigungsquote von zwei bis unter drei Prozent von 200 Euro auf 500 Euro und bei einer Beschäftigungsquote von weniger als zwei Prozent von 290 Euro auf 750 Euro angehoben werden. Diese Abgabe soll künftig für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu verwendet werden und nicht mehr für Behindertenwerkstätten und Wohnheime.
UN-Behindertenrechtskonvention besser umsetzen
Insbesondere wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion die Beschäftigung in Integrationsunternehmen und -projekten fördern. Ziel der im Antrag genannten Maßnahmen ist die bessere Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für den Arbeitsmarktbereich. Dazu soll in den Arbeitsagenturen und Jobcentern speziell ausgebildetes Personal zur Verfügung stehen, das besser beraten und Menschen mit Behinderung in Arbeit vermitteln kann.
In Betrieben, in denen Menschen mit Behinderung arbeiten, werden wir ihre Interessenvertretung verbessern. Deshalb soll die Schwerbehindertenvertretung zu einer Behindertenvertretung weiterentwickelt werden.