Schon traditionell organisiert die Spastikerhilfe Berlin eG ihr jährliches Jahresgespräch im denkmalgeschützten Meistersaal am Potsdamer Platz. Hauptredner des „Jahresgesprächs 2013“ am 26. November 2013 war Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
In seiner Begrüßungsansprache stellte Klaus Uwe Benneter, Aufsichtsratsvorsitzender der Spastikerhilfe Berlin eG, den Genossenschaftsgedanken heraus: „Gemeinsam sind wir stärker“ So das Motto von Genossenschaften, so auch eine zentrale Haltung der ursprünglich als Verein gegründeten Spastikerhilfe Berlin eG. Seit 1990 setzt sich die gemeinnützige Genossenschaft für die Interessen, die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein. Damals wie heute verbinden sich im Genossenschaftsgedanken zentrale Werte wie Kooperation, Selbstorganisation und die gemeinschaftliche Übernahme von Verantwortung sowohl für die Interessen der Mitglieder als auch für gesamtgesellschaftliche Belange. Damals wie heute verbinden sich die Idee von Selbsthilfe, Selbstverantwortlichkeit und gelebter Solidarität mit dem Bedürfnis nach wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Teilhabe. Von zentraler Bedeutung sei Transparenz. Daher habe sich die Spastikerhilfe Berlin eG der Initiative Transparente Zivilgesellschaft von Transparency International Deutschland angeschlossen.
Große Koalition: Agenda gegen die Politik gegen Armut und Ausgrenzung auflegen!
Ulrich Schneider, seit 1999 Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, der Dachorganisation mehrerer tausend Sozialinitiativen, forderte von den Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD, „dass für die Menschen, denen es schlecht geht, was rausspringt“. Der aktuelle "Sozialatlas über die Lebensverhältnisse in Deutschland", kurz Datenreport 2013, weist auf drängende Probleme hin: Zwar hat es noch nie so viele Erwerbstätige in Deutschland gegeben - 41,5 Millionen Erwerbstätige in 2012, davon viele in Teilzeit. Trotz dieser hohen Beschäftigtenzahl sind aber immer mehr Menschen von Armut bedroht und immer mehr Menschen dauerhaft arm. Wer 2011 weniger als 980 Euro im Monat zur Verfügung hatte, galt als arm. Angestiegen ist der Anteil der armutsgefährdeten Personen: seit 2007 von 15,2 auf 16,1 Prozent. Armutsgefährdet sind insbesondere die 55- bis 64-Jährigen: hier erfolgte ein Anstieg von fast drei Prozentpunkte auf 20,5 Prozent. Zugenommen hat die dauerhafte Armut: Von den gefährdeten Personen sind 40 Prozent bereits seit fünf Jahren arm gewesen, gegenüber 2000 ein Anstieg um 13 Prozent. Armut ist zudem mit einem kürzeren Leben verbunden: Männern der unteren Einkommensgruppen sterben fast elf Jahre früher als gut verdienende Männer, Frauen mit einem geringen Einkommen sterben rund acht Jahre früher.
Armut heute ist ohne Aufstiegsperspektive
Auch früher hat es viele Leute gegeben, die wenig Geld gehabt hätten. Es hat aber ein fester Glaube geherrscht, dass es einmal besser werden würde. Dank des BAföGs konnten viele Kinder studieren und eine BAT2-Stelle erlangt. Dieser Aufstiegsglaube ist heute nicht mehr vorhanden. Wirkliche Armut ist, wenn kein Aufstiegsvertrauen da sei. Hier kann nur helfen:
- Erstens Geld: Geld mit dem die dauerhaft vorhandenen und von den Kindern ja auch wahrgenommenen Existenzängste gemildert werden.
- Zweitens Unterstützung der Familien: Kein Kind kann „gegen die Familie erzogen werden. Da helfe auch keine Ganztagschule etc.“. Es gibt keine armen Kinder, sondern nur arme Familien. In der Familie erleben die Kinder, ob sich Leistungsbereitschaft und das damit verbundene Vertrauen in Aufstieg lohnt. „Eltern sind ein Vorbild fürs Leben“.
- Drittens Vermeidung von Ausgrenzung: Wenn keine umfangreichen Programme zur Förderung von Teilhabe und Inklusion aufgelegt werden, werde die Koalition gegen die Wand fahren. Auch die schon seit Jahren langzeitarbeitslosen Menschen haben ein Recht darauf, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die vorherige Bundesregierung hat 20 Milliarden Euro im Bereich der aktiven Arbeitspolitik „gespart“ und damit zur Ausgrenzung beigetragen. Auch im Bereich der Pflege ist viel Geld notwendig: für eine würdevolle Pflege auch für Demenzerkankte rund 4 Milliarden, für eine bessere Pflege und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen nochmal 2 Milliarden. Notwendig ist es auch, mehr für die Angehörigen zu tun - hier fehlen noch einmal 2 Milliarden. Sie alle haben ein Recht auf Teilhabe! Das Teilhabegesetz werde im Kontext der Koalitionsverhandlungen aber immer nur unter dem Aspekt der Entlastung für die Kommunen diskutiert. Ohne Mehrausgaben seitens des Bundes werde es zu keinen Leistungsverbesserungen kommen!
Im fünftreichsten Land der Welt fehlt es an einer starken Lobby für mehr Solidarität!