Rede am 13.02.2014 zum Antrag DIE LINKE: "Den Bundesratsbeschluss zur rezeptfreien Pille danach schnell umsetzen" (Drucksache 18/303)
In der Debatte zum Thema "Pille danach" habe ich mich klar für die Abschaffung der Verschreibungspflicht ausgesprochen:
14. Sitzung vom 13.02.2014
Mechthild Rawert (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ja – und das freut mich –, wir führen diese Diskussion ohne Schaum vorm Mund, anders als es der Minister befürchtet hatte. Ja, wir übernehmen Verantwortung: Deswegen fordern wir, dass Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht entlassen wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen – das ist den meisten nicht neu, spätestens seitdem in der letzten Legislaturperiode entsprechende Anträge eingebracht worden sind –, dass die Verschreibungspflicht in diesem Fall aufgehoben wird. Es ist allerdings das erste Mal, dass wir Sozialdemokraten dies in einer Großen Koalition mit der CDU/CSU fordern. Es ist auch das erste Mal, dass uns eine Entschließung des Bundesrates vorliegt, in der er fordert, die Verschreibungspflicht aufzuheben.
Über die Sicherheit der Pille danach wurde hier zu Recht gesagt: Nebenwirkungen sind kaum bekannt. Das sagen mittlerweile Wohlfahrtsverbände, das sagt pro familia, das sagen aber auch die Apotheker, viele Experten und Expertinnen und mittlerweile auch – das freut mich besonders – viele junge Frauen. Diese Diskussion ist keine Diskussion nur der Experten und Expertinnen und auch keine Diskussion mehr nur – in Anführungszeichen – altbackener Feministinnen. Nein, das ist eine von vielen jungen Frauen in den sozialen Medien geführte Diskussion. Es ist dennoch keine Frauendiskussion, sondern eine gesellschaftspolitische Diskussion– und das ist gut so.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Seit 2003 erklärt der zuständige Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, es gebe keine Gründe mehr für die Verschreibungspflicht. Dies wurde vor ein paar Wochen noch einmal bestätigt. Warum also hält das Ministerium an der Verschreibungspflicht fest? Warum sollen wir als Große Koalition an der Verschreibungspflicht festhalten?
Für mich stellt sich aber auch noch eine andere Frage: Darf das Ministerium überhaupt an der Verschreibungspflicht festhalten?
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Genau! Gute Frage!)
Das Parlament hat das Bundesministerium zwar dazu ermächtigt – ich verweise auf § 48 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes –, die Verschreibungspflicht für Arzneimittel mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu regeln. Das bedeutet aber nicht, dass willkürlich gemacht werden kann, was dem einzelnen Politiker, der einzelnen Politikerin, dem einzelnen Minister, der einzelnen Ministerin gefällt.
Man muss sich an Spielregeln halten.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr solltet einmal die Spielregeln einhalten! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist ja kein Hustensaft!)
Die Spielregeln lauten, dass die Verschreibungspflicht aufzuheben ist, wenn keine wissenschaftlichen Gründe für eine Verschreibungspflicht bestehen. Genau das hat der Sachverständigenausschuss zu beurteilen. So wurde es auch in § 53 AMG erwähnt. Wofür bräuchten wir sonst eigentlich Sachverständigenausschüsse und Experten und Expertinnen, wenn deren Rat sowieso nicht zählt?
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Das Arzneimittelrecht nennt genau zwei Kriterien, unter denen eine Verschreibungspflicht begründet ist: erstens eine zu befürchtende signifikante Gesundheitsgefährdung und zweitens, wenn ein häufiger Missbrauch des Medikaments nachzuweisen ist.
Für beide Kriterien trägt das Bundesgesundheitsministerium die Beweislast. Es muss nachweisen, dass die Pille danach gefährlich für die Gesundheit der Frauen ist und dass sie falsch eingenommen wird. Beides kann es nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Sie können nicht nachweisen, dass die Frauen nicht in der Lage sind, das Medikament richtig zu nutzen, und Sie können auch keine signifikante Gesundheitsgefahr nachweisen.
Wir haben in der Anhörung genügend darüber diskutiert. Ich will mich hier nicht wiederholen.
Eine Verschreibungspflicht beinhaltet die Annahme, dass die ärztliche Beratung immer besser ist als der Rat und die Beratung in der Apotheke.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist so!)
Das überzeugt mich nicht.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Eine Frau kann im Notfall sowohl in der Apotheke als auch in der Arztpraxis oder im Krankenhaus gut oder schlecht beraten werden. Wenn ich hier nur daran denke – vorhin ist Bayern genannt worden –, dass der Bereitschaftsdienst in Bayern reduziert worden ist und in den Notfallstationen häufig Orthopäden und sonstige Fachmediziner, aber auf keinen Fall Gynäkologen sitzen,
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
dann frage ich mich, ob das tatsächlich die fachmedizinische Beratung ist, die Sie hier stets bei der Pille danach unterstellen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was macht den Orthopäden kompetent für eine gynäkologische Beratung? Das habe ich auch noch nicht verstanden.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Denken Sie daran: Sie haben die Debatte ohne Schaum vorm Mund gelobt!)
Für die Verschreibungspflicht können nach dem Arzneimittelrecht keine politischen Gründe entscheidend sein, und vor allen Dingen können politische Gründe keinen Grundrechtseingriff rechtfertigen.
Aber wie gesagt: Ich will mich hier zurückhalten.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Wir werden ja auch im Ausschuss noch intensive Debatten führen.
Auf eines sei zum Abschluss hingewiesen. Es gibt eine vergleichbare Situation im Ausland. In den USA entschied im letzten Jahr ein Gericht den Streit zwischen der amerikanischen Arzneimittelbehörde und der Politik. Die Arzneimittelbehörde hatte seit langem die Freigabe der Pille danach mit dem Namen „Plan B“ empfohlen, aber die Politik bzw. das Gesundheitsministerium konnte sich dazu nicht durchringen. Ein US-Bundesrichter entschied schließlich zugunsten der Freigabe des Medikaments bzw. der Aufhebung der Altersbeschränkung gegen den Willen des Gesundheitsministeriums.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Maria Michalk [CDU/CSU]: Ein Richter!)
Ich will nicht hoffen, dass wir wieder in die Situation kommen, über diese Angelegenheit gerichtlich entscheiden zu lassen; denn wir sind das Parlament. Wir tragen Verantwortung. Wir nehmen Verantwortung wahr.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das sollten Sie: Verantwortung wahrnehmen!)
Deswegen freue ich mich auf die lebhafte Diskussion im Ausschuss. Ich freue mich auf die Überweisung. Ich freue mich darüber, dass wir viele Aspekte diskutieren werden.
Seien wir mutig. Werben wir auch für die Onlinepetition. Ich würde mich freuen, wenn diese vielfach unterschrieben würde.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)