(Erschienen in der Berliner Stimme, 8.3.2014, S. 2, Nr. 5, 64. Jahrgang)
Mechthild Rawert zur Debatte um die „Pille danach“
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass die sogenannte „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) rezeptfrei nach einer Beratung in Apotheken erhältlich ist. Deshalb gab es 2012 auf meine Initiative hin den Antrag „Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva - Pille danach - gewährleisten“. Zwar wurde dieser 2013 von Schwarz-Gelb im Bundestag abgelehnt, mobilisierte aber den rot-grün dominierten Bundesrat, der sich nun für die Rezeptfreiheit ausspricht.
In den USA hat das Gericht entschieden
Versagt bei einer Verhütungspanne die Regelverhütung, ist es gut zu wissen, dass es eine Notfallverhütung gibt, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Noch ist unklar, ob es -wie in den USA - erst eine gerichtliche Entscheidung geben muss: Dort stritten sich die US-Gesundheitsministerin, die für die Beibehaltung eine Verschreibungspflicht war, und die US- Arzneimittelbehörde, die für den rezeptfreien Zugang der Frauen zum Medikament „Plan B“ kämpfte. 2013 entschied ein US-Bundesrichter: Die dortige „Pille danach“ wird rezeptfrei in Apotheken ausgegeben.
Klare Konfliktlinien in Deutschland
Grundsätzlich sind in Deutschland alle Arzneimittel verschreibungspflichtig. Über die Freigabe entscheidet der Bundesgesundheitsminister, bedarf aber der Zustimmung des Bundesrates. Obwohl sich im Koalitionsvertrag zum Thema Notfallverhütung nichts findet, hat sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bereits vor Beginn der parlamentarischen Debatte für die Beibehaltung der Verschreibungspflicht ausgesprochen. Er verkündet: Frauen würden in Arztpraxen besser beraten als in Apotheken. Dafür gibt es keinen Beleg. Er behauptet weiterhin, ihm gehe es nur um die Frauengesundheit. Ich meine, es geht auch um staatliche Bevormundung, um staatlich-moralische Kontrolle des Verhütungsverhalten der Frauen. Diese Rezeptpflicht beschränkt auch die grundrechtlich geschützte Selbstbestimmung der Frauen über den eigenen Körper. Das ist unzeitgemäß, wie die Rezeptfreiheit der „Pille danach“ in 79 anderen Staaten zeigt.
Aufklärung ist das A und O
Die Verschreibungspflicht wird aufgehoben, wenn erstens von dem Arzneimittel keine schwerwiegenden Gesundheitsgefahren ausgehen und zweitens ein häufiger Missbraucht nicht nachzuweisen ist. Beides liegt bei der „Pille danach“ auf LNG-Basis nicht vor. Vielmehr ist LNG gut verträglich und hat kaum Nebenwirkungen. Deshalb hat der Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel 2003 und 2014 empfohlen, die Verschreibungspflicht aufzuheben.
Das Hormonpräparat hat keine abtreibende Wirkung sondern unterdrückt den Eisprung der Frau. Es kommt also gar nicht zu einer Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Deshalb ist aber auch der Faktor „Zeit“ so wichtig: LNG sollte 24 Stunden, spätestens aber 72 Stunden, nach der Verhütungspanne eingenommen werden. Die Zeit bestimmt über die Wirksamkeit von LNG. Es ist daher unhaltbar, dass Frauen - gerade in ländlichen Gebieten - Schwierigkeiten haben, überhaupt ein ärztliches Rezept für die „Pille danach“ zu bekommen, am Wochenende stundenlang in der Notfallambulanz warten müssen, von konfessionell getragenen Krankenhäusern abgewiesen werden.
Die Online-Petition einer Berlinerin „Gesundheitsminister Gröhe: Rezeptfreie „Pille danach" zulassen!“ wurde zwischenzeitlich von über 26.000 Menschen unterzeichnet. Mal sehen, vielleicht gelingt es doch noch, eine Einigung zu erzielen. Ich arbeite daran.