Heute am 3. Juli beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie. Damit ist der Weg frei für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn für die ArbeitnehmerInnen in Deutschland. Das ist ein Meilenstein in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. In der namentlicher Abstimmung stimmten 535 Abgeordnete (CDU/CSU, SPD und Grüne) für den Mindestlohn, nur 5 dagegen und 61 enthielten sich (Linke). Ab dem 1. Januar 2015 bedeutet dieses für mindestens 3,7 Millionen Menschen das Ende von Niedriglöhnen. Arbeit bekommt endlich ihren Wert zurück. Nach Angaben des DGB Berlin-Brandenburg arbeitet allein in Berlin derzeit jede/r Fünfte für 4 bis 7 Euro pro Stunde.
Wir beenden das Lohndumping in Deutschland und schaffen mehr Lohngerechtigkeit. Die SPD löst ihr zentrales Wahlversprechen ein. Gesagt. Getan. Gerecht.
Bis zum 31. Dezember 2016 sind Abweichungen vom Mindestlohn von 8,50 Euro grundsätzlich nur möglich, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dies vorsieht und dieser nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Dadurch werden Tarifautonomie und Gewerkschaften in Branchen gestärkt, in denen Gewerkschaften bislang schwach vertreten waren. Der Mindestlohn wirkt schon, bevor er überhaupt in Kraft getreten ist: Er sorgt in Branchen für steigende Löhne, die jahrelang als Sinnbild für Lohndumping und Hungerlöhne galten. So wurden beispielsweise in der Fleischindustrie und im Friseurbereich kurzfristig doch tatsächlich Tarifverträge möglich.
Ab dem 1. Januar 2017 wird der Mindestlohn von 8,50 Euro in ganz Deutschland und ausnahmslos für alle Branchen gelten.
In der öffentlichen Debatte der letzten Tage wurden Regelungen für drei Bereiche problematisiert: ZeitungszustellerInnen, Saisonkräfte (in der Landwirtschaft) und PraktikantInnen. Die Wahrheit ist: Für diese Bereiche sind lediglich spezielle Übergangsregelungen bzw. Präzisierungen verabredet worden. Mehr nicht! Es gibt keine Branchenausnahmen!
ArbeitnehmerInnenrechte werden gestärkt
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) wird auf alle Branchen ausgeweitet. Derzeit gelten bereits für rund vier Millionen Beschäftigte tarifliche Mindestlöhne nach dem AEntG. Einige dieser Branchenmindestlöhne (z.B. im Baugewerbe, der Aus- und Weiterbildung) liegen schon jetzt oberhalb des künftigen gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro, andere liegen darunter (z.B. Gebäudereinigung, Wäschereidienstleistungen).
Das AEntG wird durch das nun beschlossene Tarifpaket für alle Branchen geöffnet. Es werden zusätzliche Tarifstrukturen geschaffen: Dies ermöglicht einerseits allen Branchen einen schonenden Übergang in den gesetzlichen Mindestlohn nach gemeinsamer Maßgabe der verantwortlichen Sozialpartner. Andererseits werden für Beschäftigte zusätzliche Tarifstrukturen (z.B. Regelungen über Urlaub, Fortbildung und betriebliche Altersvorsorge) und Lohnuntergrenzen geschaffen und das zukünftige Lohnniveau sowie die Arbeitsbedingungen verbessert.
Stärkung von Einkommen und Kaufkraft um 10 Mrd. Euro
Das Lohnvolumen wird durch den Mindestlohn um schätzungsweise 10 Milliarden Euro steigen. Dies entspricht einer Steigerung von 0,7 Prozent des gesamten Lohnvolumens in Deutschland. Die Steigerung der Einkommen sorgt nicht nur für eine enorme Verbesserung der Beschäftigten im Niedriglohnbereich, sondern stärkt die Kaufkraft und die Binnennachfrage erheblich.
Mindestlohn auch für Minijobs
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Beschäftigten, unabhängig von Arbeitszeit oder Umfang der Beschäftigung - und damit auch für Minijobberinnen und Minijobber. Das ist eine gute Nachricht für die 200.000 MinijobberInnen in Berlin. Und eine sehr wichtige Verbesserung gerade für Frauen. Diese üben die meisten Minijobs aus.
Inklusion - Mindestlohn gilt auch in Integrationsbetrieben
Für Integrationsbetriebe, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten, wird bei Notwendigkeit eine Anpassung der Förderbedingungen geprüft, um die Zahlung des Mindestlohns zu kompensieren.
Der Mindestlohn bedeutet das Ende der „Generation Praktikum“
Grundsätzlich gilt für alle nach einem Studien- oder Berufsabschluss geleisteten Praktika ab dem 1. Januar 2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro. Damit wird es die „Generation Praktikum“, die nach Hochschulabschlüssen ohne Bezahlung vollwertige Tätigkeiten in Unternehmen ausübt, nicht mehr geben. Nach einem Abschluss gibt es nur noch mindestens nach Mindestlohn bezahlte Praktika.
Von Anfang an war ausgemacht, dass es überall dort andere Regeln geben muss, wo junge Frauen und Männer sich noch in einer Ausbildung oder im Studium befinden. Wo also eher das Lernen als das Arbeiten im Vordergrund steht. Das ist angemessen. Für drei Monate kann berechtigt davon ausgegangen werden, dass der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht. Danach gibt es den Mindestlohn auch für freiwillige Praktika vor einem Abschluss.
Darüber hinaus wurden bei Praktika weitere Verbesserungen über den Mindestlohn hinaus erreicht: Zukünftig ist ein schriftlicher Praktikumsvertrag, in dem die Ausbildungsziele, die Dauer des Praktikums, die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung festgelegt werden, verpflichtend.
1.600 zusätzliche KontrolleurInnen setzen Mindestlohn durch
Die Durchsetzung des Mindestlohns liegt bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung, wie bisher bereits bei den Branchenmindestlöhnen. Um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns wirksam kontrollieren zu können, werden bei der FKS 1.600 neue Stellen geschaffen.
Mindestlohnkommission beschließt schon 2016 über die erste Anpassung 2017
Die Anpassung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro erfolgt durch die Mindestlohnkommission. Erstmals wird die Kommission im Juni 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 eine Anpassung beschließen. Danach wird alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns entschieden. Die Mindestlohnkommission orientiert sich bei der Festsetzung des Mindestlohns an der Tarifentwicklung.
Die Kommission besteht aus einer/einem Vorsitzenden und sechs stimmberechtigten sowie zwei beratenden Mitgliedern. Die zwei beratenden Mitglieder sollen ihren wissenschaftlichen Sachverstand einbringen.
Mindestlohn für ZeitungszustellerInnen eingeführt
Für ZeitungszustellerInnen wird es eine schrittweise Einführung des Mindestlohns geben. Diese erfolgt bis zum 31. Dezember 2016, also im gleichen Zeitraum wie die Regelung über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Hintergrund ist, dass damit den Besonderheiten dieser Branche (Versorgung mit Presseprodukten im ländlichen Raum, sehr schwache Organisationsstrukturen, stark verbreitete geringfügige Beschäftigung) Rechnung getragen wird. Vor dem Hintergrund der besonderen verfassungsrechtlichen Lage (Pressefreiheit nach Art. 5 Grundgesetz) wurde diese Regelung so vereinbart.
Auch für ZeitungszustellerInnen gilt: Spätestens ab 1. Januar 2017 erhalten diese den Mindestlohn von 8,50 Euro.
Mindestlohn gilt auch für Saisonkräfte in der Landwirtschaft
Anders als in der Öffentlichkeit dargestellt, gilt auch für Saisonkräfte in der Landwirtschaft ab dem 1. Januar 2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro. Eine schrittweise Annäherung wie in anderen Branchen ist nur über den Weg des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes möglich. Bereits im Koalitionsvertrag wurde einzig für die Landwirtschaft vereinbart, dass deren Probleme bei der Umsetzung des Mindestlohns besonders berücksichtigt werden. Dem wird durch zwei Regelungen Rechnung getragen:
1. Die schon vorhandene Möglichkeit der kurzfristigen sozialabgabenfreien Beschäftigung wird von 50 auf 70 Arbeitstage bzw. auf längstens 3 Monate ausgedehnt. Diese Begrenzung ist befristet. Sie gilt für eine Übergangszeit von 4 Jahren, also bis einschließlich 31. Dezember 2018.
2. Die Abrechnung der Kosten für Kost und Logis war bisher sehr bürokratisch. Das vereinfachen wir. Es bleibt dabei, dass diese Kosten nur zu einem angemessen Teil gemäß § 107 Gewerbeordnung und Sozialversicherungsentgeltverordnung abgerechnet werden.
Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose
Bei Beschäftigten, die zuvor über ein Jahr arbeitslos waren, kann die ArbeitgeberIn in den ersten sechs Monaten nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vom Mindestlohn abweichen. So soll Langzeitarbeitslosen die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden. Bereits zum 1. Juni 2016 wird die Bundesregierung gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften berichten, inwieweit diese Regelung die Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt gefördert hat. Auch soll zu diesem Zeitpunkt über den Fortbestand der Regelung entschieden werden. Im Jahr 2013 haben etwa 170 000 Langzeitarbeitslose den Sprung in eine Beschäftigung geschafft.
Ausnahmeregelung für die unter 18-Jährigen
Der Mindestlohn gilt für Jugendliche ab 18 Jahre. Damit soll erreicht werden, dass junge Menschen sich für eine Ausbildung und nicht für die Ausübung einer ungelernten Tätigkeit entscheiden. Die Altersgrenze ist andererseits so niedrig, dass Unternehmen nicht auf junge Menschen ausweichen können, um den Mindestlohn für über 18-Jährige einzusparen.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren in Berlin 261 Jugendliche unter 18 Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Stand 30. September 2013). Die Bundesagentur konnte keine Angaben machen, wie viele von diesen Jugendlichen weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen.
Der heute beschlossene flächendeckende gesetzlichen Mindestlohn ist wahrhaftig ein Meilenstein in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beenden das Lohndumping und trocknen den Niedriglohnsektor aus. Die SPD löst ihr zentrales Wahlversprechen ein: Gesagt. Getan. Gerecht!