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Rede zur 1. Lesung Pflegestärkungsgesetz I

Meine Rede am 4. Juli 2014 zur 1. Lesung des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz – 5. SGB XI-ÄndG, Drucksache 18/1798)

Schaffen wir gemeinsam eine bessere Pflege! Wir wollen bessere Leistungen für Pflegebedürftige, an Demenz Erkrankte, Pflegefachkräfte und pflegende Angehörige.

 


47. Sitzung am 4. Juli 2014

Mechthild Rawert:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gesagt, getan: Die SPD setzt sich schon seit langem mit dem Thema Pflege auseinander. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat das Recht auf Beratung eingeführt, Pflegestützpunkte, den Beirat zur Pflegebedürftigkeit, die Einrichtungen zur Prüfung von Qualität und, und, und. Ohne das wäre es nicht möglich, dass wir heute dieses 1. Pflegestärkungsgesetz überhaupt auf den Weg bringen könnten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die SPD hat in Regierungs- und auch in Oppositionszeiten gründlich gearbeitet. Wir sind konstant am Ball geblieben. Wir haben im Wahlkampf die 0,5-Prozent-Beitragssatzerhöhung gefordert. Ich bin dankbar, dass diese Koalition diese Forderung jetzt umsetzt; denn das ist die Grundlage dafür, dass wir mittlerweile über zusätzlich 6 Milliarden Euro für den Bereich Pflege verfügen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben schon vorhin über den Pflegebedürftigkeitsbegriff gesprochen. Ja, seit Einführung der Pflegeversicherung wird darüber gesprochen, dass wir eine Ausweitung von den somatischen über die kognitiven bis hin zu den psychischen Einschränkungen brauchen. Das ist richtig; denn wir wollen mehr Selbstständigkeit. Wir wollen soziale Teilhabe, und wir wollen eine stärkere Orientierung an Kommunikation.

Gesagt, getan, gerecht: Dieses Pflegestärkungsgesetz bringt mehr und bessere Leistungen für Pflegebedürftige, für an Demenz Erkrankte. Vor allen Dingen bringt es mehr und auch zusätzliche Leistungen für pflegende Angehörige.

Vorhin ist gesagt worden, das wäre alles nichts, und auch wir würden es letztendlich als zu kleines Paket betrachten. Es ist richtig - ich habe schon mitbekommen, dass die Koalitionsvereinbarung intensiv gelesen worden ist -: Diese Debatte heute, die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs, ist ein Aufschlag:

Erstens. Wir werden ein zweistufiges Verfahren zur Reform der sozialen Pflegeversicherung haben. Wir werden damit eine Dynamisierung des Leistungsrechts herbeiführen und somit mehr Geld - 4 Prozent zusätzlich sind nicht zu unterschätzen - zur Verfügung stellen und damit den Eigenfinanzierungsanteil tatsächlich senken.

Zweitens. Wir werden - es steht in der Koalitionsvereinbarung; es ist also schon vereinbart - ein neues Pflegeberufegesetz auf den Weg bringen.
(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wann?)
- Keine Panik, Maria. Wir werden es haben, und wir werden uns gegen Ende dieser Legislaturperiode die Hände schütteln. - Ein solches Gesetz sorgt für mehr Qualität durch mehr Fachkräfte. Alle wissen: In die Pflegeausbildung muss investiert werden. Wir wollen - auch das steht in der Koalitionsvereinbarung - kein Schulgeld mehr, und wir wollen mehr horizontale und auch vertikale Durchlässigkeit im Kontext der Pflegeausbildung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Drittens. Wir wollen eine qualifiziertere, wohnortnahe Pflegeberatung. Wir wollen einen Ausbau der Pflegestützpunkte. Ja, die Zukunft der Pflege liegt im Quartier. Aber auch das steht letztendlich in unseren Vereinbarungen.

Viertens. Wir wollen eine Entlastung der Menschen in den Pflegeberufen erreichen, unter anderem durch Personalmindeststandards. Ich selber bin keine Anhängerin dieser Flashmobs, wo man sich freiwillig auf den Boden legt, um damit zu symbolisieren: Tritt doch auf mich drauf!   Vielmehr bin ich eine Anhängerin davon, Pflege tatsächlich stark zu machen, etwas, was hier in der Charité geschieht, das übrigens bundesweit als gutes Beispiel dienen kann. Das halte ich für einen sehr viel sinnvolleren Weg.

Ich finde es auch richtig   das ist eine der Forderungen, die wir haben  , dass in der Pflege Tariflöhne gezahlt werden müssen, einmal abgesehen vom Pflegemindestlohn. Das ist noch eine andere Baustelle, die aber schon bearbeitet worden ist.

Wir sagen auch, Tariflöhne dürfen nicht so angesehen werden, dass hinterher jemand sagt: Das ist ein unwirtschaftliches Verhalten.   Das ist tatsächlich ein Punkt, über den wir noch reden müssen.

Wir werden   fünftens   selbstverständlich auch etwas zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf tun. Die meisten Angehörigen sind erwerbstätig, und wir sagen natürlich nicht   das gilt nicht nur für die Männer, sondern insbesondere für die Frauen  : Geht alle wieder in den Haushalt zurück. Gebt eure Erwerbstätigkeit auf.   Nein, wir suchen nach Wegen der Vereinbarkeit. Deswegen gibt es ja den Rechtsanspruch auf Pflegezeit. Wir werden ihn ausbauen. Vor allen Dingen werden wir eine gesetzlich geregelte zehntägige bezahlte Auszeit für pflegende Angehörige einführen. Auch das ist Bestandteil der großen Baustelle Pflege.

Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich sage das nicht nur, weil mittlerweile jede und jeder irgendwie Ahnung davon bzw. Betroffenheit in der Familie hat, sondern ich sage das, weil derjenige, der von einer würdevollen Pflege spricht, auch Verantwortung dafür übernehmen muss, dass diese würdevolle Pflege ausfinanziert wird und geleistet wird durch qualifiziertes Personal, durch letztendlich liebevolle Angehörige, die das auch schaffen und für die es nicht nur eine zusätzliche Belastung ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Zimmermann?

Mechthild Rawert (SPD):
Ja.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Ich mache dann darauf aufmerksam: Das ist die letzte Zwischenfrage, die ich in dieser Debatte zulassen werde.
Pia Zimmermann (DIE LINKE):

Herzlichen Dank.   Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Rawert, diese Frage muss jetzt natürlich kommen. Wenn wir von Ausfinanzierung einer auskömmlichen Pflege reden, dann steht natürlich auch die Frage der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung im Raum. Die SPD hat das ja im Wahlkampf auch proklamiert. Es war auch auf euren Fahnen zu lesen. Die Frage ist: Wann können wir denn damit rechnen? Wann bringt ihr das denn in die Koalition ein, damit wir tatsächlich zu einer auskömmlichen Pflege kommen, die wirklich rundum finanziert ist?

Mechthild Rawert (SPD):
Die SPD hat das Konzept der Bürgerversicherung sowohl für den Bereich Gesundheit als auch für die soziale Pflegeversicherung nicht aufgegeben. Wir haben aber derzeit eine andere Koalitionsvereinbarung. Karl Lauterbach hat vorhin gesagt, er sagt es persönlich. Okay, dann sage ich es auch persönlich. Ich trete in keinen Urheberstreit ein, wenn es um die Rechte für diese Pflegevorsorge geht. Das ist eindeutig „made by CDU/CSU“. Das ist so. Aber das Konzept wird von uns spätestens im nächsten Wahlkampf weiter betrieben; denn wir glauben an die Parität. Wir glauben an eine gerechte Finanzierung. Wir glauben aber auch daran, dass es notwendig ist, jetzt viel Geld   über 4 Milliarden Euro   für die Pflege bereitzustellen, und dass wir dieses auch umsetzen müssen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es wurde vorhin ein bestimmtes Bild von Familien beschrieben. Ich glaube nicht, dass   ich sage jetzt einmal   die Familien in 20, 30 Jahren alle viel desaströser sind oder Ähnliches mehr. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass eines den Bereich Pflege noch mehr herausfordert, nämlich die Vielfalt der unterschiedlichsten Lebenssituationen. Da sind selbstverständlich die Singles zu nennen. Es gibt 15-jährige Enkeltöchter, die quasi als Einzige in der Familie wissen, wie der Medikamentenplan für die Oma aussieht. Es gibt mittlerweile Wohngemeinschaften, wo die 102-jährige Mutter sich um das Wohlergehen der 80-jährigen Tochter kümmert.

Es geht aber auch darum, diskriminierungsfreie Räume zu schaffen: wie zum Beispiel den „Lebensort Vielfalt“ hier in Berlin, wie zum Beispiel das Wohn- und Lesbenprojekt „RuT - Rad und Tat“. Wir brauchen auch in dieser Richtung viel mehr Ideen und Kompetenzen.

Wir brauchen eine kultursensible Pflege; denn eines ist klar: Die Senioren und Seniorinnen aus dem Kreis der Zugewanderten sind eine der größten Gruppen, die mittlerweile - so sage ich jetzt einmal - in die Pflegebedürftigkeit gehen. Aber unser Pflegesystem hat für deren spezielle Bedürfnisse noch viel zu wenig Kompetenzen.

Ich sage auch - das war ein Punkt, der hier vorhin zur Debatte geführt hat -: Ja, es bedarf noch der genaueren Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten der Betreuungskräfte, der Entlastungskräfte und auch der Pflegefachkräfte. Nichtsdestotrotz: Wir werden dieses Thema noch diskutieren. Wir werden auch noch andere Bereiche diskutieren. Was ist zum Beispiel mit der Behandlungspflege? Das können wir aber heute nicht mehr machen, zumal meine Redezeit schon zu Ende ist.

Ich wünsche allen eine schöne Sommerpause. Ich lade Sie ein: Laden Sie uns ein! Erzählen Sie uns von Ihren Pflegeerfahrungen!

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Frau Kollegin, die Redezeit ist abgelaufen.

Mechthild Rawert (SPD):
Schaffen wir gemeinsam eine bessere Pflege!

Einen schönen Sommer!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)