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MDS: „Reha vor und bei Pflege“

Wie können wir gemeinsam eine gute Lebensqualität, ein selbstbestimmtes Leben und die gesellschaftliche Teilhabe für Pflegebedürftige sichern? Darüber tauschten sich am 8. Oktober 2014 ExpertInnen im Rahmen eines Gesprächs des Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) zum Thema „Reha vor und bei Pflege: Ziele-Wege-Ergebnisse“ aus.
Der erste Teil der Veranstaltung beschäftigte sich mit der Rolle des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) bei der Prüfung des Rehabilitationsbedarfs. Ein Evaluationsprojekt sollte Aufklärung bringen, ob die politischen Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass die Empfehlung für eine Rehabilitation nach einem Pflegegutachten lediglich bei einem Prozent der Fälle liegt. Die gute Nachricht zuerst: Die politischen Rahmenbedingungen sind gegeben. Es mangelt überwiegend an der praktischen Umsetzung.

Projekt „Reha XI“
Der Grundsatz Rehabilitation vor Pflege ist im SGB XI verankert. Durch ihn soll sichergestellt werden, dass Personen durch die Pflegekassen auf einen möglichen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation hingewiesen werden. Dennoch wird immer wieder kritisiert, dass eine Reha schwer erhältlich ist bzw. nicht in Anspruch genommen wird. Die aktuelle Studie „Reha XI - Erkennung rehabilitativer Bedarfe in den Pflegegutachten des MDK; Evaluation und Umsetzung“ zielt darauf, Transparenz über das derzeitige Vorgehen bei der Erkennung rehabilitativer Bedarfe in der Pflegebegutachtung des MDK zu gewinnen, Stärken und Schwächen des derzeitigen Vorgehens herauszuarbeiten und Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten in einen Gute-Praxis-Standard zu integrieren. Es fand eine Steigerung der Empfehlungen für eine Rehabilitation statt. Optimierungsmöglichkeiten bestanden beispielsweise bei der Schulung der Ärzte, sowie bei der Organisation und Zusammenarbeit zwischen ÄrztInnen und Pflegekräften.

Thematische Vorträge

Der zweite Teil der Veranstaltung begann mit drei thematischen Vorträgen. Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes hielt den ersten Vortrag zum Thema „Umsetzung von Reha vor Pflege - Welchen Weg verfolgen die Kassen?“ Er betonte, dass die Erkenntnisse über Rehabilitation in Zusammenhang mit Pflege derzeit unterentwickelt sind und fordert daher mehr Studien. Ziel muss eine höhere Empfehlung für Rehabilitationsmaßnahmen sein.
Über „Erfolgsfaktoren bei der Rehabilitation Pflegebedürftiger – Welche Erwartungen haben Pflegebedürftige und wie können sie erfüllt werden?“ referierte Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR). Dabei ging Dr. Schmidt-Ohlemann besonders auf die Erfolgskriterien aus Sicht der Pflegebedürftigen ein. Zu diesen zählen: So lange wie möglich zu Hause leben, ein selbstbestimmter Alltag um ein Ohnmachtsgefühl zu vermeiden und die Aufrechterhaltung von Beziehungen zu geliebten Personen (zusammengefasst unter dem Begriff „enhanced sense of belonging“ = verstärktes Zugehörigkeitsgefühl).
Des Weiteren sprach Herr Schmidt-Ohlemann Faktoren für eine erfolgreiche Reha an. Dazu zählen, dass sie frühzeitig stattfindet und darüber hinaus fachspezifisch durchgeführt wird. Für eine Einwilligung seitens der Patienten spielt ebenso sehr das Setting (stationär, ambulant, mobil) als auch der Dialog mit den Pflegebedürftigen eine Rolle, um ein Ohnmachtsgefühl zu vermeiden.
Vor Beginn der Diskussionsrunde stellte J.M.G.A. (Jos) Schols, MD, PhD, Professor of Old Age Medicine Maastricht University, die Situation in den Niederlanden vor. Dort werden Reha-Maßnahmen vermehrt direkt in den Pflegeeinrichtungen durchgeführt. Er betonte ausdrücklich, dass durch Rehabilitation ein früher Einstieg in die Pflegebedürftigkeit verhindert werden kann. Rehabilitation als auch Pflege ist in den Niederlanden schon weitaus stärker kommunalisiert.
Diskussionsrunde mit der Politik: Stärkung der Rehabilitation Pflegebedürftiger - Was gehört jetzt auf die Agenda?
Als Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für Pflege stellte ich mich gerne den Fragen und Bemerkungen der ExpertInnen. Ebenfalls diskutierten die drei Referenten Gernot Kiefer (Vorstand des GKV- Spitzenverbands), Dr. Matthias Schmidt-Olemann (Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation), J.M.G.A. (Jos) Schols (MD, PhD, Professor of Old Age Medicine Maastricht University), sowie Dr. Stefan Gronemeyer (Leitender Arzt und stv. Geschäftsführer des MDS) und Erich Irlstorfer (CDU/CSU) mit. Thematische Schwerpunkte waren die Bedeutung der Rehabilitation Pflegebedürftiger vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und die Verantwortung der verschiedenen Akteure sowie die nötigen politischen Weichenstellungen um die Rehabilitation Pflegebedürftiger zu stärken.
 
„Prävention vor Reha vor Pflege“
In meinem Eingangsstatement habe ich den Grundsatz „Prävention vor Reha vor Pflege“ betont, um eine gute Lebensqualität, ein selbstbestimmtes Leben und die gesellschaftlicher Teilhabe auch für Pflegebedürftige zu sichern. Das Ziel ist und bleibt ein solidarisches Miteinander. Um diesen Grundsatz umzusetzen, bedarf es gleichermaßen der Beteiligung aller AkteurInnen: ÄrztInnen, PhysiotherapeutInnen, Pflegekräfte, Rehaträger, Kostenträger, Medizinischer Dienst und der Politik.
Das Projekt Reha XI zeigt, dass es Kapazitäten gibt um die Inanspruchnahme von Rehamaßnahmen zu erhöhen. Nun gilt es diese auszuschöpfen und zum Vorteil der PatientInnen den Zugang zu vereinfachen. Nicht umsonst haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, das Reha-Budget unter Berücksichtigung des demografischen Wandels anzupassen. Mit dem Pflegestärkungsgesetz 1 haben wir das nach dem Motto: „Gesagt, Getan, Gerecht“ nun auch umgesetzt.
Ein Schlüsselthema der Diskussionsrunde war es auch, wie Reha-Maßnahmen attraktiver gestaltet werden können. Eben weil unsere Gesellschaft immer vielfältiger wird, bedarf es passgenauen Angeboten. Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann betonte zudem, dass mehr PatientInnen einer mobilen Reha zustimmen. Dem zustimmend führte Dr. Stefan Gronemeyer an, dass der Fokus außerhalb der klassischen medizinischen Reha liegen muss. Nur so kann die nötige Evidenz generiert werden.

V.l.n.r. Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Prof. Dr. med. Dr. phil. Heiner Raspe, Dr. Stefan Gronemeyer, Mechthild Rawert, MdB, Gernot Kiefer, J.M.G.A. (Jos) Schos, MD, PhD, Professor of Od Age Medicine Maastricht University, Erich Irlstorfer, MdB und Christina Sartori, Freie Wissenschaftsjournalistin