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Frauengesundheit - eine Herausforderung für die Zukunft

Das Feministische FrauenGesundheitsZentrum e.V. Berlin ist, wie der Name schon sagt, eine feministische Einrichtung. Frauen sind anders gesund und anders krank als Männer. Frauen sollen in ihrer Unterschiedlichkeit sichtbar werden: ob lesbisch oder heterosexuell, ob aus verschiedenen Kulturen, mit oder ohne Behinderung. Die Botschaft „Gesundheit ist immer  geschlechtsspezifisch zu verstehen - und damit auch ihre Behandlung“ ist Credo des FFGZ, wie Martina Schröder in ihrer Empfangsrede anlässlich der Jubiläumsfachtagung des Feministischen FrauenGesundheitsZentrum e.V. Berlin (FFGZ) am 15. Oktober 2014 in der Urania in Schöneberg herausstellt.

Unter dem Kernthema „Frauengesundheit in Zeiten wachsender sozialer Ungerechtigkeit“ werden hochaktuelle Aspekte im Kontext von Frauengesundheit thematisiert. Seit der Gründung im Jahr 1974 geht es dem FFGZ darum, Frauen Wissen und Kompetenz über den eigenen Körper zu vermitteln, Frauenleben vor Medikalisierung zu schützen, sowie Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Frauen sollen „im Dschungel der Gynäkologie und der Medizin die Orientierung nicht verlieren“. Gefordert wird eine strukturelle Veränderung im Gesundheitssystem und da bei auf eine „enorme medizinische Fehlversorgung“ hingewiesen. „Heute findet die Medikalisierung im Leben von Mädchen und Frauen subtiler, doch umso massiver statt. Sie wird von den meisten inzwischen gar nicht mehr als solche empfunden, da sie so selbstverständlich Teil ihres Lebens geworden ist.“ Als Beispiele werden aufgeführt: die HPV-Impfung, die massive Verordnung von Pille und Spirale, die pränatale Diagnostik in der Schwangerschaft, die medikalisierte Geburt, die inzwischen zu über 30 Prozent im Kaiserschnitt endet, zu viele unnötige Operationen. Kritisiert wird auch der massive Anstieg der Verordnungen von Psychopharmaka, insbesondere die der Antidepressiva. Ab 1976 informiert das FFGZ durch die Zeitschrift "clio - Die Zeitschrift für Frauengesundheit zu aktuellen Frauengesundheitsthemen".

Frauengesundheit in Zeiten wachsender sozialer Ungleichheit

Deutliche Ergebnisse zum Zusammenhang „Armut macht krank und Krankheit macht arm“ präsentierte Dr. Cornelia Lange vom Robert Koch-Institut. Es besteht nachweislich ein direkter Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Frauengesundheit. Grundsätzlich gilt: Der Gesundheitsstatus sinkt mit einem niedrigen sozialen Status. Betroffene sind häufiger von Nikotin abhängig, treiben keinen Sport und neigen zu Fettleibigkeit - das Erkrankungsrisiko steigt. Gleichzeitig sind es hauptsächlich Frauen - wie Männer - aus höheren sozialen Bildungsschichten, die gesundheitsfördernde Maßnahmen in Anspruch nehmen. Dieser Kontext ist eine enorme Herausforderung für das anstehende Präventionsgesetz.

Gesundheitsrisiko Erwerbslosigkeit

Das FFGZ bietet seit 2005 speziell für erwerbslose Frauen einen kostenlosen Gesundheitskursus an. Der Hintergrund ist: Der Gesundheitszustand bzw. das subjektive Gesundheitsempfinden ist bei Erwerbslosen deutlich schlechter als bei Erwerbstätigen. Die führt zu vermehrten Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten, tatsächlich aber auch zu einer erhöhten Mortalität und Suizidgefährdung. Vielfache Reaktionen sind auch Stressfolgeerkrankungen sowie psychische und psychosomatische Beschwerden (Depression, Ängste, Erschöpfung, Rücken, Infektionen etc.). Spezifisch ausgeprägt sind diese Folgen bei Frauen. Viele Frauen erleben die eigene Erwerbslosigkeit als Belastung. Darauf verweist Monika Fränzick, Gesundheitscoach beim FFGZ e.V. Berlin.

Das FFGZ bietet deshalb erwerbslosen Frauen Gesundheitskurse „Impulse für mehr Wohlbefinden“ an. In diesen werden Gesundheitstipps und Methoden zum Stressabbau vermittelt. Der Kurs dient auch dem Austausch mit anderen Betroffenen und soll unter dem Stichwort „Empowerment“ neue Perspektiven für Selbsthilfemöglichkeiten aufzeigen.

Gesundheitsförderung und -versorgung für Migrantinnen

Migrantinnen sind insbesondere im Alter stärker von Armutsgefährdung betroffen als die Frauen in Deutschland allgemein und haben - oft aufgrund von sprachlichen und institutionellen Barrieren - häufig einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem. Im Vergleich zu Nicht-Migrantinnen (15,7 Prozent) sind 27,2 Prozent der Migrantinnen von Armutsgefährdung betroffen. Im Alter von 65 Jahren plus steigt der Anteil sogar auf 31,4 Prozent im Vergleich zu 11,5 Prozent bei Nicht-Migrantinnen. Damit ergibt sich allein für ein Drittel der Frauen mit Migrationsbiografie ein Gesundheitsrisiko durch Armutsgefährdung im Alter.

Das Gesundheitswesen muss darauf differenziert reagieren, fordert Petra Bentz, FFGZ, in ihrem Vortrag „Migrantinnen und Gesundheit“. Die Bedürfnisse und Herausforderungen von Frauen – insbesondere den über 65jährigen – müssen künftig vom Regelsystem Gesundheit stärker in den Blick genommen werden. Spezielle Barrieren sind abzubauen. Geringere Deutschkenntnisse führen häufig zu gesundheitlichen Informations-Lücken. Viel zu häufig werden Migrantinnen nicht genug über gesundheitliche Eingriffe aufgeklärt oder mit kurzen, nicht ausreichenden Erklärungen „abgespeist“. Ein Gesundheitsrisiko besteht zum Beispiel durch unnötige Eingriffe oder Verschreibung von Medikamenten. Verstärkt werde Migrantinnen zudem eine Kultur des Jammerns und der Schmerzempfindsamkeit vorgeworfen.

An dieser Stelle und auch in der abschließenden Diskussionsrunde, machten einige Expertinnen darauf aufmerksam, dass auch unter Frauen mit Migrationsbiografie eine größere Heterogenität gegeben ist. So wenig, wie alle Deutschen oder Frauen gleich seien, seien es Migrantinnen auch nicht. Ein wichtiges Moment, welches für die Debatte über Gesundheitsförderung und -versorgung von Migrantinnen zu beachten ist.

Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen auf ihre Lebenssituation und Gesundheit

 Gesundheitliche Folgen von Gewalt

Häusliche und sexualisierte Gewalt macht krank - direkt oder im späteren Lebenslauf. Hierzu gibt es zahlreiche Studien, erneut die EU Studie 2014 befasst. Erschreckendes Ergebnis dieser EU-weiten Erhebung zum Komplex Gewalt gegen Frauen ist:

  • 35% der befragten deutschen Frauen haben ab dem Alter von 15 Jahren körperliche und/ oder sexuelle Gewalt erfahren
  • 13% wurden als Kinder sexuell belästigt oder erlebten sexualisierte Gewalt.

Das körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt gegen das Recht auf Menschenwürde (Artikel 1), gegen das Recht auf Unverletzlichkeit der Persönlichkeit (Artikel  3), gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, einschließlich aufgrund von Geschlecht (Artikel 21), gegen das Recht auf Gleichheit zwischen Frauen und Männern (Artikel 23) verstößt, wird nicht nur von mir empfunden. Körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt verstoßen gegen die Titel I „Würde“, III „Gleichheit“ und IV „Justizielle Rechte“ der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Tatsache ist, dass die Zusammenhänge zwischen Gesundheitsbeschwerden und sexueller Belästigung  oftmals nicht hinterfragt werden, kritisiert Martina Schröder, FFGZ Berlin. Die Leiden reichen von posttraumatischen und depressiven Störungen über Suchterkrankungen, Übergewicht, Typ2 – Diabetes bis hin zu Bluthochdruck und Ischämiche Herzkrankheiten. Es mangelt auf allen Ebenen an gesellschaftlicher Achtung gegen Gewalt gegen Frauen. Es mangelt an Anerkennung der Dimensionen dieser schrecklichen Erfahrungen.

Neben Gesundheitsbeschwerden fällt es betroffenen Frauen schwer, neue Freundschaften und Partnerschaften aufzubauen. Damit einher geht eine Abwertung der Lebensqualität.

Das FFGZ schlägt daher den Aufbau eines Traumaforums für Berlin für die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgungssituation für Frauen nach erlebter sexueller und/oder häuslicher Gewalt vor. Außerdem müssten eine Unrechtsanerkennung und Strafverfolgung bei sexueller Belästigung und Vergewaltigung in jedem Fall gegeben sein. Hier musste ich unweigerlich an die Schutzlücken im § 177 StGB denken, über die ich mich am 13. Oktober 2014 bereits mit Friederike Strack von LARA vom Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen in Berlin-Schöneberg und der Rechtsanwältin Christina Clemm unterhalten habe.

40 Jahre Arbeit für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung

Ich freue mich immer wieder zu sehen, welch große und breite Unterstützung das Feministische FrauenGesundheitsZentrum e.V. Berlin findet. 2009 habe ich bereits am 35-jährigen Jubiläum teilgenommen. Die Arbeit des FFGZ schätze ich nicht nur als Berichterstatterin für Frauengesundheit im Bundestag. Ich halte die Leitidee des Feministischen FrauenGesundheitsZentrums, eine frauengerechte Gesundheitsversorgung zu fördern und Frauen besser über ihren eigenen Körper aufzuklären, gesellschaftspolitisch für sehr sehr wichtig. Zu Recht wurde das FFGZe.V. Berlin in diesem Jahr mit dem Berliner Frauenpreis ausgezeichnet.