Deutschland stärkt seine Willkommenskultur. Gleich drei Gesetze wurden am 6. November 2014 beschlossen, mit denen die Situation von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen in Deutschland verbessert wird.
Bundestag beschließt Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) und des Sozialgerichtsgesetzes" und dem dazugehörigen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales kommt das Parlament einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 nach. Dieses hatte die Höhe der Geldleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz für zu niedrig und unvereinbar mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum erklärt. Das Gericht forderte vom Gesetzgeber, die Leistungssätze neu zu regeln und diese künftig transparent, realitäts- und bedarfsgerecht zu ermitteln.
Das AsylbLG legt die Höhe und Form von Leistungen für AsylbewerberInnen und geduldete AusländerInnen fest. Künftig werden die Leistungen nach dem AsylbLG wie die der Grundsicherung (SGB II) und Sozialhilfe (SGB XII) auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ermittelt und angepasst. Dadurch kommt es zu deutlich höheren Leistungssätzen.
Das neue Gesetz sieht weiterhin vor, dass die Wartezeit, bis Leistungen in gleicher Höhe wie die Sozialhilfe (SGB XII) erbracht werden, nicht mehr vier Jahre, sondern nur 15 Monate betragen. Kinder und Jugendliche werden von Anfang an einen Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, z. B. für ihren persönlichen Schulbedarf erhalten. Außerdem werden minderjährige Kinder nicht mehr für die Verstöße ihrer Eltern gegen die aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten mit Leistungsminderungen bestraft.
Es gibt neue Regelungen wer überhaupt unter das Asylbewerberleistungsgesetz fällt: So gehören bestimmte Personengruppen mit humanitären Aufenthaltstiteln wie zum Beispiel Opfer von Menschenhandel oder Bürgerkriegsflüchtlinge künftig nicht mehr darunter. Das bedeutet: Sie beziehen bei Bedürftigkeit Grundsicherung oder Sozialhilfe. Mit dieser Neuregelung entlasten wir die Länder und Kommunen im Jahr 2015 um 31 Millionen Euro und 2016 um 43 Millionen Euro. Für den Bund entstehen dadurch Mehrausgaben in Höhe von 27 Millionen im Jahr 2015 und 2016 37 Millionen.
Außerdem wird in Reaktion auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom Oktober 2013 ein so genannter Nothelferanspruch im AsylbLG geregelt. Krankenhäuser und Ärzte erhalten die Behandlungskosten erstattet, wenn sie AsylbewerberInnen in medizinischen Eilfällen behandeln. Gleichzeitig wird die angemessene medizinische Versorgung von Asylbewerbern gewährleistet. Diese Regelung war längst überfällig.
EU-Freizügigkeit
Es gab vor einigen Monaten Zeiten, in denen insbesondere aus dem Süden unseres Landes Menschen, die aus dem Süden Europas kommen, pauschal der Vorwurf des „Missbrauchs unseres Sozialsystems“ vorgeworfen worden ist. In einem wirklich umfangreichen Abschlussbericht des Staatssekretärsausschusses zu „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten“ - bei der Erstellung waren elf Bunderessorts, die sich mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt haben - konnten diese pauschalen Vorwürfe nicht bekräftigt werden. Vielmehr werden in dem Abschlussbericht verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung für die Kommunen vor, um die Folgen einer verstärken Zuwanderung aus EU-Mitgliedstaaten besser abzufedern.
Mit dem neuen von der Bundesregierung vorgelegten „Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften“ werden dennoch Regelungen getroffen, die bei Täuschung über das Vorliegen des Freizügigkeitsrechts befristete Wiedereinreisesperren möglich machen - für den Fall, dass es Einzelfälle geben sollte. Es verfolgt das Ziel, Fälle von Rechtsmissbrauch oder Betrug in Bezug auf das europäische Freizügigkeitsrecht, bei der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sowie bei der Inanspruchnahme von Kindergeld „konsequenter zu unterbinden“. So werden befristete Wiedereinreiseverbote im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug bezüglich des Freizügigkeitsrechts ermöglicht werden. Diese Wiedereinreiseverbote sind von Amts wegen befristet statt wie bisher nur auf Antrag. Das Wichtigste aber ist die massive Unterstützung der Kommunen.
Unterstützung der Kommunen durch den Bund
So wird der Bund über künftig besonders betroffene Kommunen unterstützen, u.a. durch
- die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II für das Jahr 2014 in Höhe von 25 Mio. Euro
- die Verpflichtung der Krankenkassen, die Impfstoffkosten für Kinder und Jugendliche aus EU-Mitgliedstaaten zu übernehmen, was schätzungsweise 10 Mio. Euro jährliche Entlastung bringen soll
- die Reform des AsylbLG, wonach bei Inkrafttreten zum 01. April 2015 voraussichtlich 31 Mio. Euro im Jahr 2015 und 43 Mio. Euro in den Folgejahren Entlastung erfolgt.
Außerdem werden sinnvollerweise das Programm "Soziale Stadt" und die Programme aus den europäischen Fonds ESF und EHAP (Europäischer Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen) auf die kommunalen Probleme zugeschnitten und entsprechend finanziell ausgestattet:
- rund 10 Mio Euro für die besonders betroffenen Kommunen im Rahmen von 150 Mio. für "Soziale Stadt" in 2014
- 88,3 Mio Euro für EHAP in der Förderperiode 2014 – 2020
- bis zu 116 Mio. Euro für die drei ESF-Programme Jugend stärken im Quartier, BIWAQ und Integrationsrichtlinie in der Förderperiode 2014 - 2020
Geeigneten Wohnraum für Flüchtlinge schaffen
Ich freue mich, dass die deutsche Gesellschaft derzeit wahrnimmt, dass viele Menschen aufgrund der aktuellen internationalen Konflikte, wie zum Beispiel der Bürgerkrieg in Syrien und die Ukraine-Krise, gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Laut den Zuwanderungszahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kommen in diesem Jahr mehr als 200.000 Flüchtlinge nach Deutschland. So viele, wie seit Jahren nicht. Die Aufnahmebereitschaft in Deutschland ist hoch.
Dennoch ist es so, dass die Unterbringung der Neuankömmlinge viele Kommunen vor große Herausforderungen stellt. Dies gilt insbesondere für Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt. Auch für Berlin gilt, dass zu wenig Wohnungen und Flächen in Wohngebieten zur Verfügung stehen. Menschenwürdig unterkommen sollen die Flüchtlinge - aber Neubauten fallen auch nicht vom Himmel.
Bauplanungsrecht ändern
Mit dem beschlossenen „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ erhalten die Kommunen Möglichkeiten zur schnelleren Schaffung von neuen Unterkünften: Befristet bis Ende 2019 soll die Errichtung von Unterkünften auch auf unbebauten Grundstücken in unmittelbarer Siedlungsnähe und als absolute Ausnahme auch in Gewerbegebieten leichter und rechtssicher möglich sein. Mit dieser befristeten Ausnahmeregelung wird die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Kommunen bei der Schaffung von Wohnungen gestärkt.
Wir SozialdemokratInnen sehen in dem vom Bundesrat eingebrachten Gesetz einen Baustein für die zeitnahe Bereitstellung von Unterkünften für die steigende Zahl der Flüchtlinge. Für uns ist auch klar, dass die erste Priorität für die in Deutschland schutzsuchenden Menschen vor allem dezentrale Wohnungen in Wohngebieten mit einer bedarfsgerechten Infrastrukturanbindung sind. Wir wissen: Für eine langfristig erfolgreiche Integration von AsylbewerberInnen ist die Unterbringung in Gewerbegebieten nicht der richtige Weg.