Hauptmenü

Gesundheit stärken, psychische Belastungen reduzieren – Wege zu einer gesunden Pflege

Der Pflegepolitische Abend der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft fand in diesem Jahr am 12. November 2014 statt. Thema des Abends war „Gesundheit stärken, psychische Belastungen reduzieren - Wege zu einer gesunden Pflege“. Ich begrüße es sehr, dass sich die BGW der Gesunderhaltung der Pflegenden im Lebensweltsetting (teil-) stationäre Pflegeeinrichtungen zuwendet. Schließlich werden die Mitglieder dieser großen Berufsgruppe viel zu häufig zu unser aller Lasten „vergessen“. Der Zeitpunkt für dieses Thema ist klug gewählt, da der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ (Präventionsgesetz –PrävG) vorliegt. Dieser soll in der letzten Sitzung vor Weihnachten ins Kabinett. Das parlamentarische Verfahren beginnt Anfang 2015.

Wir erhielten ein exzellentes Referat von Sabine Gregersen über „Lebensphasenorientierte Arbeit - Gemeinsam psychische Erkrankungen vermeiden“. Gregersen arbeitet als Diplom-Psychologin im Referat Grundlagen der Prävention und Rehabilitation - Gesundheitsschutz bei der BGW. Ihr Ziel ist es, das Auftreten von arbeitsbedingtem Stress weitestgehend zu verhindern beziehungsweise zu reduzieren. Wo bereits arbeitsbedingt negative Auswirkungen auf die Gesundheit entstanden sind, wird versucht, zur Gesundung der Beschäftigten beizutragen und diese wieder in das Berufsleben zu integrieren.

Rahmenbedingungen für eine gesunde Pflege gemeinsam gestalten

Gesundheitsförderung und Prävention sind gerade in der Pflege eine wichtige Zukunftsaufgabe. In der Diskussionsrunde „Rahmenbedingungen für eine gesunde Pflege gemeinsam gestalten“ ging es im Kern um die Frage „Was müssen Politik und die Pflegebranche tun, um den Themen Arbeitsverdichtung, psychische Belastungen etc. effektiv zu begegnen und welchen Beitrag liefert das neue Präventionsgesetz hierzu?“.

AG Gesundheit (SPD): „Eckpunkte für ein Präventionsgesetz 2014“

Der Referentenentwurf des Präventionsgesetzes wurde meinerseits als „sozialdemokratische Interessensvertreterin“ kommentiert. Unter Federführung von Helga Kühn-Mengel, Mitglied im Gesundheitsausschuss, haben wir bereits im Vorfeld der Veröffentlichung des Referentenentwurfes folgende 12 „Eckpunkte für ein Präventionsgesetz 2014“ erstellt:

  • Gesamtgesellschaftliche Verantwortung sicherstellen
  • Verbindliche Zusammenarbeit regeln
  • Prävention als Querschnittsaufgabe beachten
  • Bewährte Modelle der Kooperation nutzen
  • Für Zielorientierung sorgen
  • Prävention in der Kommune und den Setting-Ansatz stärken
  • Finanzmittel erhöhen
  • Qualitätssicherung weiterentwickeln
  • Geschlechterspezifische Aspekte berücksichtigen
  • Prävention psychischer Erkrankungen beachten
  • Evaluation, Forschung und Projekte
  • Öffentliche Wahrnehmung von Prävention steigern.

 Mehr tun zur Bekämpfung belastender Situationen in der Pflege

Nach Jahren des Stillstands unternimmt Politik gerade wesentliche Schritte zur Bekämpfung dieser für die Beschäftigten als auch die Pflegebedürftigen belastenden Situationen, u.a.:

  • Beschäftigte spüren, ob ihr Beruf in der Gesellschaft wertgeschätzt wird ja oder nein. Deshalb muss einiges getan werden, damit die materielle und immaterielle Entlohnung und Anerkennung steigt, damit der in der Ausbildung erlernte Beruf auch in der Praxis umgesetzt und damit eine Work-Life-Balance hergestellt werden kann. Wichtige Schritte hierzu sind das Familienpflegezeitgesetz und das für 2015 geplante Pflegeberufegesetz.
  • Beschäftigte spüren, ob die Gesellschaft sie in dem unterstützt, was sie tun. Deshalb wollen wir mit den Pflegestärkungsgesetzen 1 und 2 die Lage von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen verbessern - damit verbunden sind auch Verbesserungen für die Beschäftigten in der Pflege.

Lebenswelt Betrieb - Betriebliches Gesundheitsmanagement

Auch in der Pflegebranche gewinnt das betriebliche Gesundheitsmanagement an Bedeutung. Management für eine „gesunde Pflege“ heißt dass sich jeder Betrieb - unabhängig davon ob kleines oder großes Unternehmen im ambulanten, teilstationären oder stationären Bereich - mit der eigenen Unternehmenskultur und Leitbild, Work-Life-Balance, Mobilität, psychisches Wohlbefinden, gute Arbeitsorganisation, Demografie, Arbeitsverdichtung, alter(n)sgerechte Beschäftigung, psychische Belastungen, rückenschonendes Arbeiten, Dienstgestaltung, Dokumentationspflichten, etc. zu beschäftigen hat. Besondere Verantwortung liegt hierfür bei den Führungskräften der jeweiligen Einrichtung. Ein MitarbeiterInnenorientiertes Gesundheitsmanagement ist Ausdruck der Wertschätzung der MitarbeiterInnen.

Um die Pflegequalität auch langfristig zu halten und zu verbessern, ist eine MitarbeiterInnenbefragung ein wichtiges Instrument, um die Belastungen und Beanspruchungen der Beschäftigten in ambulanten und stationären Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege zu erfassen. „Wie geht es den bei mir tätigen Pflege- und Betreuungskräften?“ Niemand weiß so gut wie die MitarbeiterInnen selbst, wo die arbeitsbedingten psychischen Belastungen liegen. Als ehemalige Betriebsratsvorsitzende und ehemalige Zentrale Frauenbeauftragte der Charité möchte ich darauf hinweisen, dass in einem Unternehmen durchgeführte MitarbeiterInnenbefragung zur psychischen Belastung und Beanspruchung nur dann sinnvoll sind, wenn bereits im Vorfeld klar ist, dass nach der Befragung auch Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Alles andere ist kontraproduktiv.

Wir wissen: Psychische Belastungen und Beanspruchungen nehmen zu. Starke und häufig als Stress empfundene Belastungen haben negative gesundheitliche Folgen, senken die Motivation des Personals und verstärken die Unzufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeit. Langfristig drohen chronische Erkrankungen, Depressivität und das Ausbrennen der individuellen Ressourcen - mit gravierenden Folgen für die Betreuungsleistung in den Einrichtungen.

Pflege unter (Zeit-)Druck

Sich um die psychischen und physischen Belastungen und Beanspruchungen in den Unternehmen der Pflege zu kümmern, entspricht dem gesellschaftspolitischem Bedarf: In den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Pflegebedürftigen auf über drei Millionen ansteigen. Zeitgleich fehlt qualifiziertes Personal. Nachwuchs wird durch die geringe Attraktivität des Berufes abgeschreckt. Es ist ein Ansteigen der Anforderungen an Einrichtungen in der Altenpflege zu beobachten. Der zunehmende Anteil altersdementer, schwerstkranker BewohnerInnen erfordert immer mehr medizinische Pflege. Zunehmende Hochaltrigkeit, Demenz und Multimorbidität auf Seiten der Pflegebedürftigen erschwert die Pflegesituation der zunehmend älter werdenden Pflegepersonen. Kaum eine Berufsgruppe ist psychisch so stark belastet wie die AltenpflegerInnen mit der Folge, dass jede/r Fünfte ernsthaft daran denkt, den Pflegeberuf aufzugeben. Genannt werden häufig die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Unzufriedenheit mit dem Betriebsklima und den Arbeitsbedingungen.

Gesundheitsförderung, Arbeits- und Gesundheitsschutz sind Teil des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses in jeder Pflegeeinrichtung.

Präventiv-rehabilitatives Pflegeverständnis gefordert

Hinsichtlich des Präventionsgesetzes wurde eine stärkere gesamtgesellschaftliche Kooperation angemahnt, um zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen beizutragen und um Gruppen zu erreichen, die durch die traditionellen Angebote zur Primärprävention nicht erreicht werden.

Angemahnt wurde vor allem ein präventiv-rehabilitatives Pflegeverständnis. Nur auf dieser Grundlage ist sichergestellt, dass auch tatsächlich alles getan wird, um Pflege zu vermeiden. „Wenn wir keine Pflegevermeidungsstrategie haben, dann wird Pflege nicht gelingen.“ Es gehe nicht ums Jammern. Es geht um entsprechende Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, um die Sinnhaftigkeit des Präventionsgesetzes.