Immer wieder gerne beantworte ich die Fragen der jungen Menschen, die für einige Wochen ein Praktikum in der Verwaltung des Deutschen Bundestages machen. Mir bereiten diese Treffen Freude. Dieses Mal konnte ich Jenny, Leon, Paula und Hanna kennenlernen. Die Jugendlichen kommen wie die Profis an: Sie haben die technischen Geräte dabei, stellen ihre Fragen und ich habe zu antworten.
Wann haben Sie angefangen sich für Politik zu interessieren?
Politik ist sehr viel mehr als die Politik im Deutschen Bundestag. Politik ist erst mal politisches Engagement. Das begann bei mir als Jugendliche. Ich bin in Coesfeld, einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen geboren. Dort bin ich in die Katholische Landjugend eingetreten und habe da Positionen übernommen. Das hat sich dann in verschiedenen Lebensfeldern fortgesetzt. Als ich 1981 nach Berlin kam trat ich erst der Gewerkschaft und dann 1987 in die SPD ein. Seitdem bin ich mit Leidenschaft Sozialdemokratin.
Wieso haben Sie den politischen Weg der SPD eingeschlagen?
Ich empfand die SPD als die glaubwürdigste Partei. Aber mich hat natürlich auch das Charisma von Willy Brandt geprägt. Insbesondere war da aber auch die Tatsache, dass diejenigen, die SPD gewählt haben, auch Mitglieder der Partei sind und umgekehrt. Bei kleineren und anderen Fraktionen gab es zu viele Menschen, die zwar die Partei wählten aber auf keinen Fall Mitglied werden wollten. Außerdem konnte und kann ich die Werte der SPD Freiheit, Solidarität und Gleichheit von Herzen teilen.
Hat Sie die Politik persönlich verändert?
Ich kann mir mein Leben ohne die Politik gar nicht vorstellen. Früher war es jedoch in meinem Lebenskonzept nicht drin, dass ich irgendwann einmal hauptberuflich Politikerin werde. Jeder Beruf prägt. Infolge dessen hat mich diese Berufsausführung als hauptberufliche Politikerin geprägt. Mich haben aber auch sehr viele andere berufliche und private Erfahrungen geprägt.
Stimmen Sie in allen Punkten mit Ihrer Fraktion/Partei überein?
Es gibt da unterschiedliche Grade. Ich habe in ganz seltenen Fällen schon mal anders abgestimmt als die Mehrheit von uns.
Die Rezeptfreiheit der "Pille danach" war sehr lange ein großes Anliegen für Sie. Warum war/ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
In den Deutschen Bundestag habe ich das Thema 2012 eingebracht. Ende Februar 2015 wird wohl die 2./3. Lesung zu diesem Thema stattfinden. Mir ist das Thema deswegen so wichtig, weil ich der festen Überzeugung bin, dass sexuelle Selbstbestimmung für junge Frauen und Männer von großer Bedeutung ist. Bei dem Thema Pille danach bin ich der Meinung, dass es nicht sein kann, dass junge Frauen aufgrund einer Verhütungspanne - und weil sie in ländlichen katholischen Gegenden leben oder weil die Verhütungspanne am Wochenende passiert und keine Arztpraxis offen hat - ungewollt schwanger werden. Das darf auf keinen Fall passieren! Es muss einen freien und niedrigschwelligen Zugang zu diesem Notfallkontrazeptiva geben, und zwar überall in Deutschland. Die Pille danach verhindert eine mögliche Schwangerschaft, sie ist keine Abtreibungspille. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass die jungen Leute verantwortungsvoll mit diesem Medikament umgehen, da sie wissen, dass die Pille danach ein großer Hormonhemmer ist. Ich befürchte keinen Missbrauch.
Sie sind die Landesgruppensprecherin der Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten. Haben Sie dieses Amt angestrebt und was sind Ihre genauen Aufgaben da?
Ja, ich habe das Amt angestrebt. Es fand eine Wahl statt, in der ich mich durchgesetzt habe. Meine Zielstellung ist es, über alle einzelnen Fachbereiche hinaus, die Interessen der BerlinerInnen auch in meine Fraktion und in den Deutschen Bundestag zu tragen. Es ist wichtig dass es einen Austausch zwischen den Abgeordneten Berlins und den der übrigen Bundesländer gibt, in dem auch unsere ganz spezifischen Interessen im Mittelpunkt stehen. Wir pflegen vor allem einen engen Austausch mit Brandenburg.
Welche Ihrer politischen Ziele sehen Sie als erreicht bzw. als verwirklicht an?
Es gibt immer Zwischenschritte und somit auch Zwischenerfolge – in jeder Koalition wollen die jeweiligen PartnerInnen so viel als möglich durchsetzen. Als Gesundheitspolitikerin sage: Es muss insbesondere in der Pflege noch viel geschehen. Außerdem brauchen wir eine paritätische und solidarische Bürgerversicherung für die Kranken- und Pflegeversicherung. Auch beim Thema Frauengesundheit müsste noch mehr geschehen. Ich bin stolz darauf, dass ich zusammen mit den HaushälterInnen durchsetzen konnte, dass wir eine Studie mit dem Ziel der Reduzierung der Kaiserschnittraten durchführen werden. In einigen Bundesländern haben wir bis zu 30 Prozent Kaiserschnittgeburten. Diese sind auf keinen Fall alle medizinisch indiziert. Übersehen werden die langfristigen Risiken für Mutter und Kind bei diesen „geplanten“ Kaiserschnittgeburten. Wir werden nun unter Einbeziehung aller Fachgesellschaften eine S3-Leitlinie entwickeln, die Qualitätsstandards sicherstellen wird. Das bedeutet einen neuen Meilenstein in der Geburtshilfe.
Vielen Dank für das Gespräch.
Jenny Kirst, Leon Zaske, Paula Kleebank und Hanna Kühl
PraktikantInnen bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages