Schwelte die Frustration ob der Diskriminierung insbesondere in der Queer-Community hinsichtlich des Verbotes der „Ehe für alle“ schon lange vor sich hin, ist seit dem Referendum in Irland ein regelrecht loderndes Feuer entbrannt, welches vor nichts und niemandem halt macht - auch vor dem Bundesrat, dem Bundestag, dem Berliner Abgeordnetenhaus nicht.
Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg hat kurzfristig zu einer Kundgebung “EHE FÜR ALLE JETZT!” vor dem Bundesrat am 12. Juni aufgerufen. An dieser nahmen über 100 Menschen teil – eine davon war ich.
Die Diskussion zu “EHE FÜR ALLE JETZT!” wird auch auf den Landesparteitagen von SPD und CDU am kommenden Wochenende intensiv weitergehen.
Bundesrat strebt vollständige Gleichstellung an
Die ursprünglichen TOPs 47 a Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Thüringen „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ und TOP 47 b Antrag der Länder Niedersachsen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen „Entschließung des Bundesrates: "Ehe für alle - Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren“ wurden während der 934. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni vorgezogen.
Das Ergebnis: Ja zur „Ehe für alle“
Der eingebrachte Gesetzentwurf, der die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare vorsieht, wurde nicht beschlossen, sondern nur eingebracht und an die Ausschüsse der Länderkammer verwiesen. Ein Beschluss hätte den Bundestag dazu gezwungen, sich mit der Vorlage zu befassen. Bei der „Ehe für alle“ sind sich die Koalitionspartner CDU/CSU und SPD aber uneins.
Die „Entschließung des Bundesrates: "Ehe für alle - Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren“ wurde beschlossen und wird nun der Bundesregierung zugeleitet. Diese hat den Vorgang an den Bundestag weiterzuleiten. Die Länderkammer fordert den Bundestag auf, die Ehe auch für schwule und lesbische Paare zu öffnen. Die weiterhin bestehende Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare müsse beendet und eine vollständige Gleichbehandlung der Ehe im gesamten Bundesrecht hergestellt werden. Hierzu sei das Bürgerliche Gesetzbuch zu ändern und ein volles gemeinschaftliches Adoptionsrecht auch für gleichgeschlechtliche Paare zu schaffen.
Die Entscheidung kam mit den Stimmen der neun rot-grün, grün-rot oder rot-rot-grün regierten Länder zustande. In der Großen Koalition ist das Thema umstritten: Die SPD hat sich für die Gleichstellung ausgesprochen, die Union bleibt aber noch bei einem Nein. Diese Meinungsverschiedenheit führte für Berlin zu einer Enthaltung.
Die Eheverwehrung für gleichgeschlechtliche Paare stellt eine konkrete rechtliche und symbolische Diskriminierung dar, so der Bundestag. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels gebe es keine Gründe mehr, am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit weiter festhalten. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte in der Debatte der Länderkammer: "Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Die Iren hätten mit ihrem Referendum zur Ehe gezeigt, dass es keinen Grund gäbe, Schwulen und Lesben die völlige Gleichstellung vorzuenthalten. Anderer Meinung war Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU), der sich gegen eine Öffnung wandte. Damit würden Dinge gleichgesetzt, die nicht gleich seien: "Das Institut der Ehe ist ein Wert für sich."
Mit Spannung war das Stimmergebnis von Berlin erwartet worden. Obwohl Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister, dem Koalitionspartner bis zur letzten Minute die Zeit gegeben hatte, sich der Haltung der SPD anzuschließen, konnte er leider aufgrund des Widerstandes des Berliner Koalitionspartners CDU nicht mit Ja bei der Entschließung stimmen. Stattdessen drohte der CDU-Landesvorsitzende unverhohlen mit dem Bruch der Koalition. Notwendig für eine Mehrheit im Bundesrat waren die Berliner Stimmen nicht.
Was bringen die Bundesratsbeschlüsse für die „Ehe für alle“?
Die neun Bundesländer, in denen die SPD entweder mit den Grünen oder mit den Linken regiert, kommen zusammen auf 40 Stimmen, die Mehrheit liegt bei 36 Stimmen. Zwar wurde nur über die Entschließung abgestimmt, doch es besteht kein Zweifel, dass es auch für den Gesetzentwurf eine Mehrheit gibt.
Zu einer Entschließung muss die Regierung zwar Stellung nehmen, sie verpflichtet sie aber zu nichts. Sie ist also in erster Linie ein politisches Signal.
Wenn der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschließt, muss der Bundestag sich mit diesem befassen. Er hat insofern also eine deutlich höhere Verbindlichkeit als eine Entschließung - allerdings kann bis zu einer tatsächlichen Abstimmung im Bundestag viel Zeit vergehen.
Zunächst geht der Gesetzentwurf an die Bundesregierung, die ihn spätestens nach sechs Wochen an das Parlament weitergeben muss. Allerdings muss dann nicht sofort die erste Lesung stattfinden. Im Gegensatz zu 2013 unter Schwarz-Gelb kommt es dieses Mal wohl auf jeden Fall zu einer ersten Lesung im Bundestag und die anschließende Überweisung in die Parlamentsausschüsse. Wann die 2./3. Lesung, die Abstimmung kommt, hängt vor allem vom politischen Willen, die Sache voranzureiben, ab. Es ist nicht unbekannt, dass es in der großen Koalition wegen der unterschiedlichen Positionen von CDU/CSU unterschiedliche Vorstellung zur Dringlichkeit dieses Themas gibt.
Wird der Gesetzentwurf zur „Ehe für alle“ im Bundestag Realität?
Ich glaube JA - trotz der derzeit extrem störrischen Haltung der CDU und des Bauchgefühls von Bundeskanzlerin Merkel. Schon 2013 hat eine "Stern"-Umfrage erbracht: 74 Prozent der Deutschen finden es gut, wenn die Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Partnern vollkommen der traditionellen Ehe gleichgestellt werden, 23 Prozent sprechen sich dagegen aus, 3 Prozent sind unentschieden.
Für eine Gleichstellung der Ehe für alle votieren die AnhängerInnen und WählerInnen vieler Parteien: bei Bündnis 90/Die Grünen 86 Prozent, bei der SPD 82 Prozent, bei den Linken 70 Prozent. Für eine völlige Gleichstellung votieren sogar rund zwei Drittel der CDU/CSU-WählerInnen, nämlich 64 Prozent.
Die Abgeordneten der Union - aber auch wir - unterliegen derzeit der Fraktionsdisziplin. CDU/CSU haben es bis dato abgelehnt, die Abstimmung über ein entsprechendes Gesetz freizugeben, Abgeordnete nur nach ihrem Gewissen abstimmen zu lassen. Die CDU wird auf ihrem Bundesparteitag vom 7.-9- Dezember diesen Jahres nicht umhinkommen, sich erneut intensiv mit dem Thema Ehe für alle auseinanderzusetzen.
Der politische Druck steigt
Bündnis 90/Die Grünen haben im Bundestag eine eigene Gesetzesinitiative gestartet. Am 18. Juni findet die 1. Lesung des „Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare“ statt. Geschehen wird eine Überweisung in die entsprechenden Ausschüsse. Wahrscheinlich findet vor der 2./3. Lesung auch noch eine Anhörung statt. Dies kann nicht vor September geschehen.
Dissens zwischen Berliner CDU und SPD bei „Ehe für alle und zwar jetzt“
Für alle erkennbar gibt es beim Thema Ehe für alle und zwar jetzt zwischen dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) eine tiefe Kluft. In einer fulminanten Rede vor den Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses warb der Regierende für die Öffnung der Ehe - vom Innensenator kam nichts. Schon vor diesem Donnerstag, den 11. Juni, hatte Henkel gedroht, die Koalition zerbrechen zu lassen, sollte der Regierende im Bundesrat mit JA stimmen. Starker Tobak also.
Für Michael Müller ist ein solches Verhalten „absurd“. Er griff Henkels Haltung scharf an. „Die CDU hat bislang nur formal, aber niemals inhaltlich argumentiert“, sagte er. Die vollständige Gleichstellung sei nicht aufzuhalten. „Dieses Signal sollte von Berlin ausgehen. Wer nicht mitgehen will, hat Berlin nicht verstanden.“ Und was dann kam, haben viele BerlinerInnen wirklich nicht mehr verstanden. Wir alle haben gehört, dass die Berliner CDU eine Mitgliederbefragung zum Thema durchführen will. Wer aber nun glaubte, dass im Parlament darauf hingewiesen wurde, deshalb brauche die CDU als Partei und Fraktion Zeit, deshalb sei ein intensiver Diskussionsprozess anzustrengen, sah sich getäuscht. Stattdessen begann im Berliner Parlament ein Stück aus dem 50-Jahre-Tollhaus.
„Männer zeugen, Frauen gebären“
Es war Aufgabe von Cornelia Seibeld (CDU), rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, auf den Regierenden zu erwidern. Das NEIN zur Ehe für alle begründete sie mit einer 2000 Jahre alten Tradition. „Die Ehe ist exklusiv für Männer und Frauen, weil Männer Kinder zeugen und Frauen sie gebären“ (Ich frage mich nun, wie ist es nur möglich gewesen, dass es schon vor sehr viel länger als 2000 Jahre eine menschliche Bevölkerung gegeben hat). Unerhört für eine rechtspolitische Sprecherin ist aus meiner Sicht der nachfolgende Satz: „Diskriminierung wird nicht durch Gesetze abgeschafft, sondern durch Diskussionen und Erkenntnisprozesse“. Zu Recht musste sich Frau Seibeld von Rednern der Opposition angehen lassen: Wurde der CDU vorgeworfen, sie vermittele „ein Stück 50er-Jahre-Welt“, wurde Frau Seibeld vorgeworfen: „Die Welt von heute vertreten Sie nicht mehr“.
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