Hauptmenü

Rede zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen

Die SPD will die Gesundheitskarte für Flüchtlinge! Wir brauchen eine bundesweit einheitliche Regelung - ich möchte nicht, dass die Bundesländer einem Flickenteppich gleichen.

Meine Rede im Deutschen Bundestag zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Ulla Jelpke, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE "Medizinische Versorgung für Asylsuchende und Geduldete diskriminierungsfrei sichern" Drucksache 18/5370



115. Sitzung am 2. Juli 2015

Mechthild Rawert (SPD):

Nach dem Verlauf der bisherigen Diskussion ändere ich den vorgesehenen Beginn meiner Rede und möchte die Gesundheitspolitiker und -politikerinnen an den Bericht der Bundesregierung über die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen erinnern. Wir haben diesen Bericht am 29. Juni dieses Jahres erhalten; das ist also noch nicht so lange her. Mündlich vorgetragen wurde er schon am 10. Juni. Dieser Bericht informiert uns über die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen nach der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Er spricht die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, die Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie im Hinblick auf die medizinische und psychologische Versorgung Schutzbedürftiger und einen Konsens an, auf den ich in meiner Rede noch zu sprechen kommen werde. Ich kann nur sagen: Die Gesundheitspolitik ist deutlich weiter, als es die heutige Einführung in das Thema vermuten lässt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung ist eine Verpflichtung für Gesellschaft und Staat. Der Zugang dazu ist ein Menschenrecht. Wir stehen hier als Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht. Es ist schon gesagt worden: Deutschland zeigt hohe Bereitschaft, Menschen nach einer Flucht vor Terror, Krieg und Verfolgung aufzunehmen und sie hier willkommen zu heißen. Dafür bin ich dankbar. Diese Willkommenskultur wird von den Flüchtlingen auch anerkannt. Das weiß jeder, der in seinem Wahlkreis Kontakt zu den Bewohnern von Aufnahme- und Übergangswohnheimen pflegt. Die Bürgerinnen und Bürger, die wir für eine aktive Kooperation und ein aktives Engagement im Kontext der Willkommenskultur zu gewinnen versuchen, würden es nicht verstehen, wenn wir unsere Diskussion so beenden würden, als gäbe es ein Gesundheitswesen für Menschen erster Klasse und ein Gesundheitswesen für Menschen zweiter Klasse, also ein total ungleiches Gesundheitswesen.

(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Rawert, so ist es leider!)

Das wollen die Bürgerinnen und Bürger nicht. Sie wollen einen barrierefreien Zugang zur Gesundheitsversorgung. Ihr Maßstab sind dabei die weitestgehend gleichen Gesundheitsleistungen wie bei gesetzlich Krankenversicherten.

(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für die Asylbewerber?)

Denjenigen, die sich damit noch nicht befasst haben, sage ich: Stellen Sie sich vor, dass Sie krank sind, dass Sie akute Schmerzen haben und sich schlapp fühlen. Sie können aber nicht einfach zu einem Arzt gehen; denn Sie müssen als Erstes eine Behörde aufsuchen. Abgesehen davon, dass Sie in einem Wartesaal zusammen mit vielen anderen erkrankten Menschen sitzen müssen, und zwar in der Regel ziemlich lange, entscheidet dann ein Verwaltungsmensch, ob Sie einen Behandlungsschein bekommen oder nicht. Der Erhalt eines Behandlungsscheins ist die Voraussetzung dafür, dass Sie überhaupt zu einem Arzt oder einer Ärztin gehen dürfen. Ich bleibe immer noch im Bild: Wenn Sie Glück haben, sitzen Sie dann mit Ihren akuten Schmerzen in einer Praxis und warten. Von zusätzlichen Problemen wie Sprachbarrieren, die bei einer Behörde und den Ärzten eine Rolle spielen, möchte ich jetzt gar nicht reden. - Das verstehen die Bürgerinnen und Bürger nicht. Deswegen ist das, was im Kontext der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes gemacht worden ist, ein erster, aber auch guter Schritt. Davon wollen wir keineswegs wieder abgehen.

Des Weiteren werden wir die rechtlichen Voraussetzungen für die Gesundheitskarte schaffen. Ich möchte aus einem Blatt zitieren. Die Überschrift lautet:

Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. Juni 2015.

(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Mechthild, jetzt wird es spannend!)

Hier wird unter 2.9 Folgendes gesagt:

Bund und Länder sehen in der Übertragung der Abrechnung der ärztlichen Behandlung für Asylsuchende auf die gesetzlichen Krankenversicherungsträger als Dienstleister eine Möglichkeit, die gesundheitliche Versorgung von Asylbewerbern zu erleichtern und die Kommunen hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes zu entlasten.

Dann geht es weiter. Der Auftrag ist, dass bis zum Herbst - - 

(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Die Leistungen sollen sich wie bisher im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes bewegen“! Genau das ist das Problem!)

- Es gibt sogar noch einen Satz dazwischen. Maria, ich bin jetzt dran. Du kannst gleich reden.

(Heiterkeit)

Die Aufgaben für die Bundes-, Kommunal- und Länderebene bestehen jetzt darin, hieraus ein Konzept zu erarbeiten; denn das ist Konsens zwischen Bund und Ländern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sagen Sie mir, ob Ihre Partei daran beteiligt ist. Darauf wäre ich sehr neugierig.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber kein Ruhmesblatt, was da steht!)

Dieses Paket wird dazu dienen - das ist vorhin zu Recht gesagt worden -, Verwaltungskosten einzusparen. Wir haben dadurch aber auch mehr Möglichkeiten, im Gesundheitsbereich zu agieren.

Ich will noch eines sagen: Ich möchte hier gerne eine bundeseinheitliche Linie haben. So froh ich bin, dass wir diese Gesundheitskarte in Bremen und in Hamburg schon haben - für Thüringen ist sie geplant -, so möchte ich doch nicht, dass die Bundesländer einem Flickenteppich gleichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es soll vielmehr eine bundeseinheitliche Regelung gelten. So verstehe ich auch die Herausforderung, vor die uns unsere gemeinsame Bundeskanzlerin gestellt hat.

Über die verschiedensten Hilfen, die seitens des Bundes, der Länder und der Kommunen schon geleistet worden sind, ist schon etwas gesagt worden.

Ich schließe schlicht und ergreifend damit: Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Solidarität, um zu helfen. Die Bürgerinnen und Bürger verstehen nicht, wenn der „Umweg“ krankmacht, anstatt zur Gesundung beizutragen. Es heißt schließlich Gesundheitssystem und nicht Krankheitssystem.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))