Der Bundesgerichtshof hat am 26. Juni 2015 entschieden: Den „Ordensleuten gegen Ausgrenzung“ darf der Protest vor der Abschiebungshaft am Flughafen Berlin-Schönefeld nicht untersagt werden. Gegen die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg GmbH geklagt hat der 72jährige Jesuitenpater Christian Herwartz.
Seit über 20 Jahren demonstrieren die „Ordensleute gegen Ausgrenzung“ in Berlin gegen Abschiebungsgefängnisse. Nachdem im August 2012 am Flughafen Berlin-Schönefeld eine Abschiebungshaft eröffnet wurde, wollten die Ordensleute am Ort des Geschehens demonstrieren und meldeten eine Kundgebung auf dem Gelände der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg GmbH an. Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg GmbH verweigerte allerdings die Versammlung mit der Begründung, dass das Betriebsgelände nicht öffentlich sei.
Im Offenen Brief „Bitte erlauben Sie uns hinzusehen und zu beten.“ hat sich Peter Christian Herwartz für die Ordensleute gegen Ausgrenzung an politisch Verantwortliche gewandt.
Ein Urteil für die Versammlungsfreiheit
Darf vor der Abschiebungshaft am Berliner Flughafen protestiert werden? Die Unterkunft befindet sich in einem Bereich des Flughafens, in dem auch Flughafensicherheit, Zollamt, Betriebsarzt oder Deutsche Post angesiedelt sind. Das Gelände ist umzäunt und durch zwei Außentore zugänglich, die in der Regel offen sind. Der Bundesgerichtshof sagt Ja! (Az.: V ZR 227/14): Das Betriebsgelände des Flughafens sei, wie eine Straße oder Fußgängerzone auch, ein öffentlicher Raum. Das Gelände ist allgemein zugänglich, selbst wenn die dort angesiedelten Betriebe im Zusammenhang mit dem Flughafenbetrieb stehen und der Bereich umzäunt ist. Das Hausrecht stehe bei Gewerbegebieten, auf denen der Staat hoheitlich tätig ist und wo nur im Einzelfall Einlasskontrollen stattfinden, nicht über dem Versammlungsrecht. Der Bundesgerichtshof hat den staatlichen Flughafenbetreiber zusätzlich verpflichtet eine beabsichtigte Demonstration am 3. Oktober 2015 zu erlauben.
Zur Versammlungsfreiheit gehört, dass die TeilnehmerInnen selbst über den Ort und die Bedingungen ihrer Versammlung entscheiden können. Gibt es keine stichhaltigen Gründe dagegen, so muss der entsprechende Antrag bewilligt werden. Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz gewährleistet eine räumliche Nähe von Protesten zu ihrem Anlass. Wenn die Ordensleute gegen die Abschiebungspraxis demonstrieren und auf die Inhaftierungen von Flüchtlingen hinweisen wollen, dann muss ihnen dies im Angesicht des Abschiebungsgefängnisses möglich sein - so die Haltung des Klägers. Es ist ja gerade das Ziel auch die Betreiber, das Wachpersonal und die inhaftierten Flüchtlinge in Seh- und Hörweite zu erreichen. Aus Sicht des klagenden Jesuitenpaters umfasst die konkrete Versammlung sowohl eine Kritik am Staat als auch die Solidarität mit den Flüchtlingen.
Ein Urteil gegen Ausgrenzung
Persönlich begrüße ich das Urteil sehr - nicht nur wegen der Stärkung des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes, sondern gerade auch, weil wir in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung beschlossen haben. Das Gesetz enthält viel Licht und viel Schatten oder, wie es seitens der Evangelischen Kirche formuliert wurde „Segen und Fluch zugleich“.
Friedliches Engagement wie seitens der „Ordensleute gegen Ausgrenzung“ macht auf die negativen Seiten des Gesetzes aufmerksam und trägt dazu bei, dass die Menschlichkeit auch in Zukunft Gesichter zeigt. Ich sage Dank für ein über 20jähriges unermüdliches Engagement gegen Abschiebegefängnisse, u.a. auch am Schönefelder Flughafen.
Der Berliner SPD ist der Kampf für mehr Rechtsstaatlichkeit für Asylsuchende ein bedeutsames politisches Anliegen. Bereits am 31. Oktober 2012 hat die Landesgruppe Berlin in der SPD-Bundestagsfraktion die Fraktion vor Ort-Veranstaltung „Flughafen-Asylverfahren auf dem Prüfstand“ im Rathaus Treptow-Köpenick durchgeführt.
An der bereits angekündigten Demonstration am 3. Oktober 2015 vor der Abschiebehaft kann ich leider wegen meiner Teilnahme an der 4. Sitzungswoche der Parlamentarischen Versammlung des Europarates nicht teilnehmen.