Zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ nach jahrelangen Debatten und völlig wirkungslosen freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden beschlossen. Die Zeit der Monokulturen in Aufsichtsräten, Vorständen und Führungsebenen sollte endlich beendet sein. Fakt ist aber: Gleichberechtigung ist kein Selbstläufer.
Ab 2016 soll in 105 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen bei der Aufsichtsratswahl eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent gelten. 3500 weitere Unternehmen müssen sich verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen. Damit sollen sichtbare Veränderungen in den Führungsetagen erzielt werden.
Für uns SozialdemokratInnen ist dieses Gesetz ein wichtiger Meilenstein insbesondere für die sehr gut ausgebildete Generation der jungen Frauen. Auch wenn es uns immer noch nicht weit genug geht, ist das Gesetz ein wichtiges Signal für alle Arbeitnehmerinnen in Unternehmen und im öffentlichen Dienst. Nur wenn es an der Spitze eine Überwindung traditioneller Rollenverteilungen und Gleichstellung gibt, wird sich Chancengleichheit innerhalb der Betriebe durchsetzen. Wir wollen, dass Frauen nach der politischen Macht endlich auch einen fairen Anteil an der wirtschaftlichen Macht erhalten.
Gesetzliche Verankerung von drei Säulen
Das Gesetz beruht auf drei Säulen:
Das Gesetz ist der Praxis leider noch weit voraus
Die augenblickliche Bilanz der Veränderungen ist ernüchternd. Dies zeigt die aktuelle Bilanz „30 % Quote im Aufsichtsrat: Eine Eröffnungsbilanz ... unterteilt nach Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern“ der Hans-Böckler-Stiftung zur ersten Gesetzessäule. Derzeit erfüllt nur gut ein Fünftel der 105 Firmen die 30-Prozent-Quote - und das oft nur, weil auf der Arbeitnehmerbank in den Aufsichtsräten mehr Frauen sitzen als vom Gesetz vorgegeben. Dies gleicht Lücken auf der Bank der Anteilseigner aus. Das ist aber nicht die Lösung. Arbeitnehmer oder Anteilseigner im Aufsichtsrat können nach dem Gesetz darauf bestehen, dass jede der beiden Bänke für sich die 30-Prozent-Marke erreichen muss. Tun sie das, müssen noch deutlich mehr Frauen in die Aufsichtsräte einziehen, um die Quote zu erfüllen.
Laut Studie
Weitere Antworten rund um die Umsetzung der Frauenquote beantwortet die Böckler-Stiftung auch hier.
Unternehmerische Führungsgremien sind äußerst träge
Es besteht dringender Handlungsbedarf - wenn Deutschland sich nicht weltweit blamieren will! Bis jetzt hat nur ein geringer Anteil der Unternehmen Zielgrößen zum künftig angestrebten Anteil von Frauen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen verabschiedet oder diese geplant: Keine Zielvorgaben haben 54 Prozent der befragten Unternehmen für die Umsetzung der Frauenquote und planen dies auch nicht. Paradoxerweise erhoffen sich die Unternehmen trotz ihrer Ablehnung gegenüber den gesetzlichen Maßnahmen positive Effekte von der Festlegung von Zielgrößen zur Steigerung des Frauenanteils - etwa eine höhere Reputation, steigende Attraktivität des Unternehmens für Bewerberinnen (74 Prozent), die Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen (63 Prozent) oder positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg (61 Prozent). Dies zeigt das
Stimmungsbarometer von FidAR, der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte e.V. (FidAR), die dieses gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut, infas und A.T. Kearney durchgeführt hat.
Viel Zeit zum Handeln bleibt nicht - ranklotzen bis September 2015 ist angesagt! Wir Sozialdemokratinnen wollen das erklärte politische Ziel eines Frauenanteils in Führungspositionen von mindestens 30 Prozent unter den Tob-Jobs in der Lebenswirklichkeit. Wer noch mehr über den quantitativen Anteil von Frauen in Führungspositionen erfahren will, schaue hier nach.
Die Gleichstellungsdebatte auch richtig platzieren
Ich bin dankbar, dass einige Frauenorganisationen bereits seit Jahren diese Gleichstellungsdebatte nicht nur in Gesellschaft und Politik platzieren sondern genau da, wo sie auch hingehört: Auf die Jahreshauptversammlungen europäischer Großunternehmen. Hier muss Chancengleichheit im Erwerbsleben auch für Frauen umgesetzt werden.
Zusammen mit vier Juristinnenvereinigungen in Europa fragte der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) direkt auf den Jahreshauptversammlungen von fast 100 Großkonzernen nach Gleichstellung, Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit. Tatkräftige Juristinnen machten hier als Aktionärinnen von ihrem Rederecht Gebrauch und stellten den Konzernriesen heikle Fragen. Den Rahmen bildete das vom djb initiierte Projekt "European Women Shareholders Demand Gender Equality" (EWSDGE). Dieses hat das Ziel, die ungleichen Karrierechancen von Frauen zu thematisieren und die Gläserne Decke aufzubrechen. Den Dialog auf den Jahreshauptversammlungen zu suchen, wird als erfolgversprechend eingeschätzt - auch wenn der derzeitige Stand unbefriedigend ist: In den Aufsichtsräten der deutschen EURO-STOXX-50-Unternehmen reichte der Frauenanteil 2014 von 15 Prozent (RWE AG) bis 40 Prozent (Munich RE AG). Die Vorstände zählten zehn weibliche Besetzungen, denen insgesamt 90 männliche gegenüberstanden. Auf europäischer Ebene ist die Situation ähnlich. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 614 größten börsennotierten Unternehmen der 28 EU Mitgliedstaaten liegt bei 20,2 Prozent und der Anteil in Vorständen bei nur 3,3 Prozent (Stand: Januar 2015, EU Kommission).
Auch in Familienunternehmen ist Chancengleichheit noch nicht erreicht
Vielen der 100 größten Familienunternehmen fehlen Frauen in ihren Aufsichtsräten. Die Frauenquote von 30 Prozent erfüllt kaum einer.
Am höchsten ist der Frauenanteil im Bereich Transport und Logistik (14 Prozent), an Platz zwei liegt die Telekommunikationsbranche (11 Prozent). Im Energiesektor ist indes derzeit kein einziges Vorstandsmitglied weiblich. Eine Studie der Personalberatung Russell Reynolds aus dem Juni hatte gezeigt, dass nicht ganz die Hälfte der Unternehmen die Quote bereits erfüllt.