Meine Rede im Deutschen Bundestag während der Beratung über den Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden.
Drucksache (18/6364)
134. Sitzung am 6. November 2015
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat die Kollegin Mechthild Rawert für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Mechthild Rawert (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Wir debattieren heute in erster Lesung einen Antrag der Linken zum sperrigen Thema „Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden“. Da wir an anderer Stelle grundsätzlich über die betriebliche Altersversorgung und über die solidarische Bürgerversicherung diskutieren, beschränke ich mich heute auf klarstellende Erläuterungen.
Worum geht es? Bis 2004 waren Versorgungsbezüge, die monatlich ausgezahlt wurden, beitragspflichtig, während Versorgungsbezüge, die am Vertragsende als Einmalauszahlung ausgezahlt wurden, beitragsfrei waren. Diese Ungleichbehandlung musste beendet werden, und sie wurde beendet. Eine Gleichbehandlung gibt es seit dem 1. Januar 2004. Nach dem Willen des rot-grünen Gesetzgebers sollten pflichtversicherte Rentnerinnen und Rentner auch auf Versorgungsbezüge Krankenversicherungsbeiträge zahlen, die als Einmalzahlung geleistet werden. Ein Beispiel dafür ist eine Lebensversicherung, die über den Arbeitgeber als sogenannte Direktversicherung gezahlt wurde.
Infolge dieser politischen Entscheidung sind mehrfach Verfassungsbeschwerden gegen diese Krankenkassenabzüge erhoben worden. Doch nur eine dieser Klagen hatte Erfolg: Nur dann, wenn eine vom Arbeitgeber abgeschlossene betriebliche Direktversicherung privat fortgeführt wird und sich der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin im Vertrag als Versicherungsnehmer oder Versicherungsnehmerin einträgt, können diese der Beitragspflicht – in Gänsefüßchen – entkommen, so die Richter und die Richterinnen. Mit anderen Worten: Pflichtversicherte Rentner und Rentnerinnen müssen auf Leistungen, die auf arbeitnehmerfinanzierten Lebensversicherungsbeiträgen beruhen, dann keine Versicherungsbeiträge zahlen, wenn sie selbst als Krankenversicherungsnehmer oder -nehmerin in der Police stehen.
Die Argumentation des höchsten deutschen Gerichtes war: Wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin selbst zahlt und dieser bzw. diese der alleinige Versicherungsnehmer bzw. die alleinige Versicherungsnehmerin ist, entfällt jeglicher Bezug zum Arbeitsverhältnis. Die Versicherung ist dann genauso zu behandeln wie eine private Kapitallebensversicherung, die ja bei Pflichtversicherten ebenfalls keine Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auslöst.
Die damaligen Beweggründe von Rot-Grün waren: Die Neuregelung sollte dazu beitragen, die Unterdeckung in der Krankenversicherung der verrenteten Menschen zu verringern. Damals wurden die Gesundheitsausgaben für die ältere Generation überwiegend von der erwerbstätigen Generation finanziert. Richtig ist auch heute noch: Die jüngere Generation unterstützt die ältere, indem sie finanzielle Lasten auch für ein höheres Krankheitsrisiko trägt.
Mit der Neuregelung wurde entschieden, hier für einen stärkeren Ausgleich zwischen den Generationen zu sorgen. Zur Beitragszahlung verstärkt herangezogen wurden aber nur die Rentnerinnen und Rentner, deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine solche Mehrbelastung auch zuließ. Das ist insbesondere bei denen der Fall, die zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente Einkünfte aus Versorgungsbezügen – wie gesagt: Lebensversicherung mit Kapitalabfindung – beziehen.
Die Verfassungsmäßigkeit – das habe ich schon gesagt – wurde wiederholt bestätigt. Die Erhebung von Beiträgen auf Kapitalleistungen aus der betrieblichen Direktversicherung war und ist den betroffenen Versicherten zumutbar. Der Gesetzgeber ist auch berechtigt, jüngere Krankenversicherte bei der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentnerinnen und Rentner zu entlasten und diese selbst zur Finanzierung heranzuziehen.
Wir haben gemerkt, dass es in dem Antrag mehrere Vermischungen gibt. Es wird über die betriebliche Altersvorsorge als Ganzes diskutiert. Es wird auf die Bürgerversicherung Bezug genommen, die wir auch wollen. Des Weiteren wird über Gerechtigkeit und Solidarität diskutiert. Der Antrag ist in sich aber nicht stringent. Das werden wir im Weiteren – dafür gehen wir in die parlamentarische Beratung – diskutieren. Ich freue mich auf die Diskussion und wünsche uns allen ein schönes Wochenende.
(Beifall bei der SPD)